Die Feinkostetage im KaDeWe wird umgebaut

Alles neu, aber bitte nicht anders

Eine Bar mit lila Sitzpolstern und Gläsern unterm Thekendach
Natürlich bleibt sie auch nach dem Umbau: die Austernbar im KaDeWe. Wo sollten die Stammgäste sonst ihren Champagner schlürfen? © KaDeWe
Von Tina Hüttl · 07.10.2018
Manche Theken in der Feinkostetage im Berliner Kaufhaus des Westens sehen aus, als könnte man dort noch Harald Juhnke beim Bierchen treffen. Nun soll das 1907 gegründete Traditionshaus ein Face-Lifting erhalten: Müssen Stammgäste um ihr "Biotop" fürchten?
Es ist schwer, vielleicht sogar unmöglich, sich dem KaDeWe unvoreingenommen zu nähern - ohne Bilder, ohne Klischees. Und der Austernbar sowieso. Hier hoch oben in der Feinschmecker Etage des Kaufhaus des Westens, nach dem man Rolltreppe um Rolltreppe vorbei an Hermès-Tüchern und Balenciaga-Turnschuhen für knapp 700 Euro bis in den sechsten Stock gefahren ist, sitzt schon die erste Figur, die wie erfunden scheint: Mikhail ist gebürtiger Russe und Stammkunde mit gesticktem Billionaire's Club Emblem am Poloshirt, der mindestens einmal die Woche hier Austern schlürft.
Champagner und Austern - damit wird das KaDeWe gern assoziiert. Als Symbol für den Kapitalismus taugt es immer noch. Natürlich ist das aber ein wenig unfair und überholt, weil West-Berlin längst keine abgeschottete Insel mehr ist. Inzwischen zieht es fast alle hierher: lunchende Übersee-Touristen und Backpacker, sozialdemokratische Ur- und konservative Neu-Berliner, Porsche und Polofahrer, Promis und Normalsterbliche. An schlechten, also sonnigen Tagen, marschieren rund 60.000 von ihnen, an guten, also Regentagen, sogar 80.000 hier durch. Und wie Christian Meiser, der Mann, der sich als "Oberkellner der Feinkostabteilung" vorstellt, sagt, fahren fast alle Kaufhausbesucher irgendwann auch nach oben.
Das Kaufhaus des Westens in Berlin
Das Kaufhaus des Westens in Berlin © KaDeWe
"Da gibt es unter uns so eine Statistik: Wer am Brandenburger Tor durchgeht, geht auch durchs KaDeWe und durch die sechste Etage. Weil in der Regel wird doch auch der Weg in die sechste Etage gesucht, weil man kann sich eine Jeans kaufen, einmal am Tag, vielleicht auch zweimal am Tag. Aber Hunger hat man mindestens dreimal am Tag. Und das ist unser entscheidender Vorteil."

