Waffengeschäfte trotz Sparmaßnahmen
Griechenland steht bald vielleicht vor dem Staatsbankrott, möglicherweise vor einem Euro-Austritt. Die Waffengeschäfte mit Deutschland laufen trotzdem weiter. Und nach Ferrostaal hat nun auch Rheinmetall gestanden, Bestechungsgelder gezahlt zu haben.
Anwalt Michalis Dimitrakopoulos bereitet sich auf den anstehenden Prozess vor. Er wird in den kommenden Monaten den langjährigen Griechenlandvertreter der deutschen Rüstungsfirmen Rheinmetall und Atlas Elektronik in Athen vor Gericht verteidigen. Sein Mandant Panagiotis Efstathiou ist wegen Bestechung angeklagt. Anwalt Dimitrakopoulos spricht offen über die illegalen Geschäfte seines Mandanten und belastet die deutschen Firmen.
"Leider hatte sich eine krankhafte Beziehung zwischen den deutschen Firmen und den Verantwortlichen im griechischen Verteidigungsministerium entwickelt. Diese krankhafte Beziehung hatte zur Folge, dass immer mehr Schmiergelder bezahlt werden mussten und das wussten sowohl Herr Efstathiou als auch die Verantwortlichen von Rheinmetall und Atlas. Es war also allen bekannt, dass ein Teil der Zahlungen für Bestechungen verwendet wurden."
Die Geschäfte laufen bis zum Jahr 2007 im Detail so ab: 8,5 Millionen Euro überweist Atlas Elektronik an eine Briefkastenfirma von Estathiou in London. Rund 9 Millionen Euro zahlt ihm Rheinmetall. 2007 gehen die beiden Unternehmen zusammen – Rheinmetall kauft Atlas. Am Ende erhält Efstathiou insgesamt 18 Millionen Euro. Eine Hälfte davon nutzt er, um beim Verkauf eines Flugabwehrsystems griechische Offiziere und Beamte zu bestechen. Die andere Hälfte behält er für sich, versteuert sie sogar. Aber es sind auch die deutschen Rüstungsmanager, die davon profitieren.
"Ein kleiner Teil der Zahlungen, die für die Offiziere gedacht war, ging an die Manager von Rheinmetall und der Atlas Gruppe per Überweisung zurück. Herr Efstathiou hat ihnen das Geld auf ihre privaten Konten überwiesen."
Lange Zeit streitet Rheinmetall die Vorwürfe ab. Doch die Ermittlungen in Athen lassen daran keinen Zweifel mehr. Anwalt Dimitrakopoulos hat seinem Mandaten geraten, auszupacken:
"Den griechischen Staatsanwälten haben wir Summen und Namen derjenigen, die Geld erhalten haben genannt. Herr Efstathiou hat alle seine Konten offen gelegt und die Unterlagen auch den deutschen Staatsanwälten übergeben."
Der Konzern selbst kommt glimpflich davon
13 meist frühere Mitarbeiter von Rheinmetall und Atlas müssen sich nun ebenfalls in Athen wegen Bestechung vor Gericht verantworten. Sollten sie nicht zum Prozess erscheinen, droht ihnen ein Haftbefehl. Der Düsseldorfer Konzern selbst kommt relativ glimpflich davon.
"Der Rüstungskonzern Rheinmetall gibt zu, griechische Behörden bestochen zu haben und zahlt ein Bußgeldbescheid der Bremer Staatsanwaltschaft in Höhe von 37 Millionen Euro."
Die Stadt Bremen freut sich über die 37 Millionen Euro. Das Bußgeld kommt dem verschuldeten Landeshaushalt zugute. Für Rheinmetall ist die Sache damit erledigt. Große Schmerzen dürfte die Summe dem Düsseldorfer Konzern nicht bereiten. Erst gerade hat das Unternehmen einen neuen Großauftrag aus Athen erhalten. Im Wert von über 50 Millionen Euro kauft Griechenland Panzermunition, und das obwohl das Land immer noch von Hilfskrediten der EU abhängig ist.
Beim Bundestagsabgeordneten der Linken, Jan van Aaken, löst das Unverständnis aus.
"Wenn es Hilfe für Griechenland geben soll, und ich bin dafür, dass Griechenland Finanzhilfe aus Deutschland bekommt, dann aber bitte sehr nicht für Rüstungsdeals. Dann möchte ich doch, dass die ihre Rüstungseinkäufe komplett einstellen, ihren Militärhaushalt zurückfahren. Im Moment wird das Gegenteil gemacht, Deutschland gibt Hilfsgelder an Griechenland und die kaufen dafür Munition in Deutschland. Das kann doch wohl nicht wahr sein!"
Die deutsche Bundesregierung leistet bei dem Waffengeschäft sogar Amtshilfe und übernimmt die Auftragsabwicklung und die technische Prüfung der Munition. In Vertretung des griechischen Verteidigungsministeriums tritt das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung der Bundeswehr als Auftraggeber auf. Neue Waffen für Athen trotz Spardiktat. Die deutsche Bundesregierung erklärt dazu:
Zitator: "Griechenland ist natürlich ein souveräner Staat. Und ein souveräner Staat kann auch souverän darüber bestimmen, wie er seine Investitionen oder wie er sein Militär ausrüstet."
Waffendeal in "Nacht-und-Nebel-Aktion" unterzeichnet
Seine Souveränität als Volksvertreter hat der griechische Abgeordnete Grigoris Psarinanos oft aufgeben müssen. Entweder er stimme für neue Sparmaßnahmen ab oder Griechenland erhalte die versprochenen Hilfskredite nicht, hieß es von Seiten des IWF und der EU-Partner. Der Spardruck, den sie auf Griechenland ausüben, war und ist immer noch groß, sagt Psarianos. Er ist wütend über den neuen Waffenkauf:
"Es ist doch ein großer Widerspruch, dass Deutschland von Griechenland einerseits finanzielle Einschnitte und Ausgabenkürzungen fordert und zwar in allen Bereichen, auch in der Bildung und der gesundheitlichen Vorsorge, wo es große Probleme gibt, und anderseits Griechenland teure Waffen verkauft."
Verärgert ist Psarianos auch darüber, wie der Waffendeal zustande gekommen ist. Unterzeichnet wurde der Vertrag kurz vor einem griechischen Feiertag, am 14. August, als alle Parlamentarier im Urlaub waren:
"Bei mir löst das größte Verwunderung aus, die Tatsache, dass so ein Vertrag in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verabschiedet wurde, als das Parlament geschlossen hatte und die Abgeordneten in den Ferien waren. Das ist inakzeptabel, absolut undemokratisch! Ich fordere, dass diese Trickbetrügereien ein für allemal aufhören, dass wir nicht mehr für dumm verkauft werden und dass endlich Schluss ist mit deutschen Bestechungsgelder, an denen sich griechische Politiker und Unternehmen gerade bei Waffenkäufen bereichert haben."
Rheinmetall ist froh, dass es diesmal mit dem deutschen Bundesamt für Ausrüstung als offiziellen Vertragspartner auf griechischer Seite zu tun hat. Das sei "sauber und ehrlich, das bringt uns nicht einmal in die Nähe eines Compliance-Falles", rühmt sich der Konzern. Und auch vor Zahlungsausfall hat das Bundesamt für Ausrüstung Rheinmetall geschützt. Auf Verwahrkonten der Bundesregierung musste Griechenland die 50 Millionen Euro für den Rüstungskonzern im Voraus einzahlen.
Und das obwohl dem klammen Mittelmeerstaat mal wieder der Staatsbankrott blüht.