"Der Staat muss sein Gewaltmonopol selber ausüben"
Der Kriminologe und Rechtssoziologe Johannes Feest hält eine Teilprivatisierung von Gefängnissen in Deutschland nur in ganz bestimmten Arbeitsgebieten für möglich. Bereiche wie Küche, Wäsche oder Kioskverkauf seien durchaus in privater Hand zu betreiben. Doch die Aufsicht der Gefangenen oder die Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Sozialisierung könne nur durch Staatsbedienstete geleistet werden. Alles andere sei nicht verfassungskonform.
Katrin Heise: Verbrechen wird es wahrscheinlich immer geben und somit auch immer Gefängnisse. Die Kommunen kosten diese Gefängnisse Millionen, private Betreiber dagegen wittern ein Geschäft. Heute wird in Burg in Sachsen-Anhalt Richtfest gefeiert für ein teilprivatisiertes Gefängnis. In Niedersachsen und Baden Württemberg ist ebensolches in Planung. Eins existiert bereits, nämlich im hessischen Hünfeld. Da übernahm der deutsch-britische Dienstleister Serco Ende 2005 rund 45% der Aufgaben einer Justizvollzugsanstalt. Hauptargument war die Wirtschaftlichkeit. In der letzten Woche ist darum ein Streit entbrannt.
Ich begrüße nun Johannes Feest. Er ist emeritierter Professor für Strafverfolgung, Strafvollzug und Strafrecht der Uni Bremen, seine Forschungsschwerpunkte Recht und Realität der Gefängnisse. Guten Morgen, Herr Feest!
Johannes Feest: Guten Morgen!
Heise: Sie haben nach wie vor brieflichen Kontakt zu Gefangenen, auch der Justizvollzugsanstalt Hünfeld, und Sie lesen die Gefängniszeitung. Was sagen die denn zu den Veränderungen?
Feest: Ja, ich bekomme viele Briefe aus dem Knast und darunter auch aus Hünfeld. Und was ich aus Hünfeld höre, spricht in der Tat für eine Menge Reibungsverluste in dem Durcheinander zwischen der privaten Firma Serco und den staatlichen Beamten.
Heise: Also eher nicht so gut aus Sicht der Gefangenen, dass da jetzt ein Privater mit am Werk ist?
Feest: Das wird beklagt. Nun muss man vielleicht dazu sagen, Gefangene beklagen sich im Allgemeinen über ihre Anstalt, unabhängig davon, ob die nun privat oder staatlich geführt wird. Aber in Hünfeld wird in der Tat dieser Punkt sehr deutlich immer wieder gemacht, dass die private Firma hier sozusagen ein störendes Element ist, dass hier zwei Herren regieren, nicht nur der Anstaltsleiter, sondern auch die private Firma.
Heise: Bleibt denn die Resozialisierung auf der Strecke? Es wurde ja auch angesprochen, eben gehört.
Feest: Ja, das wird man so sehen müssen. Es ist immer ein Problem, wenn etwas wie Resozialisierung mit privatem Profit kombiniert werden soll. Resozialisierung wird etwas kosten, und das werden Kosten sein, die normalerweise der Staat zu tragen hat. Und wenn ein privater Unternehmer sich in diese Sache einschaltet in der Hoffnung, etwas zu verdienen, dann wird das nicht gut gehen. Ein Strafvollzug ist noch nie etwas gewesen, woran man verdienen konnte. Das haben schon die allerersten Zuchthäuser in Deutschland bewiesen. Das waren damals private Unternehmer, und die sind regelmäßig bankrott gegangen. Und da war noch nicht mal im großen Stile von Resozialisierung die Rede.
Heise: Das heißt, Sie, Herr Feest, haben eigentlich kein Argument oder finden kein Argument, warum ein privater Unternehmer in ein Gefängnis einsteigen sollte? Von Staats wegen Argument.