Nicht nur Austern und Champagner

Besonders die Feinkostabteilung ist demokratischer als sie gemeinhin dargestellt wird. Austern und Champagnerbar sind ja nur eine Wahrheit. So wie hier gleichberechtigt frisches Gemüse neben Konserven in den Warenabteilungen ausgestellt ist, existieren hier oben auch Restaurants die "Kartoffelacker" und "Wurstkessel" heißen.
Meiser ist Tag für Tag auf der Fläche unterwegs. Morgens ist er als Erster hier, guckt, dass alles in Ordnung ist: die Böden, die Gläser poliert sind, die Regale ordentlich, die Hände der Mitarbeiter gepflegt. Er trägt Jackett, wenn auch heute ohne Krawatte, der Bart ist sorgfältig gestutzt. Sein Lächeln, das er für jeden Kunden bereithält, hat sich als feine Fältchen um seine Brille herum festgesetzt.
7000 – bald 7500 Quadratmeter – sind abzulaufen, von der Austernbar über die Fischabteilung zum Tresen vom Wurstkessel und wieder zurück. Die Foodhall, wie die Fressabteilung offiziell und international kompatibel genannt wird, ist riesig. Aber auch verwinkelt und unübersichtlich. Und einige Theken sehen so alt aus, als könnte man an ihnen noch immer Harald Juhnke beim Bierchen treffen. Daher hat der thailändische Central Konzern, der seit 2015 die Mehrheit an der KaDeWe Group übernahm, beschlossen: Es ist nun dringend Zeit für einen Umbau. Die sechste Etage macht den Anfang, sie bekommt in den nächsten vier Jahren ein völlig neues Gesicht. Fast 2000 Quadratmeter sind seit Monaten hinter einer dicken Bauwand verschwunden. Der erste Abschnitt von vieren - oder Quadrant, wie es hier heißt - sollte eigentlich dieser Tage eröffnet werden. Doch es verzögert sich. Die drei anderen Quadranten kommen dann jeweils im Jahresrhythmus an die Reihe.
Ein Kiosk inmitten der Feinkostabteilung des KaDeWe
Kiez-Kultur im Konsumtempel: der "Späti" im KaDeWe© KaDeWe
"Wir haben ja sehr verschiedene Altersstrukturen als Kunden hier. Und die Jüngeren sagen: Mal sehen, was da kommt, wir lassen uns überraschen. Und die Älteren sagen: Damals habt ihr toll umgebaut, diesmal macht ihr es auch toll. Also die freuen sich, die freuen sich darauf, was alles neu kommt und sich verändert, was man dann gucken kann."

Spagat zwischen Verändern und Bewahren

Meiser ist täglich mit den Kunden im Gespräch. Denn das ist im Grunde auch seine tatsächliche Jobbeschreibung als "Assistent Department Manager" - oder "Oberkellner", wie er sagt: Er macht den ganzen Tag Small Talk, hört sich Kritik und Ideen der Kunden an. Von den Stammkunden kennt er nicht nur Vornamen, sondern auch Urlaubsorte und persönliche Sorgen und Nöte. Und daher weiß er auch, dass man den Kunden hier viel, aber nicht alles zumuten kann. Der Umbau ist ein Spagat zwischen Verändern und Bewahren.
Die Existenz der Austernbar gilt im Haus als unantastbar. Sie gehört zur DNA des KaDeWe, zur Kernidentität. Der bogenförmig geschwungene Tresen sieht ein wenig nach alter BRD der späten 90er aus: Viel glattpoliertes Marmor und funkelnde Stahlarbeitsfläche, über die viele Champagnergläser und Austern mit Eis gehen. Es gibt Stammkunden, die täglich hier sitzen. Mikhail, der gebürtiger Russe mit dem Billionaire's Club Emblem und seine Frau Tatjana kommen ein- bis zweimal die Woche. Zwischendrin müsste er leider arbeiten, um das Geld zu verdienen, dass sie hier ausgeben, sagt er. Sie lacht.
"Das ist meine Mittagspause. Mit Auto. Ich bin Royalkundin hier und ich habe einen freien Parkplatz - kostenlos. Ich investiere hier mehr als 10.000 im Jahr, deswegen habe ich diese Möglichkeit."

