"Die ersten Rabbiner seit…"

Von Gerald Beyrodt |
Nächste Woche werden in Bamberg neue Rabbiner ordiniert. Zu einer Ordination gehört neben Urkunde, Kameras und im liberalen Judentum dem Talar noch etwas Anderes – der unvermeidliche Superlativ.
Wenn in Deutschland Rabbiner ordiniert werden und ganz besonders,wenn in Deutschland Rabbinerinnen ordiniert werden, dann hagelt es Superlative. Und die gehen so: "Die ersten in Deutschland ordinierten Rabbiner seit dem Krieg" oder "seit der Schoa" – und dann kommen noch ein paar Einschränkungen. Immer Deutschland, immer erste, immer Krieg oder Schoa.

Das hatte auch sicher mal seine Berechtigung, als die Rabbinerausbildung wirklich wieder aufgenommen wurde und als 2006 die ersten Studenten Rabbiner wurden. Dann wurde die erste Frau Rabbinerin, doch halt: Eigentlich gab es ja schon Frauen, die in Deutschland Rabbinerin waren. Doch der Superlativ ließ sich retten, denn dies war jetzt die erste in Deutschland ordinierte Frau. Die anderen in Deutschland tätigen Rabbinerinnen wurden anderswo ordiniert.

Die orthodoxe Organisation Chabad Lubawitsch hat zwar keine Frauen zu bieten, jedenfalls nicht als Rabbinerin, ließ sich aber superlativmäßig nicht lumpen und bewarb eine Ordination mit den Worten, das sei das "erste Mal, dass in Deutschland bei einer Rabbiner-Ordinierung eine Forschungsarbeit vorgestellt wird". Wow – forschen und ordinieren zusammen, das ist eine Weltneuheit. Nun sind die Männer mit den schwarzen Hüten und langen Bärten fürs akademische Forschen ungefähr so bekannt wie Burgerrestaurants für gesundes Essen, aber Superlative müssen halt sein.

Die orthodoxe Lauder-Stiftung lud letztes Jahr tatsächlich zur ersten Rabbinerordination "in Leipzig seit dem Krieg". Nun wird in diesem Monat wieder eine Frau Rabbinerin – und wer denkt, dass die Superlative jetzt ausgegangen seien, hat weit gefehlt. "Erstmals seit dem Holocaust wird eine deutsche Jüdin Rabbinerin", war schon vorab in der Welt zu lesen. Das stimmt zwar so nicht, aber in der Unterüberschriftenzeile, in der sich die Formulierung fand, war vielleicht nicht mehr Platz. Im Text stand dann korrekt, wenn auch ungelenk: "Und bald ist Antje Yael Deusel, 50, die erste deutschstämmige Jüdin, die nach dem Holocaust in Deutschland zur Rabbinerin ordiniert wird." Woraus man lernt: Es gab schon in Deutschland ordinierte Rabbinerinnen, aber das waren keine gebürtigen Deutschen, und es gab gebürtige deutsche Frauen, die Rabbinerin wurden, nur eben nicht in Deutschland ordiniert wurden, auch wenn sie später in Deutschland gearbeitet haben, aber das ist ja egal.

Jedenfalls tat sich hier eine Superlativlücke auf, und die füllt jetzt Antje Yael Deusel. Übrigens ist sie auch Urologin. Warum die Welt das nicht superlativmäßig ausschlachtet, weiß ich nicht. Denn das gab's noch nie: Frau – Rabbinerin – Deutschland – Urologin – Sensation! Denn Urologin heißt: Beschneidung. Bestimmt wird sie auch die erste in Bayern ordinierte Frau seit … Sie wissen schon.

Was wir aus alledem lernen? Rabbinerordinationen scheinen ohne Superlative nicht so richtig gültig zu sein. Und wer demnächst ordiniert wird? Vermutlich die ersten Rabbiner in Deutschland seit den letzten.
Mehr zum Thema