Deutschland und die Armenier

Ende des unwürdigen Eiertanzes

Türken und Armenier erinnern im April 2014 in Istanbul an Opfer des Völkermords an den Armeniern.
Türken und Armenier erinnern im April 2014 in Istanbul an Opfer des Völkermords an den Armeniern. © dpa / picture alliance / Sedat Suna
Von Kemal Hür · 20.04.2015
Der Bundestag wird am Freitag den Völkermord an den Armeniern als solchen anerkennen. Gut so, denn alles andere wäre eine Verunglimpfung des Andenkens der Opfer, meint Kemal Hür.
Nun also doch. Die Bundesregierung und die Fraktionen der Regierungsparteien wollen den Völkermord an den Armeniern nun doch als Völkermord bezeichnen. Darauf haben sich die Fraktionsspitzen der Union und der SPD heute im Gespräch mit der Regierung verständigt. Die Armenier werden erleichtert sein, wenn auch der Bundestag am Freitag in einem gemeinsamen Beschluss den Genozid anerkennt. Sie werden sich aber dennoch fragen, warum Deutschland sich damit so schwer getan hat?
Der Genozid an den 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich geschah mit Wissen des deutschen Kaiserreiches. Deutschland und die Türkei waren im Ersten Weltkrieg Verbündete. Und der Völkermord ist "seit einem Jahrhundert deutsches Regierungswissen", wie der Historiker und Leiter des Lepsiushauses Rolf Hosfeld in den letzten Monaten immer wieder betonte.
In ihrem unwürdigen Eiertanz wagten es deutsche Regierungsvertreter sogar zu behaupten: Es sei Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, ob es sich um einen Völkermord handle. Das ist beleidigend und verhöhnend für die deutschen und internationalen Historiker. Der Genozid an den Armeniern ist nach dem Holocaust der am besten erforschte Völkermord, sagen die Wissenschaftler.
Warum noch eine Historikerkommission?
Der deutsche Außenminister will immer noch nicht den Begriff Genozid benutzen. Dabei hat das Archiv seines Hauses eine der umfassendsten Dokumentationen darüber. Der Autor Wolfgang Gust veröffentlichte das Archiv des Auswärtigen Amtes vor über zehn Jahren und dokumentierte die Belege auf über 700 Seiten.
Warum sich die deutsche Regierung die Position des türkischen Staates zu eigen machte und nach dem Urteil einer Historikerkommission verlangte, ist völlig unverständlich. Diese Haltung ist unwürdig im Gedenken der ermordeten Armenier, Aramäer und Pontus-Griechen.
Die Armenier schütteln nur mit dem Kopf, wenn sie die Aussage hören, Deutschland wolle die Versöhnung zwischen den Türken und Armeniern fördern und sich nicht positionieren. Warum erkennt Deutschland dann den Völkermord in Ruanda und Srebrenica an, fragen sie fassungslos.
Wortakrobatik verharmlost die Fakten
In Deutschland leben Türken und Armenier als Nachbarn und oft als deutsche Staatsbürger. Deutschland hat nicht nur die historische Verpflichtung, als Mitwisser den Völkermord beim Namen zu nennen. Sondern die Regierung ist auch ihren Bürgern gegenüber verpflichtet, eine Versöhnung hierzulande herbeizuführen. Eine Versöhnung kann aber nicht dadurch gefördert werden, dass ein Staat historische Fakten mit Wortakrobatik umschreibt – und damit verharmlost.
Ein Völkermord hat eine völkerrechtlich feste Definition. Und nach dieser Definition sind die massenhaften Vertreibungen und Ermordungen der Armenier ein Völkermord. Alles andere wäre Verunglimpfung des Andenkens der Opfer.
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