Selbst die Kanzlerin geht hier gern einkaufen

Selbstverständlich hat Christian Meiser die beiden Stammkunden vorher gefragt, ob sie für ein Interview bereit sind. Denn nicht nur Royal Card Besitzer werden hier sehr gut betreut. Auch Journalisten. Ohne Pressebegleitung darf man keinen Schritt auf der Etage tun, geschweige denn Besucher des Kaufhauses einfach ansprechen. Die Privatsphäre wird bestens geschützt, ein Grund vermutlich, weshalb selbst die Bundeskanzlerin hier gern einkaufen geht.
Tatsächlich hat Mikhail schon mehrere Umbauten der Abteilung miterlebt. Jedes Mal sei es besser geworden. Auch mit dem jetzigen habe er kein Problem - nur auf die Austernbar will er nicht verzichten. Doch auch der Wurstkessel, die Weinbar, der Kartoffelacker oder einer der anderen 32 Theken auf der Etage haben ihre Fans, die ihren Stand nicht angetastet sehen wollen. Und da liegt die Schwierigkeit dieses Umbaus.
Blick über die Tauentzienstraße und das KaDeWe, um 1935
1907 wurde das KaDeWe gegründet: Hier eine Bild von 1935 mit Blick über die Tauentzienstraße und das Kaufhaus des Westens.© imago/Arkivi
Berlin ohne KaDeWe: unvorstellbar. Berliner und auch solche, die dazu geworden sind wie Tatjana, werden seltsam patriotisch, wenn es um das Kaufhaus des Westens geht. 1969 hatten Revolutionäre von der Studentenbewegung hier noch die Scheiben eingeschmissen, doch solch eine Konsumfeindschaft ist passé. Vielen käme sein Ende einem Untergangsszenario gleich. Die Verwurzelung - ja die Liebe - der Bürger zu ihrem Luxustempel ist groß.
Ein paar Meter weiter trifft man tatsächlich einen Charlottenburger, der erzählt, er wäre längst aus Berlin weggezogen, gäbe es nicht das KaDeWe.
"Das ist so. Das ist das Einzige, was einen in der Stadt noch hält. Die Stadt hat sich ja dermaßen verändert. Ansonsten bin ich lieber auf der Insel: Sylt. Aber da sind zwar wunderschöne Shops und auch gute Restaurants, aber es gibt kein KaDeWe und auch in Europa habe ich nichts Vergleichbares gefunden. Und am Anfang war ja auch eine Euphorie mit dem Lafayette. Ich muss sagen, da suchte ich eine bestimmte Schokolade, die von einer Insel vor Afrika kommt. Ich war dreimal da und was war das Ergebnis? Ja, die Dame, die sich hier auskennt, ist leider nicht da, hieß es jedes Mal. Einmal war sie zu Tisch, dann war sie heute nicht da und dann sagt man irgendwann - egal. Das würde einem hier nicht passieren."
Wolfgang Möritz ist heute ein wenig in Eile. Er hat Weißwein für seine Tochter gekauft. Gleich ist er noch mit seiner Enkelin am Wittenbergplatz verabredet, wie immer will er auch ihr etwas mitbringen. Seine Enkelin liebt die Pralinentrüffel von Sawade. Der Rentner hat fixe Anlaufstellen hier: Die Pralinen, das Gebäck von Lenôtre, den Dallmayer-Stand und die Weinabteilung, die während der Bauarbeiten nun nicht mehr neben der Käsetheke ist, sondern umgesiedelt wurde.

