Moritz Franz Beichl: „Die Abschaffung der Wochentage“

Roman der lähmenden Gegenwart

Auf verschwommenem Hintergrund ist der Buchtitel "Die Abschaffung der Wochentage" und der Autorenname Moritz Franz Beichl zu sehen.
© Residenz Verlag

Moritz Franz Beichl

Die Abschaffung der WochentageResidenz, Wien 2022

208 Seiten

22,00 Euro

Von Samuel Hamen |
Der Protagonist in Beichls Debütroman erleidet nach dem Ende einer Beziehung einen Zusammenbruch. Den versucht er, durch unzählige Nachrichten an den Ex-Freund zu bewältigen. Ein monologisches Buch über Depressionen und unmögliche Glücksansprüche.
So viel sei zu Beginn verraten: Am Ende von Moritz Franz Beichls Roman sind die Wochentage noch immer in Kraft. Seinem 30-jährigen Protagonisten setzt das Ende einer Liebesbeziehung so sehr zu, dass er einen Zusammenbruch erleidet – das, was als „Krise“ oder „Schub“ bezeichnet wird, Worte, mit denen Beichls sprachskeptische Hauptfigur wenig anfangen kann.
Um dem Druck, zu „funktionieren“, dem Zwang, zu „lieben“, und der Selbstlüge, an sich zu „arbeiten“, um dieser ganzen kapitalistischen Misere zu entkommen, plädiert er für die titelgebende Abschaffung der Wochentage.
Adressat seiner monologischen Selbstaussprache ist der Ex-Freund. Ihm teilt er sich zuerst in Whatsapp-Nachrichten, später in Briefen, Mails und SMS mit, ohne dass dieser (auch stellvertretend für den Leser) intervenieren könnte, um ihn zu bremsen, zu hinterfragen oder zu trösten. Das dialogische Format ist nur Attrappe und zeugt von der Isolation der Hauptfigur.
Im ersten der fünf Teile, der geprägt ist durch eine „Rotwein-WhatsApp-Tagebuch-Mitteilungs-Ichlebenoch-Ja-Ich-Lebe-aber-wie?-Mitteilungs-WUT“, stürzt das den Leser in ein Dilemma: Man will diesem depressiven und suizidalen, diesem alkoholkranken und angstgestörten Menschen die nötige Empathie schenken; zugleich vergällt eben dieser einem das durch eine quirlige Larmoyanz, bei der Eitelkeit und Emotionalität kaum zu unterscheiden sind.

Zuerst die Psychiatrie, dann Paris

Weil Beichl sich für eine Prosa der Innerlichkeit ohne äußeres Korrektiv entscheidet, kann auch der Umschwung der Sichtweise, des Stils nur von innen kommen. Das passiert ab dem zweiten Teil des Romans: Der Protagonist wird auf die psychiatrische Station des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien verlegt. Er geht in Therapie und lernt andere Patienten kennen. Ruhe und Reflexionsfähigkeit halten Einzug, und die Depression wird nicht als privates Scheitern, sondern als negative gesellschaftliche Errungenschaft erzählt.
Dabei pendelt die Hauptfigur zwischen dem Groll auf eine Institution, die sie zu einem nützlichen Teilchen der Gesellschaft herrichten will, und der Erleichterung, sich einen Alltag aufbauen zu können. Dass die deutlich elegantere Sprache mit der Einnahme von Antidepressiva korrespondiert, mag ästhetisch ein Gewinn sein; bezüglich der persönlichen „Gesundung“ (noch so ein Wort, das die Hauptfigur nicht mag) kann es nur ein Fiasko sein.
Auf die Psychiatrie folgt ein Intermezzo in Paris, wo der Protagonist einige Jahre lebt. Aber auch der Eiffelturm wirft Schatten, möchte man dem neuerlich Glücksbesoffenen zuflüstern; zugleich gönnt man ihm die schöne Zeit mit einem Franzosen, der in dieser traumgleichen Sequenz natürlich Jacques heißen muss.

Mehr als bloße Befindlichkeit

„Die Abschaffung der Wochentage“ ist ein Roman der lähmenden Gegenwart, in der zehn Lebensjahre eines Zeitgenossen beispielhaft für die Problemlagen unserer Zeit ausgeleuchtet werden, von der Depression als der typischen Krankheit des Kapitalismus bis zu den Zweifeln, mit denen queere Menschen sich durch eine Welt schlagen, in der nach wie vor klare Vorstellungen von Normalität gelten.
Wertvoll ist dabei vor allem Beichls Sprache, die sich aus dem Irrglauben windet, Emotionen ließen sich nur möglichst direkt als private Befindlichkeit ausdrücken. Besonders in den Aufzeichnungen aus der Psychiatrie und den Pariser Jahren findet Beichl einen Tonfall, der die Empfindsamkeit eines leidenden Menschen mitteilbar macht, ohne sich im Interieur extremer Subjektivität zu verirren.
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