Feest: Nein, ich habe da keine starken Argumente. Das hat auch im Ausland bisher nicht in dem Sinne funktioniert, sodass die privaten Unternehmer in England oder in Frankreich oder in den USA zwar dort sehr viel stärker vertreten sind als in Deutschland, aber inzwischen anfangen, sich stärker an dem Markt in Dritte-Welt-Ländern zu orientieren, weil auch in diesen hoch industrialisierten Ländern das für sie nicht genug Profit abwirft.
Heise: Bleiben wir mal bei diesem Profit, der ja vielleicht über Arbeitsplätze ja eingefahren werden soll oder über Arbeiten, die man in Gefängnissen ausführen lassen kann. Hat ein Privatanbieter nicht bessere Möglichkeiten, Arbeitsplätze in der Wirtschaft zu akquirieren? Arbeiten, die dann im Gefängnis ausgeführt werden, die sind ja bei der Resozialisierung auch nicht zu vernachlässigen, die Ergebnisse?
Feest: Sie meinen jetzt Arbeiten für Gefangene?
Heise: Genau.
Feest: Ja, Arbeit für Gefangene, das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt, und der sollte ohnehin möglichst außerhalb des Gefängnisses stattfinden, das heißt im sogenannten Freigang. Jede Art von Arbeitsvermittlung ist da sicher sehr gefragt. Wir reden aber hier über die Verhältnisse im Gefängnis. Und da ist es schon rein rechtlich gesehen so, dass die Arbeit der Gefangenen, die ja eine Art Zwangsarbeit ist, unter staatlicher Regie laufen muss. Das kann nicht und darf verfassungsrechtlich nicht privat organisiert sein.
Heise: Bringen denn vielleicht nicht verbeamtete Mitarbeiter nicht so was wie ein bisschen Alltag, Normalität ins Gefängnis, die vielleicht verbeamtete Vollzugsbeamte nicht so mitbringen?
Feest: Ja, unbedingt. Das ist eine Position, die ich immer vertreten habe, und die bezieht sich halt auf andere Bereiche. Die bezieht sich auf den Bereich der Lehrer, die bezieht sich auch auf den der Mediziner, auch auf den der Psychologen und ganz allgemein auf Bereiche, in denen kein Profit gemacht wird. Mit anderen Worten, ehrenamtliche Mitarbeit ist natürlich ein sehr großer, und es wäre sehr wünschenswert, wenn das ein sehr viel größerer Sektor wäre. Das wird immer privat sein, und das sollte privat sein.
Heise: Über das Für und Wider privat betriebener Gefängnisse, unser Thema hier im "Radiofeuilleton" mit Johannes Feest. Wenn der Staat eines seiner Monopole aufgibt, dann meist aus finanziellen Überlegungen. Jetzt, diese erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt, ob sie sich nun rechnet in Hessen oder nicht, darüber wird ja noch gestritten. Aber mal generell, darf der Staat aus finanziellen Erwägungen seine hoheitlichen Aufgaben, und dazu gehört der Strafvollzug ja, privatisieren?
Feest: In Deutschland sind dem ganz enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Der Staat muss sein Gewaltmonopol selber ausüben, und zwar durch staatliche Beamte. Und solange wir das Grundgesetz nicht in diesem Punkt ändern, führt da gar kein Weg daran vorbei. Und deswegen wird Privatisierung in Deutschland immer nur eine Teilprivatisierung sein können, wie wir sie jetzt in Hessen finden und die in anderen Ecken geplant ist.
Heise: Der Journalist Heribert Prantl der "Süddeutschen Zeitung" geht aber auch bei diesem teilprivatisierten Gefängnis weiter und stellt die Frage, ob sich der Staat nicht selbst infrage stellt, indem er solche Aufgaben abgibt. Würden Sie soweit gehen?