Der Direktor thront unterm Dach

Nächste Woche - verabredet - trifft man sich wieder hier. Wolfgang Möritz besuchte schon als Kind mit seiner Mutter das Kaufhaus, wo er zwischen den Stoffballen spielen durfte. Berlin, der Ku'damm - sagt er noch zum Abschied, sei kaum wiederzuerkennen. Damals sei es eine andere Stadt gewesen. Und während der Rentner mit dem Aufzug nach unten fährt, noch kurz ein Besuch ganz oben - über allen Verkaufsetagen. Da unter dem Dach thront der Managing Director, oder altmodisch ausgedrückt: Der Kaufhausdirektor.
Auch Nico Heinemann müsste man fürs KaDeWe erfinden, wenn es ihn nicht tatsächlich so gäbe: maßgeschneiderter nachtblauer Anzug, Rolex am schmalen Handgelenk, zurückgegelte Haare.
"Das KaDeWe soll und muss mehr denn je eine Erlebnisdestination sein. Wir möchten einfach, dass der Kunde solange wie möglich und so häufig wie möglich dieses Haus aufsucht und solange wie möglich im Haus hier verweilt. Und das schafft man nur über Emotionalisierung, über Begeisterung, über Besonderheiten, das heißt, wir müssen schon was bieten. Und ich glaube diese Erkenntnis ist wahnsinnig wichtig."
Der Managing Director des KaDeWe vor einem Poster des Hauses
Möchte aus dem KaDeWe eine "Erlebnisdestination" machen: Manager Nico Heinemann© Tina Hüttl
Früher im alten Berlin hätten Kaufhausdirektoren wohl noch von Produkten, Verkaufszahlen und Margen gesprochen. Heute soll man bei einem Kaufhaus bitteschön nicht mehr ans Kaufen denken. Von hier oben hat man eben nicht nur den besten Blick aufs neue Berlin, sondern wohl auch in die Zukunft des Kaufhauses. Denn nicht nur Berlin da draußen - auch der Rest der Welt - hat sich massiv verändert: Kaufhäuser gelten inzwischen als Dinosaurier der Innenstädte, weil Shoppingmalls und Outlet-Center, Mediamarkt und Amazon im Zweifel immer mehr und günstigere Waren im Angebot haben. Hier drinnen soll - darf - das nicht passieren. Dass aus dem Akt des Kaufens ein Akt des Erlebens wird - dafür muss nun Norman Plattner sorgen, der Mann, der die Umsetzung der Umbauten im Haus verantwortet.
Es ist ein höllischer Lärm, weil Arbeiter mit Schleifmaschinen den ausgegossenen Terrazzoboden aus Berliner Flusssand Millimeter um Millimeter runterpolieren. Der Boden, mit Steinchen gesprenkelt, soll am Ende wie Speck glänzen. Aus der geöffneten Decke schauen die Lüftungsrohre. Kabeltrassen hängen heraus, weil die Beleuchtung gerade verlegt wird. So sieht das Skelett eines Kaufhaus aus.

Jetset-Touristen sollen das KaDeWe entdecken

Plattner, im gestreiften T-Shirt unterm Trenchcoat, hat ein iPad mitgebracht, auf dem er gleich schöne neue Bilder zeigen will, die Wolfang Möritz und andere Stammkunden schon kennen. Das KaDeWe hat seine Kunden gut vorbereitet - umbauen gehört für Plattner zur Geschichte des Haus:
"Das KaDeWe ist über die Jahre gewachsen. Am Anfang, 1907, war es ein Haus, was sich sehr in diese Berliner Mietshäuser integriert hat. Das war nicht höher. Und erst nach dem Krieg, als der Berliner Westen ein kommerzielleres Zentrum wurde, ein Ausgehzentrum, da ist das Haus aus der Umgebung rausgewachsen und hat sich deutlich vergrößert. Und das kann man dann im Grund in den anderen Epochen so alle 30 Jahre nachvollziehen, dass sich irgendwas verändert, dazugekommen ist."
Ein Mann schiebt eine große Baumaschine über einen Betonfußboden
Die sechste Etage im KaDeWe ist eine Großbaustelle.© Tina Hüttl
Wieder draußen - hinter der Stahltür - nahe des 30 Meter hohen Lichthofs, wo man sich irgendwann mit einem trichterförmigen Strauß an Rolltreppen hoch- und runterschrauben kann, lässt es sich besser unterhalten. Plattner ist eigentlich Historiker, aber einer der nach zehn Jahren am Haus von "finaler Materialität", "Kunden Experience" und dem "Look and Feel" spricht. Materialien, Böden, Lichtkonzept und auch Technik entsprechen nicht mehr dem Standard einer internationalen Klientel, die ihren ästhetischen Geschmack selbst in den Restaurant und Boutiquen am Flughafen erfüllt haben will.
Die KaDeWe Group hat viel Geld in die Hand genommen und die weltbesten Architekten engagiert, als obersten: Rem Kohlhaas. Er hat die Entwürfe für das gesamte Hauses gefertigt, also auch das Rollentreppenbouquet, über das ein neues Stahl-Glas-Dach gespannt wird. Fürs erste Viertel der Feinschmecker Etage hat das KaDeWe aber eine andere – eine mutige – Wahl getroffen: Ein angesagtes Berliner Architekturbüro namens Karhard, das bekannt für die Innenarchitektur von Clubs ist. Im Berghain hat Karhard die Toiletten neu gestaltet - mit Edelstahl, Messing und Gummi – und für Furore gesorgt.
Plattner wischt übers iPad – das KaDeWe hat nämlich ein Problem, auch wenn das hier keiner so deutlich ausspricht: Gerade bei jungen Leuten, die es heute nach Berlin zieht, den Easyjet- und echten Jetset-Touristen, steht es nicht so hoch im Kurs. Daher muss sich das Haus verjüngen, ohne aber die alten Kunden zu verschrecken. Vielfalt heißt also Plattners Schlagwort. Vielfalt so wie in Berlin:

