Die "Capelle de la Torre" wird 15

Ich wollte unbedingt Schalmei spielen

Die Musikerin mit ihrem Instrument im Porträt.
Katharina Bäuml ist treibende Kraft der "Capella de la Torre". © Katharina Bäuml / Anna-Kristina Baue
Moderation: Cornelia de Reese, Gast: Katharina Bäuml · 21.05.2020
Katharina Bäuml bezeichnet ihre Schalmei oft als die "Uroma der Oboe", die vor allem in der Renaissance-Musik gefragt ist. Da sie in keinem Sinfonieorchester zum Einsatz kommt, gründete Bäuml vor 15 Jahren ihr eigenes Ensemble, die "Capella de la Torre".
Alles begann mit einer Unterrichtsstunde zur Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach. Katharina Bäuml, gerade Studierende im Fach Oboe, folgte den Ausführungen zu den historischen Instrumenten, die einst der Komponist Johann Sebastian Bach für seine Aufführungen zur Verfügung hatte.
Damit hatte Katharina Bäuml die Barockoboe entdeckt. Schnell stellte sie aber die nächste Frage: was kam davor? Die Schalmei. Für dieses Instrument entwickelte sie eine Leidenschaft, auch, weil ihr dieses Instrument "eine ganz neue Welt eröffnete." Und so wechselte sie vom heutigen Oboen-Instrument zur "Uroma".
Da sie sehr gern bei der Renaissance-Musik bleiben und unbedingt regelmäßig Schalmei spielen wollte, kam schließlich nur ein Weg in Frage: die Gründung eines eigenen Ensembles. Skeptische Freunde belächelten die Idee fast ein bisschen: "Katharina, du kannst das ja schon mal gründen und dann gucken wir mal, ob ihr nächstes Jahr noch da seid." 2005 war das.

Erstes Konzert in Dresden

Das Gründungskonzert fand in der Auenkirche in Dresden mit Musik um den spanischen König Karl V. statt. Diese fand sich auch auf der ersten CD des Ensembles, die 2006 eingespielt wurde. Über 20 weitere Alben sollten folgen.

Namensfindung

Der Name des Ensembles hat zwei "Wurzeln". Zum einen spielt er auf eine überlieferte Melodie an, die von Francisco de la Torre stammt. "Das ist ein Glücksfall, weil es eine aufgeschriebene Improvisation aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist. So etwas gibt es ganz selten. Und mit größter Wahrscheinlichkeit ist sie für Schalmei-Instrumente entstanden. Es ist eine Hommage an diesen Komponisten"
Und es gibt eine zweite Deutungsfassette, die auf die Musiker der Renaissance anspielt - auf die Türmer.
Bronzedenkmal mit Turm und darauf spielenden Musikern.
Die Plastik von Ernst Ehrhardt erinnert an die Turmbläser im Domshof zu Bremen.© imago images / Schöning
Sie waren die ersten städtisch angestellten Musiker, die in den Türmen der Stadtmauern lebten und Signalgeber waren. Sie zeigten Marktöffnung und -schließung an, warnten vor Unwetter oder heranziehenden Heeren. Da die Signale weit zu hören sein mussten, spielten die Türmer Blasinstrumente, weil sie extrem durchdringende Klänge fabrizierten.

Bloß keine Kostüme

Wer Renaissance-Musik spielt, könnte auf die Idee kommen, historische Kostüme auf der Bühne zu tragen. Doch davon ist Katharina Bäuml weit entfernt.
"Nein, das machen wir ganz bewusst nicht. Mir ist zum einen ganz besonders wichtig, deutlich zu zeigen, dass wir wirklich als Musiker von heute rüberkommen." Und auf der anderen Seite das Argument: "Ich hätte als Frau niemals Schalmei spielen können."