Feest: Na ja, das kommt auf die Aufgaben an. Da muss man sehr genau hinschauen, wie in dem vorigen Beitrag schon gesagt, Küche, Wäscherei, Kaufmann, das sind Dinge, die sind völlig unstrittig, dass die privatisiert werden können. Und es gibt, wie gesagt, andere Bereiche, stärker professionelle, Mediziner, Lehrer usw., wo ebenfalls das ganz wünschenswert ist, wenn jedenfalls eine Mischung stattfindet. Und es gibt dann den großen Bereich der Aufsichtsbeamten, wo das gar nicht infrage kommt.
Heise: Also eine Mischung ja, aber weitergehen auf keinen Fall, die Meinung von Johannes Feest, emeritierter Professor. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch!
Ich begrüße nun Johannes Feest. Er ist emeritierter Professor für Strafverfolgung, Strafvollzug und Strafrecht der Uni Bremen, seine Forschungsschwerpunkte Recht und Realität der Gefängnisse. Guten Morgen, Herr Feest!
Johannes Feest: Guten Morgen!
Heise: Sie haben nach wie vor brieflichen Kontakt zu Gefangenen, auch der Justizvollzugsanstalt Hünfeld, und Sie lesen die Gefängniszeitung. Was sagen die denn zu den Veränderungen?
Feest: Ja, ich bekomme viele Briefe aus dem Knast und darunter auch aus Hünfeld. Und was ich aus Hünfeld höre, spricht in der Tat für eine Menge Reibungsverluste in dem Durcheinander zwischen der privaten Firma Serco und den staatlichen Beamten.
Heise: Also eher nicht so gut aus Sicht der Gefangenen, dass da jetzt ein Privater mit am Werk ist?
Feest: Das wird beklagt. Nun muss man vielleicht dazu sagen, Gefangene beklagen sich im Allgemeinen über ihre Anstalt, unabhängig davon, ob die nun privat oder staatlich geführt wird. Aber in Hünfeld wird in der Tat dieser Punkt sehr deutlich immer wieder gemacht, dass die private Firma hier sozusagen ein störendes Element ist, dass hier zwei Herren regieren, nicht nur der Anstaltsleiter, sondern auch die private Firma.
Heise: Bleibt denn die Resozialisierung auf der Strecke? Es wurde ja auch angesprochen, eben gehört.
Feest: Ja, das wird man so sehen müssen. Es ist immer ein Problem, wenn etwas wie Resozialisierung mit privatem Profit kombiniert werden soll. Resozialisierung wird etwas kosten, und das werden Kosten sein, die normalerweise der Staat zu tragen hat. Und wenn ein privater Unternehmer sich in diese Sache einschaltet in der Hoffnung, etwas zu verdienen, dann wird das nicht gut gehen. Ein Strafvollzug ist noch nie etwas gewesen, woran man verdienen konnte. Das haben schon die allerersten Zuchthäuser in Deutschland bewiesen. Das waren damals private Unternehmer, und die sind regelmäßig bankrott gegangen. Und da war noch nicht mal im großen Stile von Resozialisierung die Rede.
Heise: Das heißt, Sie, Herr Feest, haben eigentlich kein Argument oder finden kein Argument, warum ein privater Unternehmer in ein Gefängnis einsteigen sollte? Von Staats wegen Argument.
Feest: Nein, ich habe da keine starken Argumente. Das hat auch im Ausland bisher nicht in dem Sinne funktioniert, sodass die privaten Unternehmer in England oder in Frankreich oder in den USA zwar dort sehr viel stärker vertreten sind als in Deutschland, aber inzwischen anfangen, sich stärker an dem Markt in Dritte-Welt-Ländern zu orientieren, weil auch in diesen hoch industrialisierten Ländern das für sie nicht genug Profit abwirft.