"Look & Feel" Marmor aus Italien

"Wir arbeiten auf der einen Seite mit internationalen Champagnermarken, da gibt es dann in dem Look and Feel Marmor aus Italien. Da wird man auch ein bisschen kosmopolitischer in der Gestaltung. Und dann gibt es eben den Kartoffelacker, einen eher regionalen Bereich und da geht man dann ein bisschen lockerer und unkomplizierter ran – so wie eben auch Berlin ist – unkonventioneller."
Der Kartoffelacker ist auf der Etage wohl das beliebteste Restaurant. Intern gilt er als Gradmesser: Wenn der Kartoffelacker voll ist, wird es auch gleich an den anderen Ständen hoch hergehen. Pellkartoffeln mit Quark, Bratkartoffeln mit Matjes und Kartoffelpuffer finden an der Theke reißenden Absatz, die mit ihren orangen Kacheln und Kuhglocken aussieht, als könne noch der Musikantenstadl von dort senden. Ihn einfach abzureißen ist ebenso undenkbar wie die Austernbar. Dass ihn die treuen Kunden nach der Umgestaltung weiterhin genauso lieben, sehen sie hier im KaDeWe als größte Herausforderung. Plattner tippt die "renderings" an, wie die 3D-Grafiken von Architekten heißen.
Ein Entwurf der zukünftigen "Kartoffelacker"-Theke im KaDeWe
Nicht mehr ganz so rustikal: Architekturentwurf für das Restaurant "Kartoffelacker".© KaDeWe
"Wir haben hier in Materialität Marmor, grüne Fließen, die handgemacht sind. Wir haben viel echtes Leder in der Bespannung der Sitzgelegenheiten. Es ist alles sehr leicht, sehr freundlich und trotzdem, wenn man es mit dem Bestand vergleicht, ist es zwar ein Unterschied aber eine Weiterentwicklung dessen."
Weiterentwicklung - die ist andernorts schon sichtbar. Im Sommer hat in der sechsten Etage des KaDeWe das BRLO aufgemacht: BRLO, was sich erst nach ein paar Bieren fehlerfrei aussprechen lässt, ist eine der angesagtesten Craftbeer-Marken Berlins. Für die Hip-Hop-Helden von "Run The Jewels" haben sie ein Hanfblüten-Pils gebraut. Und auf einem alten Bahngelände in Kreuzberg eine Containerlandschaft errichtet: das BRLO Brewhouse - eine Brauerei mit Bar, Restaurant und gemüsebasierter Küche.

