Die besten Fußballfilme

Von Göttern, Klischees und Emotionen

05:27 Minuten
Im Still aus "Diego Maradona" steht der Fußballspieler von Fotografen umringt auf einer Treppe.
Im Film "Diego Maradona" porträtiert Asif Kapadia eine der größten Fußballlegenden aller Zeiten. © DCM / Alfredo Capozzi
Von Hartwig Tegeler · 12.06.2021
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Bis zum 11. Juli geht es – Pandemie hin oder her – aus Fußballsicht wieder ums Wesentliche des Lebens: die Europameisterschaft. Bei allen Torstatistiken und Big Business droht der Mythos manchmal in Vergessenheit zu geraten. Nicht so im Fußballfilm.

Platz 5: "Der ganz große Traum" von Sebastian Grobler (2011)

Natürlich ist die Geschichte von Konrad Koch – Daniel Brühl –, der 1874 aus England ans Gymnasium nach Braunschweig kommt, um dort den Jungen Englisch beizubringen, eine Neuauflage von "Club der toten Dichter", diesem Klassiker des Schulfilms. Auch wenn es hier nicht um Literatur, sondern um Fußball geht.
Der neue Sport ruft bei den erzreaktionären Traditionalisten des Kaiserreichs Widerstand hervor. Der Schuldirektor ermahnt: "Pünktlichkeit und Disziplin, Koch! Sie haben doch unsere deutschen Tugenden nicht vergessen!" Man wird aber bei diesem historischen Feelgood-Movie nicht umhinkönnen zu konstatieren, dass "Der ganz große Traum" eben den benennt, den Traum vom gemeinschaftlichen, solidarischen Spiel, in dem man den Gegner fair behandelt, Blutgrätschen wenn irgend möglich vermeidet und richtig die Sau rauslässt. Es geht um Willensstärke und Kameradschaft und, wie Pädagoge Koch hinzufügt, "genau diese Charaktereigenschaften werden durch das Spiel mit dem Ball bei den Knaben entfaltet".

Platz 4: "FC Venus – Angriff ist die beste Verteidigung" von Ute Wieland (2006)

Dass das schon mal klar ist: "Ich hasse Fußball!", rotzt Anna raus. Anna, Bauingenieurin aus Berlin – Nora Tschirner –, die mit ihrem Lebensgefährten – Christian Ulmen – im Dorf in der tiefen Provinz landet und selbst da von der Fußballbegeisterung von Paul und seinen Freunden terrorisiert wird.
Also gründet sie mit den Dörflerinnen einen Gegenverein, gemäß der Devise: "Was könnte schockierender sein, als gegen die eigenen Frauen zu verlieren?" Der Berg von Fußball-Männer-und-Frauen-Klischees in diesem Film sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Hohelied auf Außenseiter und Außenseiterinnen zu einem Sport passt, der aus eben diesem Geist geboren wurde. Natürlich schießt Anna schließlich das entscheidende Tor für die Frauenmannschaft.

Platz 3: "Spiel der Götter – Als Buddha den Fußball entdeckte" von Khyentse Norbu (1999)

Spaß, Freude, Glück, Glückseligkeit, hart erarbeitet bei der Meditation oder auf dem Spielfeld. 1998. Fußball-WM in Frankreich. Das Fußballfieber macht auch vor den Mauern des tibetischen Klosters in Nordindien nicht halt.
Jenseits von Megasummen beim Spielertransfer, Korruption, Arroganz der Megastars scheint hier in dem Kloster und beim Fußballfan Orgyen die Utopie des Spiels auf: Lust am Leben da draußen als Parallelwelt zu dem In-sich-gekehrt-Sein des jungen Mönches. Das eine, nicht als Kehrseite, sondern als Ergänzendes zum anderen.

Platz 2: "Diego Maradona" von Asif Kapadia (2019)

Einer, der sich diesem Mythos Fußball anfänglich ganz verschrieben hatte, war Maradona. Er sagte: "Auf dem Spielfeld wird das Leben unwichtig. Alles wird unwichtig." Diese Kickerlegende Diego Maradona, im letzten November verstorben, hatte das Ego für die Präsenz auf dem Fußball-Olymp, dem Fußball-Geschäftsolymp.
Der langjährige persönliche Trainer des Stars: "Ich habe gemerkt, es gibt 'Diego', und es gibt 'Maradona'. 'Diego' war ein etwas unsicherer, aber liebenswerter Junge. 'Maradona' dagegen war die Rolle, die er sich zurechtgelegt hatte, um im Fußballgeschäft und auch in den Medien bestehen zu können. 'Maradona' durfte nie Schwäche zeigen."
Jekyll und Hyde. Der Star aber fällt. Dekonstruktion eines Gottes. Konstruktion einer Fußball-Witzfigur. Zurückbleibt dann noch später nur noch die Erinnerung an einen großen Fußballer und seinen Mythos. Maradona, Messi, Beckham, Ronaldo oder Cantona.

Platz 1: "Looking for Eric" von Ken Loach (2009)

Eric, Postbote, nur gescheitere Beziehungen. Angstschübe! Erics Selbstbewusstsein ist ganz unten. Als er einmal einen Joint raucht, schaut er auf das Poster mit seinem Idol von Manchester United. Da tritt leibhaftig Éric Cantona heraus.
Éric tritt nun in das Leben von Eric, gibt Tipps, hilft, dass der sein Leben wieder in den Griff bekommt. Fundamentalphilosophie: Fußball als Lebensretter. Aber der Kern dieser 90-minütigen Veranstaltung auf grünem Rasen war immer schon ein Narrativ, das "Märchen" heißt. Die 90 Minuten auf dem Platz, jenseits von Spielergagen, Korruption und Omnipotenzwahn, das ist eine Sequenz im Zeitkontinuum, in dem das Wünschen immer schon geholfen hat.
"Du bist auch nur ein Mensch, das vergisst man schon mal", sagt Eric am Ende zu Éric. Doch der widerspricht: "Ich bin kein Mensch! Ich bin Cantona!" Der Mythos siegt immer über die Realität – manchmal auf dem Platz, immer aber im Kino. Das Kino und seine Geschichten sind im Gegensatz zum Ball nicht rund, sondern, wenn wir Glück haben, versehen mit vielen Ecken und Kanten.
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