Der Untergang Roms mit didaktischem Ansatz

Von Günter Müchler · 27.05.2012
Hans-Peter von Peschke unterscheidet sich von vielen Historikern mit seinem Ansatz zur Erklärung der Geschichte des römischen Reichs: Er macht es kurz. Und er überzeugt mit seiner klaren Gliederung und seiner verständlichen Sprache.
Vierhundert Jahre bestand das Römische Weltreich. Es erstreckte sich vom Euphrat im heutigen Irak bis zum Hadrianswall in Nordengland. Ein größeres Staatsgebilde hat Europa nicht gekannt. Wann war es zu Ende und was gab ihm den Todesstoß?

Diese Fragen haben Historiker vieler Generationen beschäftigt. Edward Gibbon ließ sein Meisterwerk "Verfall und Untergang des Römischen Reiches" mit der türkischen Eroberung Konstantinopels 1453 ausklingen. Hans-Peter von Peschke legt sich auf das Jahr 476 fest. In diesem Jahr wurde Romulus Augustulus vom Goten Odoaker abgesetzt und auf ein Landgut verbannt. Seither hatte der weströmische Reichsteil keinen Kaiser mehr.

Die Landverschickung des Kind-Kaisers markiert ein Wendepunkt-Ereignis, doch die Gründe, die zum Tod des Imperiums führten, waren vielschichtig.

"Imperien sterben langsam. Wenn sie von Feinden überrannt werden und stürzen, müssen die Säulen, auf denen sie jahrhundertelang standen, brüchig geworden sein."

Was die Säulen brüchig gemacht hatte, war vor allem die Überdehnung des Reichsgebiets. Sie führte Ende des dritten Jahrhunderts zur Teilung des Reiches, das nicht mehr von einer Person und einem Ort aus gelenkt werden konnte.

"Das Ewige Rom war nur noch ideelle Hauptstadt des Imperiums, im Westen wurde es von Mailand, später Ravenna und Trier, im Osten schließlich durch Konstantinopel als neuen Zentren abgelöst."

Ein großer Sargnagel war die Völkerwanderung. Ausgelöst durch Klimawandel und den Druck der Hunnen, spülte es in immer neuen Schüben germanische Völkerschaften über die Grenzen des Reiches.

Zuerst kamen die Goten. Sie bereiteten Ost-Rom bei Adrianopel, dem heutigen Edirne, 378 eine schwere Niederlage. 410 plünderten sie unter Alarich drei Tage lang Rom, ein Menetekel.

"Die ständigen Schwierigkeiten mit den Barbaren zermürbten die Menschen, und im Auftauchen der Hunnen sahen viele das Ende des Reiches, manche Christen sogar die Endzeit vor dem Jüngsten Gericht für gekommen."

Erfolge, wie der Sieg des Aetius über die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern ließen die Hoffnung keimen, das Imperium könne das Schlimmste hinter sich haben. Allein, innere Zwistigkeiten, die Verselbständigung der Heermeister und wirtschaftliche Probleme trieben den Erosionsprozess voran.

Zu Recht hebt der Autor den Verlust der reichen nordafrikanischen Provinzen durch die Eroberung der Vandalen hervor. Rom fehlten seither die Mittel, die immensen Kosten für sein stehendes Heer aufzubringen.


Das Buch Hans-Peter von Peschkes beansprucht nicht, zu neuen Ufern wissenschaftlicher Erkenntnis vorzudringen. Mit 152 Seiten wäre der Anspruch auch kaum einzulösen. Überzeugend ist das Buch in seiner klaren Gliederung, der verständlichen Sprache und vor allem seinem didaktischen Ansatz. In farblich vom Fließtext abgesetzten Seiten offeriert von Peschke Randglossen, die viel zum Verständnis des modernen Lesers beitragen.

So scheut er sich nicht, den Untergang Roms als Kinoereignis abzuhandeln, nach dem Motto: "So trieben es die alten Römer". Er schildert die Verwobenheit mit Dietrichsage und Nibelungenlied. Ein anderer Einschub ist Felix Dahns Bestseller "Der Kampf um Rom" gewidmet, dessen ungeheurer Erfolg viel zur Mythisierung des Themas vor allem im deutschen Sprachraum beitrug.

Überhaupt legt von Peschke großen Wert auf die Rezeptionsgeschichte. Obwohl untergegangen, lebte das Imperium in der Erinnerung weiter. Die fränkischen Kaiser okkupierten die Reichsidee. Sie fand ihren Ausdruck im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, das 1806 unter den Schlägen Napoleons seinen letzten Atemzug tat.

Die Renaissance denunzierte das Mittelalter als finstere Zeit, indem es ihm die wiederentdeckte Antike gegenüberstellte. Zusätzlich hätte der Autor die Jakobiner erwähnen können. Für sie war die Imagination der römischen Republik Leitbild der angestrebten Tugendherrschaft, freilich auch des großen Terrors.

So sah jede Zeit den Fall Roms mit eigenen Augen. Zum Beispiel machte Edward Gibbon - von Peschke nennt ihn mit konstanter Bosheit "Gibbons" - das Christentum für das Scheitern des Imperiums mitverantwortlich, weil es durch die Lehre der Nächstenliebe Roms Behauptungswillen geschwächt habe. Mit dieser These opferte er unverkennbar dem Antiklerikalismus der Aufklärung.

Im Übrigen fand Gibbon das Scheitern des Reiches weniger überraschend als seine Dauer. Um das zu verstehen, muss man nicht unbedingt die sechs Bände seines noch immer unerreichten Standardwerks gelesen haben. Zur Aufbesserung des historischen Grundwissens reicht das Buch von Hans-Peter von Peschke voll und ganz. Es weckt vielleicht sogar die Lust auf mehr.

Hans-Peter von Peschke: Das Ende des römischen Reiches!
Reihe Wendepunkte der Geschichte

Konrad Theiss Verlag Stuttgart
Februar 2012

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Buchcover: "Das Ende des römischen Reiches!" von Hans-Peter von Peschke
Buchcover: "Das Ende des römischen Reiches!" von Hans-Peter von Peschke© Konrad Theiss Verlag