KaDeWe-Craftbeer und Bio-Grillhuhn

Nun soll die Berliner Szenemarke BRLO auch das KaDeWe verjüngen - mit einem eigens gebrauten KaDeWe Craft Beer, allerdings ohne Marihuana. Dazu wird Antibiotika- und Gentechnikfreies Bio-Huhn vom Rotisserie-Grill serviert. "Als Alternative zu Champagner und Austern" - mit diesem Spruch wirbt das KaDeWe.
Auch für BRLO lohnt sich die Kooperation: Sie bekommen hier ein völlig neues Publikum - die meisten KaDeWe-Kunden hätten noch nie etwas von der Marke gehört, erzählt Pommer. Viele seien begeistert vom Bio-Broiler und handwerklich gebrautem Bier, andere nicht.
"Also, das ist in der Tat spannend, wie sich das Haus verändert. Ich habe auch schon mit einigen Leuten aus dem Haus gesprochen, die sagten, dass viele Stammkunden zu ihnen kommen und fragen: Wo ist denn unser Kartoffelsalat? Wo ist denn das hin oder jenes? Ganz viele Leute schreiben in der Tat auch Beschwerdebriefe und möchten diesen Prozess aufhalten, am besten noch zurückdrehen. Und einige Leute sagen auch schon: Das ist jetzt nicht mehr mein KaDeWe."
KaDeWe Stammgast Wolfgang Möritz vor einem hippen Hühnergericht
Mag auch Bio-Huhn in Bierkruste: Stammgast Wolfgang Möritz.© Tina Hüttl
An einem der BRLO-Bistrotische neben einer neonfarbenen Lichtsäule sitzen zwei Damen, die Wein trinken.
"Ja, wir wollten Wein trinken und kein Bier. Aber wir werden hier sehr gut bewirtet und alle sind sehr nett."
"Ja, es ist nett hier, aber ersetzen tut uns das unseren schönen Stammstand nicht."
Früher trafen sich die beiden Kolleginnen, die Leyla und Astrid heißen, immer am Antipasti-Stand, doch den gibt es nicht mehr. Seitdem sind sie auf der Suche nach einer Alternative.
"Ich finde, dass man vor Altbewährtem auch ein bisschen Respekt haben sollte. Da waren sehr viele Stammkunden, die sich sehr wohl gefühlt haben, wir inklusive. Und das ist immer schade, wenn so etwas weggerissen wird. Neues ist auch gut, aber das kann doch auch parallel laufen."
Sogar eine Beschwerdemail haben die beiden geschrieben und prompt eine nette Antwort von der Leitung bekommen. Doch der Antipasti-Stand kommt nicht wieder. Dafür eröffne aber in Kürze "La Pasta, La Pizza" - ein neues italienisches Restaurant.

Kümmern und Duzen gehört zum Service

Ganz ohne sich extra zu verabreden, trifft man auch Wolfgang Möritz wieder, den Stammkunden, der Berlin ohne KaDeWe verlassen würde. Angrenzend ans BRLO ist nämlich die Weinabteilung derzeit ausgelagert. Ihm gefällt es im Craftbeer-Restaurant, er hat sich frittiertes Huhn im Pale Ale Backteig bestellt. Man müsse ja schließlich mit der Zeit gehen, sagt er, wobei er nicht nur sich, sondern auch das KaDeWe meint. Möritz mag auch die vielen Touristen hier, hofft, dass sie genügend Geld ausgeben. Er sorgt sich um sein Kaufhaus. Nur eine Sache würde er dem KaDeWe nicht verzeihen: Wenn es am Personal spart.
"Sehr wichtig sind Stammkräfte. Gerade dieses Haus lebt von Stammkräften. Wenn Sie jemanden fragen und feststellen, der hat keine Ahnung und dann versuchen Sie es noch ein zweites Mal - dann ist das KaDeWe so wie jedes andere Kaufhaus."
Um die 2500 Mitarbeiter beschäftigt das KaDeWe, über 400 davon allein in der Feinkostabteilung. Möritz läuft mit ziemlichem Tempo durch die Abteilung, kennt jede Abzweigung. Am Pralinenstand weiß die junge Bedienung, dass die Enkelin die mit Nüssen und Marzipan liebt. Beim Bezahlen hält Möritz nur den Geldbeutel hin, sie sucht die passende Summe selbst raus. So macht Einkaufen Spaß, sagt er und kichert.
Ein bisschen kümmern, beim Vornamen begrüßen, ein kurzer Small Talk - mehr erwarten die meisten Kunden hier gar nicht, dafür zahlen sie gern mehr. Solange das KaDeWe nicht am Personal spart, darf es gerne hier an der Etage herumbasteln. Das nimmt man aus vielen Gesprächen mit Stammkunden mit. Oder wie der Russe Mikhail vom Anfang es an der Austernbar formuliert hat: "Die Wände sind unwichtig. Die Menschen sind wichtig."
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