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Kobolde, Katakomben, Katastrophen
Ein klingender Rundgang durchs Museum, das sind die "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgskij. Als Requiem für den Maler Viktor Hartmann geplant, wird der Klavierzyklus selbst zu einem Gemälde, das alle Sphären des Lebens umfasst.
Der russische Komponist Modest Mussorgskij (1839-1881) hätte eine jener tragischen Figuren aus den Romanen Dostojewskis, Turgenjews oder Tolstois sein können. Als schwerer Trinker trieb er Raubbau an seiner Gesundheit, und dann traf ihn 1873 die Nachricht vom Tode seines Freundes Viktor Hartmann völlig unerwartet. Hartmann, ein Maler mit deutschen Wurzeln, hinterließ ein großes Werk voller bizarrer Bildideen, mal düster realistisch, mal dekorativ verspielt.
Russisches Requiem
Eine monumentale Gedenkausstellung regte Mussorgskij dazu an, einen Zyklus von Klavier-Charakterstücken nach verschiedenen Motiven Hartmanns zu komponieren. Der Eindruck eines imaginären Gangs durch die Ausstellung wird dabei durch die immer wieder eingeschobene, stets variierte "Promenade" verstärkt, die ein Musterbeispiel für raffiniert gemachte "Einfachheit" darstellt.
Plakativ ist Mussorgskijs Klavierwerk dadurch nicht geworden, im Gegenteil: Mehr und mehr scheint sich der Komponist von den bildnerischen Vorlagen zu lösen; zunehmend beherrschen dunkle Farben die Klangpalette, scheint der Gedanke eines Requiems für den verstorbenen Maler in den Vordergrund zu treten.
An den Grenzen des Klaviers
So wurde Viktor Hartmann gleich in mehrfacher Hinsicht ein Denkmal gesetzt, denn etliche der Vorlagen gelten als verschollen und leben nur noch in Mussorgskijs überaus originellen Stücken weiter. Kurioserweise lebt auch Mussorgskijs Zyklus durch ein klingendes Denkmal weiter, nachdem Maurice Ravel 1922 die "Bilder einer Ausstellung" für großes Orchester bearbeitet hat. Damit war Ravel weder der erste, geschweige denn der letzte, womöglich aber der genialste Arrangeur dieser Musik.
Mussorgskijs Original, das die Grenzen des Klaviers in der Tat auslotet, droht darüber manchmal fast ins Hintertreffen zu geraten. In dieser Sendung widmet sich Jürgen Otten daher ausschließlich dem Klavierzyklus und vergleicht bemerkenswerte Einspielungen von Swjatoslaw Richter bis hin zu Khatia Buniatishvili.