Konzertorte

Gern spielt Katharina Bäuml mit ihrer Capella de la Torre an historischen Orten. Die Atmosphäre eines Klosters oder einer Kathedrale sei oft überwältigend, gerade wenn ihre Musik erklingt. Spannend seien aber auch die Orte, die keine Renaissance-Anspielungen in sich tragen.
Die Truppe steht musizierend eng beieinander.
Jeder Ort kann mit Renaissance-Musik belebt werden: Die Capella de la Torre bei einem Auftritt in einem Berliner Nachtclub.© imago images / Jakob Hoff
"Da gibt es Zechen, Bunker oder eine Fabrikhalle. Dort scheint dann ein blauer Scheinwerfer quer durch den Raum - und auch dort kann man auf andere Weise aufatmen, weil man eine besondere Atmosphäre schafft.", so die Ensembleleiterin.
Das sei auch ein Teil ihrer Einstellung. "Wir machen nicht Alte Musik. Das klingt verstaubt, das suggeriert, das sei irgendwie nicht mehr aktuell. Aber jedes Mal, wenn wir die Instrumente in die Hand nehmen, ist es doch neu. Und das auch, wenn wir Komponisten spielen, die seit 500 Jahren verstorben sind."
Die Capella bei einem ihrer Auftritte.
Die Musiker der Capella de la Torre leben in verschiedenen Städten und reisen sternförmig zu ihren Auftritten.© Capella de la Torre/ Wulff
Zumal ein großer Teil der Musik sowieso improvisatorisch ausgefüllt werden muss. Denn überliefert sind oft nur Takte, ohne Anweisung von zu benutzenden Instrumenten oder Verzierungen.

Verantwortung für ein Team

Katharina Bäuml berichtet in der Sendung auch von der Verantwortung, die man als Ensembleleiterin übernimmt. Dass Proben koordiniert, dass Pannen gemeistert werden müssen, wie die Stimmungen im Ensemble immer mitschwingen. Und sie berichtet von den verschiedenen Konzepten, die hinter ihren Alben stehen. Mal sind es musikalische Persönlichkeiten, die im Mittelpunkt stehen, mal ein historisches Ereignis, zu dem überlieferte Musik erklungen ist.

Elemente-Zyklus

Die größte Aufmerksamkeit schenkt sie zur Zeit ihrer Reihe zu den Elementen. Hierzu hat Katharina Bäuml Musiken ausgewählt, die nicht unbedingt in eine Epoche gehören. Hier hat sie Werke aufgespürt, die sich mit dem Thema im weitesten Sinne beschäftigen.
Im Album "Air", also Luft, sind zum Beispiel nicht nur die Winde präsent, sondern auch die Luft-Tiere, wie Adler, Nachtigallen, aber auch die Engel. Ebenso wird auf dem Album die Windsbraut besungen, genau so wie der Luftikus. Die Cds zu Feuer und Wasser sind bereits erschienen, im Herbst soll "Earth" mit einem Release-Konzert zum 15-jährigen Bestehen der Capella de la Torre gefeiert werden.

Durchhalten!

Keine Konzerte, keine Reisen, keine Existenzgrundlage. Viele Aktionen hat die Capella de la Torre für ihre Netz-Fangemeinde umgesetzt. Musikvideos, kleine Streifen zu den Instrumenten der Capella, ein Onlineworkshop ist angekündigt – das Ensemble will sichtbar bleiben. Auch ist die internationale Arbeit mit Jugendlichen zum Erliegen gekommen, die Bäuml ausgesprochen wichtig ist.
Und doch ist es nur ein Ersatz auf Zeit: "Ich glaube, dass es Dinge gibt, die wir einfach nicht ersetzen können. Zum Beispiel im Konzert, wenn der ganze Saal gleichzeitig schmunzeln muss oder die Luft anhält. Das hat mich bestimmt geprägt, auch über die letzten 15 Jahre. Und das ist was, was ich auf gar keinen Fall missen möchte."
Fünf Musiker laufen mit Gepäck hintereinander durch einen Park.
Der Capella de la Torre fehlt das Reisen.© Capella de la Torre / Nuglisch
Auch wenn es momentan mehr als schwierig ist, die Zuversicht zu behalten. "Also ich bin wirklich froh über alle Unterstützung." Zum Beispiel die Nachrichten von Musikliebhabern und Fans.

Tolle Jahre

"Ich würde sagen, das ist mein Leben. Also ich finde es großartig, dass es das Ensemble gibt und dass es so einen regen Austausch gibt zwischen den einzelnen Kollegen. Es ist wirklich ein Wir-Gefühl, das wir haben. Und ich finde es wirklich toll, dass das auch schon so lange hält. Es ist in so einem Ensemble wie in einer Beziehung, wo man auch durch unterschiedliche Zeiten geht, auch unterschiedliche Meinungen hat. Und dass es sich immer noch weiterentwickelt in so eine tolle Richtung. Das finde ich wirklich schön."
Die Mitglieder stehen beieinander mit ihren Instrumenten.
Seit 15 Jahren mehr als Team, fast eine Familie: die Capella de la Torre.© Capella de la Torre / Anna-Kristina Bauer
Im kommenden Jahr wird das 400-jährige Jubiläum von Michael Praetorius gefeiert. Dann mit Musik und Tanz - und hoffentlich gefüllten Publikumsreihen.
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