Heise: Bleiben wir mal bei diesem Profit, der ja vielleicht über Arbeitsplätze ja eingefahren werden soll oder über Arbeiten, die man in Gefängnissen ausführen lassen kann. Hat ein Privatanbieter nicht bessere Möglichkeiten, Arbeitsplätze in der Wirtschaft zu akquirieren? Arbeiten, die dann im Gefängnis ausgeführt werden, die sind ja bei der Resozialisierung auch nicht zu vernachlässigen, die Ergebnisse?
Feest: Sie meinen jetzt Arbeiten für Gefangene?
Heise: Genau.
Feest: Ja, Arbeit für Gefangene, das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt, und der sollte ohnehin möglichst außerhalb des Gefängnisses stattfinden, das heißt im sogenannten Freigang. Jede Art von Arbeitsvermittlung ist da sicher sehr gefragt. Wir reden aber hier über die Verhältnisse im Gefängnis. Und da ist es schon rein rechtlich gesehen so, dass die Arbeit der Gefangenen, die ja eine Art Zwangsarbeit ist, unter staatlicher Regie laufen muss. Das kann nicht und darf verfassungsrechtlich nicht privat organisiert sein.
Heise: Bringen denn vielleicht nicht verbeamtete Mitarbeiter nicht so was wie ein bisschen Alltag, Normalität ins Gefängnis, die vielleicht verbeamtete Vollzugsbeamte nicht so mitbringen?
Feest: Ja, unbedingt. Das ist eine Position, die ich immer vertreten habe, und die bezieht sich halt auf andere Bereiche. Die bezieht sich auf den Bereich der Lehrer, die bezieht sich auch auf den der Mediziner, auch auf den der Psychologen und ganz allgemein auf Bereiche, in denen kein Profit gemacht wird. Mit anderen Worten, ehrenamtliche Mitarbeit ist natürlich ein sehr großer, und es wäre sehr wünschenswert, wenn das ein sehr viel größerer Sektor wäre. Das wird immer privat sein, und das sollte privat sein.
Heise: Über das Für und Wider privat betriebener Gefängnisse, unser Thema hier im "Radiofeuilleton" mit Johannes Feest. Wenn der Staat eines seiner Monopole aufgibt, dann meist aus finanziellen Überlegungen. Jetzt, diese erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt, ob sie sich nun rechnet in Hessen oder nicht, darüber wird ja noch gestritten. Aber mal generell, darf der Staat aus finanziellen Erwägungen seine hoheitlichen Aufgaben, und dazu gehört der Strafvollzug ja, privatisieren?
Feest: In Deutschland sind dem ganz enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Der Staat muss sein Gewaltmonopol selber ausüben, und zwar durch staatliche Beamte. Und solange wir das Grundgesetz nicht in diesem Punkt ändern, führt da gar kein Weg daran vorbei. Und deswegen wird Privatisierung in Deutschland immer nur eine Teilprivatisierung sein können, wie wir sie jetzt in Hessen finden und die in anderen Ecken geplant ist.
Heise: Der Journalist Heribert Prantl der "Süddeutschen Zeitung" geht aber auch bei diesem teilprivatisierten Gefängnis weiter und stellt die Frage, ob sich der Staat nicht selbst infrage stellt, indem er solche Aufgaben abgibt. Würden Sie soweit gehen?
Feest: Na ja, das kommt auf die Aufgaben an. Da muss man sehr genau hinschauen, wie in dem vorigen Beitrag schon gesagt, Küche, Wäscherei, Kaufmann, das sind Dinge, die sind völlig unstrittig, dass die privatisiert werden können. Und es gibt, wie gesagt, andere Bereiche, stärker professionelle, Mediziner, Lehrer usw., wo ebenfalls das ganz wünschenswert ist, wenn jedenfalls eine Mischung stattfindet. Und es gibt dann den großen Bereich der Aufsichtsbeamten, wo das gar nicht infrage kommt.
Heise: Also eine Mischung ja, aber weitergehen auf keinen Fall, die Meinung von Johannes Feest, emeritierter Professor. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch!