Der politische Jahresrückblick

Zwischen Realitätsschock und Gefühlsdemokratie

Rauch und Feuer im Südosten Aleppos.
Rauch und Feuer im Südosten Aleppos. © AFP/Stringer
Von Wolf-Sören Treusch · 31.12.2016
Ein dramatisches Jahr geht zu Ende: mit Krieg und Terror, Brexit, dem Wahlsieg Donald Trumps und erstarkendem Rechtspopulismus überall in Europa. Wolf-Sören Treusch blickt auf die wichtigsten Ereignisse eines Jahres zurück, das in vielerlei Hinsicht zum Fürchten war.
David Cameron, Ex-Premierminister: "The British people have voted to leave the European Union. And their will must be respected."
Wolfram Eilenberger: "Das war sicher ein Jahr, in dem man jeden Morgen mit einer gewissen Angst und Verunsicherung das Radio anschaltet und sich überlegt, was hält die Wirklichkeit dieses Mal für mich bereit?"
Wolfram Eilenberger - Philosoph, Fußballtrainer, Fachautor, gern gesehener Talkshowgast und immer bestrebt, die brennenden Themen von Politik, Sport und Alltagskultur aus dem Blickwinkel der Philosophie zu betrachten.
"Tatsächlich der Morgen des Brexit, auch der Morgen des Putsches in der Türkei, oder auch der Morgen der Trump-Wahl, das waren nicht nur Ereignisse, die einem Angst gemacht haben, sondern die einem auch deutlich gemacht haben, wie fragil unser System ist und dass sich die Wirklichkeit mit einem einzigen Ereignis so verschieben kann, dass es eben nicht nur eine Nachricht ist, die man betrachtet, sondern eine Nachricht, die das eigene Leben betreffen und ändern kann. Wir haben in Deutschland fast über 30 Jahre Nachrichten gesehen - immer so, als ob sie eigentlich jemand anderes betreffen, aus so einer Halbdistanz, die uns nicht so richtig angeht. Und dieses Jahr ist die Wirklichkeit zu uns zurück gekommen."
Und zwar mit voller Wucht. Vorzugsweise in den Morgenstunden, wenn die Vorfreude auf lieb gewonnene Gewohnheiten am größten ist.
Wenn Sie abends zu Bett gegangen waren im sicheren Gefühl, alles wird so sein, wie es die Experten vorhergesagt haben.
Und Sie morgens aufwachen und feststellen: auf nichts können Sie sich mehr verlassen. Nicht auf die Fakten, und auch nicht auf Ihr Gefühl.
Der britische Premier Cameron verlässt Downing Street, um sich ein letztes Mal ins Unterhaus auf den Weg zu machen.
Der britische Premier Cameron verlässt Downing Street, um sich ein letztes Mal auf den Weg ins Unterhaus zu machen.© picture alliance / dpa / Andy Rain
Angela Merkel: "Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sie folgen allein den Gefühlen."
Da passt ja dann der Spruch ganz gut: wer Zeitung liest und Fakten kennt, gehört schon zum Establishment.

"All politicians are stupid", sagt der künftige US-Präsident

Postfaktisch. Der Verein 'Gesellschaft für deutsche Sprache' kürt das Adjektiv im Dezember zum Wort des Jahres 2016. Begründung: 'postfaktisch' verweist darauf, dass es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht.
TV-Debatte US-Wahlkampf: "Mr. Trump, I give you 30 seconds to answer my question which was: what evidence do you have that the mexican government is sending criminals across the border? 30 seconds." - Trump: "People, that I deal with, that I talk to: they say, this is what's happening. Because our leaders are stupid, all politicians are stupid, and that’s what happened, if you like it or not."
In einer der TV-Debatten im US-amerikanischen Wahlkampf fragt der Moderator den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, welche Beweise er habe für die Behauptung, die mexikanische Regierung entsende Kriminelle in die USA. Trump antwortet: 'Die Leute sagen es doch.' Subtext: wenn die es sagen, ist da auch was dran.

"2016 ist nicht das Jahr des Postfaktischen, sondern das Jahr des Realitätsschubes"

Wer bestimmt also, was Wahrheit ist? Und lässt sich tatsächlich eine trennscharfe Linie zwischen der faktischen Wahrheit auf der einen Seite und der gefühlten Wahrheit auf der anderen Seite ziehen?
Angela Merkel: "Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser zugegeben komplizierten Phase besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind."
Wolfram Eilenberger: "Ich würde sagen, dass 2016 überhaupt nicht das Jahr der Postfaktizität oder des Postfaktischen war, sondern das Jahr des Realitätsschubes nach einer sehr langen Zeit der Wirklichkeitsverleugnung. Wenn wir ein postfaktisches oder rein imaginiertes Verhältnis zur Datenlage hatten, dann war das im Herbst 2015. Denn da haben wir uns wirklich in vielen Dingen etwas vorgemacht, etwas vorgelogen, und vielleicht auch sehr sinnvoll vor-euphorisiert, und ich glaube, 2016 ist das Jahr, in dem die Wirklichkeit eingebrochen ist in unsere Lebenswelt und sehr viele Fakten auf den Tisch kamen, die wir davor sehr gerne verleugnet und verdrängt haben, ich würde sagen: es gibt zumindest drei große Lebenslügen, die im Jahr 2016 zusammengebrochen sind und die für meine Generation die letzten Jahrzehnte fast prägend waren."
Wolfram Eilenberger ist Jahrgang 1972. Auf die "drei großen Lebenslügen" seiner Generation werden wir noch zu sprechen kommen.
Menschengruppen vor der Kulisse des Kölner Doms, dazwischen Rauchschwaden.
Menschen in der Silvesternacht auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Köln.© dpa / Markus Böhm
Eigentlich startet das Jahr 2016 verheißungsvoll.
Die Bundesagentur für Arbeit meldet die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland seit 1991: 6,1 Prozent. Dazu 43 Millionen Erwerbstätige: Rekordbeschäftigung.
Überdeckt werden die Erfolgszahlen jedoch von Meldungen über Jagdszenen am Kölner Dom. Dort und in anderen deutschen Städten werden in der Silvesternacht Hunderte Frauen sexuell belästigt und genötigt. Viele Tatverdächtige stammen aus Nordafrika.

Nach der Silvesternacht steigt der Verkauf von Schusswaffen an

Die Übergriffe sorgen weltweit für Aufsehen.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat für die Frauen einen Tipp, damit das zukünftig nicht wieder passiert:
"Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten. Die weiter als eine Armlänge betrifft."
Thomas de Maizière: "Das ist kein neues Phänomen, was Männer da mit Frauen tun, aber in dieser Form und mit dieser Dimension, auch durch Asylbewerber und Flüchtlinge, das ist neu."
Der Verkauf von Schusswaffen in Deutschland steigt erkennbar an, immer mehr Frauen nehmen an Selbstverteidigungskursen teil, Pfeffersprays sind wochenlang ausverkauft.

"Der größtmögliche symbolpolitische Unfall"

Die Silvesternacht verändert Deutschland, findet Wolfram Eilenberger:
"Es gibt zumindest drei große Lebenslügen, die im Jahr 2016 zusammengebrochen sind und die für meine Generation die letzten Jahrzehnte fast prägend waren. Die dritte ist sicher die, dass wir mit dem Herbst 2015 eine doppelte Überschätzung vorgenommen haben, einmal die Überschätzung der Aufnahmewilligkeit und der Willkommenskultur im eigenen Land, und auch eine Überschätzung und Verherrlichung der Menschen, die zu uns kommen, insofern würde ich sagen: es ist tatsächlich der größtmögliche symbolpolitische Unfall, aber es spricht auch dafür, dass das Ereignis Köln, mit dem dieses Jahr ja eigentlich begonnen hat, eine Art Schubumkehr war, ein Übersteuern in eine andere Richtung, aber auch der Weg und der Anfang einer realistischen Einschätzung der Aufgabe, vor der wir mit der Flüchtlingskrise und deren Bewältigung stehen."
In den Mittelpunkt der Debatte rückt ein Gefühl. Das Gefühl starker Verunsicherung, Ressentiments gegenüber dem Fremden, Vertrauensverlust in staatliche Institutionen nehmen zu. Die 'Alternative für Deutschland', AfD, gibt diesem Gefühl eine politische Heimat. Ihre Anführer fordern, die Flüchtlingsströme stärker zu kontrollieren – notfalls mit Waffengewalt.
Frauke Petry: "Wenn ein Grenzübertritt illegal erfolgt, wenn derjenige, der diese illegale Handlung begeht, die rechtswidrig ist und die geahndet werden muss, nicht darauf reagiert, dass dann auch von der Schusswaffe als letzter Möglichkeit Gebrauch zu machen ist."
Günter Öttinger: "Und Frauke Petry. Also wenn ich mit der verheiratet wär, würde ich mich erschießen. Ich mich erschießen, meine ich. Ich würde mich erschießen, wenn das meine Frau wäre."
EU-Kommissar Günter Öttinger. Von ihm wird noch zu hören sein.

Verschärfung der Asylgesetze - aber keine Obergrenze

Der Bundestag dagegen schafft Fakten. Am 25. Februar beschließt er das Asylpaket II. Damit werden die Asylgesetze deutlich verschärft. Die Verfahren sollen beschleunigt, neue Registrierzentren eingerichtet werden.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gestikuliert im Landtag
Fordert immer noch eine Obergrenze für Flüchtlinge: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)© picture alliance/ dpa/ Andreas Gebert
Was der Bundestag nicht beschließt: eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge, die pro Jahr nach Deutschland einreisen dürfen. Gebetsmühlenartig fordert CSU-Chef Horst Seehofer eine solche Obergrenze:
"200.000, ich kann's Ihnen auch aufschreiben. (lacht) Fünf Nullen. Vor Ihnen steht nur eine." (heftiges typisches Seehofer-Lachen)
Von Parteifreundin und Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet er, dass sie ihm in dieser Frage entgegenkommt.
"Wir wollen mit dir eine Lösung, die Betonung liegt aber auf: wir wollen eine Lösung."
Dann legt der CSU-Chef nach. Er nennt Merkels Flüchtlingspolitik eine "Herrschaft des Unrechts". Die Formulierung ist nah dran am 'Unrechtsstaat', dem Begriff, der häufig für die DDR benutzt wird, dem Land, in dem die Kanzlerin groß geworden ist.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer sitzen voneinander abgewendet nebeneinander bei einer Pressekonferenz.
Differenzen in der Flüchtlingspolitik: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und CSU-Chef Seehofer am 14.4. 2016© AFP / Odd Andersen
Doch die lässt den Parteifreund abtropfen. Ende April schickt sie ihm einen Brief. Darin erklärt sie, warum ihre Flüchtlingspolitik rechtmäßig sei und dass die Bundesregierung alles unternehme, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren.
Seehofer: "Es ist nicht so, dass bei uns besondere Hektik ausbricht, wenn aus dem Bundeskanzleramt ein Brief eingeht. Wir machen das in aller Ruhe, das Kanzleramt hat sich auch viele Wochen Zeit genommen."
Wolfram Eilenberger: "Es ist gar nicht schädlich, ich glaube, es wäre viel schädlicher gewesen, wenn man sich nicht gestritten hätte. Tatsächlich glaube ich, dass man sich mittlerweile auf eine sehr brauchbare Funktionsteilung geeinigt hat, dass der eine den anderen zieht, dass er stänkert, dass er in eine gewisse Richtung bewegt, und die andere so tun muss, als ob sie sich zierte. Tatsächlich ziert sich Frau Merkel in der Politik-Umstellung fast gar nicht: Wir haben heute fast alle Forderungen, die CSU oder auch die AfD vor einem Jahr gefordert haben, als tatsächliche Politik. Insofern betrachte ich das eigentlich eher mit Amüsement und auch einer gewissen Bewunderung, wie geschickt man so was inszenieren kann."
Zumal sich im März das Problem mit dem starken Zustrom an Menschen quasi erledigt. 14.000 Flüchtlinge sitzen in einem Aufnahmelager im griechisch-mazedonischen Grenzort Idomeni fest. Wochenlang. Es ist kalt, es regnet viel, die hygienischen Zustände sind unhaltbar.
Ein Mann mit zwei Kindern sitzt am 11.03.2016 vor seinem Zelt im Flüchtlingslager in Idomeni an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. 
Ein Mann mit zwei Kindern sitzt am 11.03.2016 vor seinem Zelt im Flüchtlingslager in Idomeni an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. © picture alliance / Kay Nietfeld
"'7000 Leute sind vor mir', sagt dieser Mann an der Grenze zu Mazedoniern, 'ich werde warten müssen, das ist ein schreckliches Leben'."
Der Weg nach Norden ist dicht. Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien führen strengere Grenzkontrollen ein. Die so genannte Balkanroute ist damit de facto geschlossen.
Donald Tusk (EU-Ratspräsident): "I want to appeal to all potencial illegal economic migrants whereever you are from: do not come to Europe."
EU-Ratspräsident Donald Tusk fleht die Flüchtlinge regelrecht an, sich nicht mehr den Schlepperbanden auszuliefern.
Tusk: "It is all for nothing. Greece or any other european country will be no longer a transit country."
Sebastian Kurz, Außenminister Österreich: "Die Menschen kommen nicht nur, um in Sicherheit in Griechenland zu sein, wie wir bei den Demonstrationen an der mazedonischen Grenze sehen, sondern weil sie nach Deutschland durchwollen oder nach Österreich durchwollen. Und wenn wir dem nachgeben, dann werden sich immer mehr auf den Weg machen. Wenn wir dem nicht nachgeben, wird der Zustrom weniger, und das muss das Ziel sein."

Fragil, aber kurzfristig zweckdienlich: der Flüchtlingsdeal mit Erdogan

Am 18. März einigen sich die Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei auf einen Flüchtlingspakt. Neu in Griechenland ankommende, illegal eingereiste Flüchtlinge sollen in die Türkei zurückgeschickt werden können. Im Gegenzug verpflichtet sich die EU, genauso viele syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen.
De facto ist der Deal wegen der politischen Entwicklungen in der Türkei im Laufe des Jahres äußerst fragil. Kurzfristig erfüllt er jedoch seinen Zweck.
Thomas de Maizière, Bundesinnenminister: "Die Zahlen im ganzen März sind sehr niedrig. Sie sind ungefähr ein Zehntel der Zahlen vom Herbst, und wir wollen, dass sie so niedrig bleiben, und darauf richten sich jetzt unsere Anstrengungen."

Landtagswahlen im März werden zum Triumph für die AfD

Parallel zur überhitzten Debatte um das richtige Konzept, wie die Flüchtlingsströme in geordnete Bahnen zu lenken seien, erobert die AfD nach den Stammtischen nun auch die Landtage.
Bei den Wahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt erzielen die Rechtspopulisten zweistellige Stimmenergebnisse. In Stuttgart und Magdeburg liegt die AfD vor der SPD.
Zwei Menschen gehen in Merseburg in Sachsen-Anhalt an einem Wahlplakat der Alternative für Deutschland vorbei
Ein Wahlplakat der Alternative für Deutschland (AfD) für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. © imago stock and people
Das Ergebnis erschüttert die Republik. Die Kanzlerpartei CDU verliert dramatisch, Hoffnungsträgerin Julia Klöckner ist entzaubert, die SPD befindet sich im freien Fall. Und die AfD etabliert sich als neue Rechtspartei und Partei für den Wutbürger.
Frauke Petry, AfD-Bundessprecherin: "Tatsache ist aber doch auch, dass auch Protest eine inhaltliche Aussage ist, denn es grenzt einen von anderen Parteien ab. Und wenn Bürger den etablierten Parteien die Antworten nicht mehr zutrauen, für die sie mit Verlaub nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte Zeit gehabt haben, dann ist es doch sehr verständlich, dass Bürger ihre Stimme einer anderen demokratischen Partei geben. Ich denke, wir sollten froh darüber sein."

Terroranschläge des "Islamischen Staates"

Nach den Terroranschlägen in Belgien rät das Auswärtige Amt zu besonderer Vorsicht in Brüssel. Reisende sollten sich in der Stadt nur mit erhöhter Aufmerksamkeit bewegen und größere Menschenansammlungen vermeiden, hieß es in einer dringenden Empfehlung.
"Hier auch noch mal andere Bilder von außen, Qualm, wie andere es auch berichten, Menschen, die sich hier sortieren, es sind einige zu erkennen, die am Boden liegen, über die Schwere von Verletzungen oder gar Toten ist im Moment hier noch nichts bekannt."
Am 22. März kommt es in der belgischen Hauptstadt Brüssel zu einem der schlimmsten Terroranschläge in diesem Jahr. Mehrere Bomben detonieren, 35 Menschen werden getötet, mehr als 300 verletzt.
Passagiere werden nach dem Terroranschlag in Brüssel aus dem Airport-Terminal evakuiert.
Passagiere werden nach dem Terroranschlag in Brüssel aus dem Airport-Terminal evakuiert.© dpa / picture allaince / Olivier Hoslet
Die Terrororganisation 'Islamischer Staat' gibt an, hinter den Morden zu stehen. Die Ermittler finden Hinweise, dass die Anschläge von der gleichen Gruppe verübt worden sein könnten wie jene in Paris im November 2015.
Angela Merkel: "Unsere Kraft liegt in unserer Einigkeit. Und so werden sich unsere freien Gesellschaften als stärker erweisen als der Terrorismus."

Der Fall Böhmermann

Böhmermann: "Ach du heilige Makrele. (Jubel, Lachen, Applaus) Die Witze in dieser Sendung könnten heute ein kleines bisschen schlechter werden, wir sind normalerweise hohe Qualität gewohnt, heute kann es anders sein, weil Beatrix von Storch ihren Rundfunkbeitrag nicht bezahlt hat, meine Damen und Herren. (Lachen, Applaus)"
Der Fernsehentertainer Jan Böhmermann löst am 31. März eine Staatskrise aus. Nicht mit dem harmlosen Witz über die AfD-Politikerin, sondern mit einem zugegeben dreisten Schmähgedicht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan.
Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung: "Natürlich ist die Geschichte von Böhmermann 'ne Beleidigung. Ganz klar: möchten Sie als Ziegenficker beleidigt werden? Aber die Frage ist ja: Ist es in dem Fall von der Kunstfreiheit gedeckt?"
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann in verschiedenen Aufnahmen nebeneinander.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann.© dpa / Robert Ghement
Die Türkei sieht in dem Schmähgedicht ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Ihre Regierung verlangt, ein Strafverfahren gegen Jan Böhmermann einzuleiten – wegen Majestätsbeleidigung.
Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag: "Ich finde es unmöglich, dass die türkische Regierung massiv interveniert und in Deutschland die Strafjustiz aufmarschieren sehen möchte, um die Presse oder die Medienfreiheit einzuschränken. Ich finde, das sollten wir uns nicht bieten lassen."
Am 10. April gibt die Bundesregierung dem Druck der türkischen Regierung nach.
Die Stimme der Bundeskanzlerin gibt den Ausschlag. "Bewusst verletzend" nennt sie das Schmähgedicht. Wegen des frisch ausgehandelten Flüchtlingsdeals mit der Türkei will sie offenbar keine diplomatischen Verwicklungen. Am 22. April dann ihr Rückzieher:
"Wenn ich mich in den letzten Tagen über etwas ärgere, was mich persönlich anbelangt, dann ärgere ich mich darüber, dass ich am 4. April von 'bewusst verletzend' gesprochen habe und damit der Eindruck entstanden ist, dass hier meine persönliche Bewertung zu irgendetwas etwas zählt."

Wieviel zählt Kunstfreiheit gegenüber politischen Interessen?

Die Debatte ist da längst in vollem Gange. Im Kern geht es um eine Standortbestimmung: wie viel ist Kunst- und Meinungsfreiheit wert im Spannungsfeld politischer Interessen und türkischer Sensibilitäten? Eine Frage, die angesichts der vielen Verhaftungen Andersdenkender nach dem Putsch in der Türkei aktuell bleibt.
Wochenlang beschäftigen Jan Böhmermanns Gedicht und die Debatte darum die Republik und ihre Gerichte. Im Oktober wird das Strafverfahren gegen den Fernsehentertainer eingestellt.
Wolfram Eilenberger: "Ich muss sagen, dass der Fall Böhmermann bei mir zu einer Meinungsänderung geführt hat. Ich hielt das für eine sehr dämliche, freche und auch falsche Provokation zunächst, auch eine Wichtigtuerei von Herrn Böhmermann, allerdings muss man sagen, dass die Reaktion ihn gerechtfertigt hat. Und dass er mir etwas gezeigt hat über die Türkei und auch diesen Führer, das ich davor so nicht wusste oder wissen wollte. Er hat etwas ins Licht gerückt, was Satire und Kunst tun muss, und das zweite ist natürlich: Redefreiheit auf einem nationalen Territorium überhaupt zu schützen, wie dem deutschen, ist mittlerweile sehr viel problematischer geworden als wir das vorher dachten."
Böhmermann: "Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes, sondern des Staates."

Die Ukraine gewinnt den ESC

Und noch ein Beitrag aus der Popkultur sorgt in diesem Jahr für Wirbel.
TV-Übertragung ESC: "And we have the winner of the Eurovision Song Contest 2016: It’s the Ukraine."
Am 14. Mai gewinnt die ukrainische Sängerin Jamala den Eurovision Song Contest. In ihrem Lied "1944" nimmt sie Bezug auf das Jahr, in dem Stalin die Krimtataren nach Zentralasien deportieren ließ.
Die ukrainische Sängerin Jamala repräsentiert die Ukraine auf dem Eurovision Song Contest.
Die ukrainische Sängerin Jamala repräsentiert die Ukraine auf dem Eurovision Song Contest.© dpa / picture alliance / Inna Sokolovska
Jamala erinnert die Weltöffentlichkeit an einen Konflikt, der 2016 angesichts der zahlreichen anderen Bedrohungslagen fast in Vergessenheit gerät.
Jamala: "Mein Lied ist jetzt noch aktueller. Leider. Ich singe für die ganze Ukraine, für die Krim. Ich möchte, dass mein Lied ein Tropfen in den Ozean wird und hilft, die Probleme der Ukraine und der Krimtataren zu lösen."

Vielversprechender Beginn des Sportjahres

Mehmet Scholl, Ex-Fußballprofi und TV-Experte: "Jogi Löw wacht nicht nachts auf und sagt 'Dreierkette, Dreierkette, Dreierkette'. Das hätte man anders lösen können."
Im Sommer hält die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich die Nation vier Wochen lang im Bann.
Schon im Januar beginnt das Sportjahr vielversprechend. Deutsche Athleten holen zwei Titel, mit denen vorher nur wenige gerechnet haben. Tennisspielerin Angelique Kerber gewinnt die Australian Open in Melbourne, und die Handball-Nationalmannschaft der Männer holt sich den Europameistertitel in Polen.
Deutsche Fußballfans zeigen vor Spielbeginn ein Plakat mit der Aufschrift "Jerome zieh neben uns ein" beim Länderspiel Deutschland - Slowakei in der WWK-Arena in Augsburg (Bayern).
Deutsche Fußballfans zeigen vor Spielbeginn ein Plakat mit der Aufschrift "Jerome zieh neben uns ein" beim Länderspiel Deutschland - Slowakei in der WWK-Arena in Augsburg (Bayern).© picture alliance / dpa / Christian Charisius
Das erwartet die Nation nun auch von ihren Fußballhelden. Doch vor Beginn des Turniers gibt es Störfeuer. AfD-Vize Alexander Gauland zündelt mit fremdenfeindlichen Aussagen über Innenverteidiger Jerome Boateng:
"Ich habe nur deutlich gemacht, und dabei mag der Name Boateng gefallen sein, möglicherweise von den FAZ-Kollegen, denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus, dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten."
Jerome Boateng: "Traurig, dass man in so was vorkommt, aber man kann es nicht ändern, ich hoffe, es wird aber mit der Zeit besser, und ich glaube, heute haben genug Leute eine sehr schöne Antwort gegeben."
Bei einem Vorbereitungsspiel bekunden die Zuschauer im Stadion massenhaft ihre Sympathie für den angeblich ungewollten Nachbarn.

Eine EM im Zeichen der Terrorgefahr

Das EM-Turnier in Frankreich steht von Beginn an unter keinem guten Stern. Brutale gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen russischen und englischen Hooligans, gähnend langweilige Vorrundenspiele und über allem die ständige Angst vor Terroranschlägen bestimmen das Geschehen.
'La Mannschaft', wie sich die deutsche Elf in Anspielung auf den Austragungsort nennt, schleppt sich durchs Turnier. Sie kreiert viele Chancen, aber schießt wenig Tore.
Reporter: "Hector zurück in den Rückraum, Schuss, Tor, Tor, Tor, Tor! Tor für Deutschland! Mesut Özil!"
Im Viertelfinale trifft Deutschland auf Angstgegner Italien. Die Entscheidung fällt in einem Elfmeterschießen von epischem Ausmaß.
Deutschland verliert im Fußball-EM-Halbfinale gegen Frankreich (7.7.2016).
Deutschland verliert im Fußball-EM-Halbfinale gegen Frankreich.© dpa / picture alliance / Federico Gambarini
Zum ersten Mal gewinnt eine deutsche Mannschaft bei einem großen Turnier gegen Italien. Es hilft nichts. Im Halbfinale verliert Deutschland gegen Gastgeber Frankreich. Europameister wird Portugal. Und alle sind sich einig: nie wäre es einfacher gewesen, den Titel zu holen als in diesem Jahr.

Kaum jemand hätte mit dem Brexit gerechnet

Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister: "The Brexit would be hard on everyone, especially the UK itself. This means in other words: 'in' means in and 'out' means out."
Während die Fußball-EM noch läuft, bereitet sich Europa auf den worst case vor: den Brexit. In seinem unnachahmlichen Schwenglisch stellt der bundesdeutsche Finanzminister klar: wenn die Briten am 23. Juni für den Ausstieg aus der EU stimmen, sind sie raus. No way back.
"'In' means in and 'out' means out."
Das Referendum wird wie erwartet ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Erst am Morgen des 24. Juni ist klar: die Briten wollen raus aus der EU. Um 8 Uhr 10 steht das Endergebnis fest.
Befürworter des EU-Austritts mit Plakaten auf Booten auf der Themse in London.
Kurz vor dem Referendum segelt eine Brexit-Flotte auf der Themse in London.© EPA
Gut 16 Millionen stimmen für den Verbleib ihres Landes in der EU, knapp 17einhalb Millionen für den Austritt. In Prozenten bedeutet das: 51,9 zu 48,1 für Leave, Austritt.
Großbritannien wirkt selbst überrascht. Niemand hatte wirklich mit einem solchen Ergebnis gerechnet, und niemand weiß so recht, wie es weitergehen soll. Premierminister David Cameron kündigt seinen Rücktritt an. Das britische Pfund fällt, und die 'Bank of England' versucht, die Finanzmärkte mit einem Krisenprogramm zu beruhigen.
Bürger: "I think it's stunning and depressing. There's no way back and I can't believe that the british republic has done it." - "I'm frustrated, I'm ashamed and deeply concerned about the future for my children, it's a sad day!"
Es ist fantastisch und bedrückend zugleich, sagt der Mann. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, kaum zu glauben, dass das unsere Republik geschafft hat.
Ganz anders die Reaktion der Frau: sie ist frustriert und beschämt und tief beunruhigt über die Zukunft ihrer Kinder. Ein trauriger Tag, sagt sie.

Furcht vor einem europaweiten Domino-Effekt

Europa, allen voran Deutschland, ist geschockt von dem Ergebnis des Referendums.
Angela Merkel: "Es gibt nichts darum herumzureden. Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa, er ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess."
Norbert Lammert, Bundestagspräsident: "Großbritannien hat gestern darüber befunden, aus der Europäischen Union auszutreten, dennoch ist die Sonne heute morgen wieder aufgegangen. So bedauerlich das eine ist, so beruhigend ist das andere."
Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister: "Es kommt jetzt darauf an, dass wir Europa zusammenhalten. Wir dürfen weder in Hysterie noch in Schockstarre verfallen. Und wir müssen auch sagen: nicht auf alle Fragen, die sich jetzt stellen werden nach dieser Entscheidung, haben wir schon jetzt eine Antwort."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (l.) mit Großbritanniens Premierministerin Theresa May, der Nachfolgerin des zurückgetretenen David Cameron
Bundeskanzlerin Angela Merkel (l.) mit Großbritanniens Premierministerin Theresa May, der Nachfolgerin des zurückgetretenen David Cameron© dpa / picture-alliance / Soeren Stache
Zum Beispiel: werden die Briten den Austrittsantrag nach Artikel 50 des EU-Vertrags rasch stellen? Oder wollen sie die Sache absichtlich verbummeln, um mit der EU möglichst angenehme Austrittskonditionen verhandeln zu können?
Angela Merkel: "Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der 'Rosinenpickerei' geführt werden. (Applaus) Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied machen, ob ein Land Mitglied der Familie der Europäischen Union sein möchte oder nicht."
Die Bundeskanzlerin gibt sich kämpferisch. Groß ist ihre Furcht vor einer europaweiten Kettenreaktion. Andere Staaten könnten ebenfalls aus der EU austreten wollen. Klar ist nur: bis 2019 bleibt Großbritannien auf alle Fälle EU-Mitglied.

Die Demoskopen lagen daneben

Der Philosoph Wolfram Eilenberger findet es bemerkenswert, dass im Zeitalter von Big Data die meisten Umfrageinstitute mit ihren Vorhersagen daneben lagen. Ein Vorgang, der sich später bei der Präsidentenwahl in den USA wiederholen wird.
"Es gibt eine große Verunsicherung in einem Zeitalter, in dem wir glauben, dass mehr Daten mehr Wissen bedeuten. Wir haben nun noch nie so viele Daten gehabt über die Menschen, die wählen, und wir wissen eigentlich seither auch nie weniger, wie sie sich tatsächlich entscheiden. Das ist für mich aus philosophischer Sicht deswegen interessant, weil eine Grundannahme unseres Forschens, dass mehr Daten zu mehr Wissen führen, eigentlich dort ad absurdum geführt wird und auf eine Spannung hinweisen, dass ein mehr Wissen eben nicht ein mehr an Klarheit ist."
Der Philosoph und Chefredakteur des "Philosophie Magazins" Wolfram Eilenberger; Aufnahme vom November 2014
Der Philosoph und Chefredakteur des "Philosophie Magazins" Wolfram Eilenberger; Aufnahme vom November 2014© picture alliance / dpa
Besonders kompliziert wird es, wenn das Wissen als Lüge daherkommt. So behaupteten die Brexit-Befürworter im Wahlkampf, Großbritannien müsse wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU überweisen. Völliger Unsinn, aber für viele Briten eine gefühlte Wahrheit. Die, wie in diesem Fall, ein nationales Gefühl bestärkt. Wolfram Eilenberger findet, hier haben sich viele Menschen zu lange etwas vorgemacht. Ähnlich wie in der Flüchtlingspolitik.
"Es gibt zumindest drei große Lebenslügen, die im Jahr 2016 zusammengebrochen sind und die für meine Generation die letzten Jahrzehnte fast prägend waren. Die zweite Lebenslüge ist, glaube ich, die, dass man sich in Deutschland sehr lange erzählt hat, dass nationale oder kulturelle Identität, also Identitätsfragen, keine wesentlichen politischen Fragen mehr sind. Nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa nicht, und ich würde denken, der Brexit ist das deutlichste Zeichen, dass eine Bevölkerung gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen ganz bewusst gewählt hat, weil es ihr um kulturelle und Identifikationsinteressen geht. Also letztlich um die Bewahrung dessen, was sie als ihre eigene Kultur empfinden. Auch das ist eine extrem unbequeme Schlussfolgerung, mit der sich auch verbindet, dass die Europabejahung in Deutschland immer sehr viel stärker war als im anderen Kontinent und wir das nicht so richtig wahrhaben wollten."

Anschläge in Nizza, Würzburg, Ansbach

Im Juli erschüttert eine Reihe von Terroranschlägen Europa und auch Deutschland.
Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, rast auf dem Strandboulevard in Nizza ein Lastwagen in eine Menschenmenge.
Augenzeugen: "Es gab Gedränge, alle rannten, Panik. Wir haben vor- und zurück geschaut. Wir haben nicht begriffen, was uns passiert. Alle haben geschrieen, geheult." - "Ein Lkw kam an, er beschleunigte, fuhr auf die Menge los. Sicherheitskräfte gab es nicht. Die Feuerwehr hat 25 Minuten gebraucht. Ein Lkw hier auf der Straße. Und dann haben sie auf ihn geschossen."
Mindestens 86 Menschen sterben, Hunderte werden verletzt, viele schwer. Der Attentäter wird von der Polizei erschossen. Die französische Regierung geht sofort von einem terroristischen Hintergrund aus.
Nizza
Menschen trauern in Nizza nach dem Anschlag, bei dem mehr als 80 Menschen getötet wurden. © picture alliance/dpa/Foto: Cyril Dodergny
Jens Hoffmann, Leiter Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement: "Es ist normal, weil es schon eine Reihe solcher Anschläge gab, aber es heißt schon, dass wir in einer Art von negativer Erwartungshaltung sind. Also wir rechnen jeden Moment damit, dass etwas passiert, und das ist natürlich ein großer Erfolg für Terrorismus, wenn wir dann alles gleich dort einsortieren."
Später bekennt sich tatsächlich der IS zu dem Anschlag. Es gibt jedoch keine Beweise dafür, dass die Terrororganisation über Vorbereitung und Ausführung des Anschlags Bescheid wusste.
Vier Tage später, am 18. Juli, kommt der Terror nach Deutschland. In einer Regionalbahn bei Würzburg greift ein 17-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan mit einer Axt und einem Messer fünf Menschen an und verletzt sie schwer. Der Täter wird von einem Sondereinsatzkommando der Polizei erschossen.
Der IS verbreitet, der junge Mann habe als ‚Soldat des IS’ gehandelt.
Thomas de Maizière: "Deswegen kann man nicht sagen, es gibt zwischen den Flüchtlingen und Terrorismus keinen Zusammenhang, aber die Gefahr war vorher hoch, sie ist hoch und sie bleibt hoch, auch unabhängig von der Frage der Flüchtlinge."
Am 22. Juli erschießt ein 18-jähriger Mann in München neun Menschen und sich selbst. Lange herrschen Angst und Panik in der Stadt, weil ein Terroranschlag vermutet wird. Erst nach vielen Stunden erklärt die Polizei: es war ein Amoklauf.
Die Polizei hat nach einer Schießerei am Vortag das Areal um das Olympia-Einkaufszentrum OEZ in München (Bayern) am 23.07.2016 weiträumig abgesperrt.
Die Polizei hat nach einer Schießerei am Vortag das Areal um das Olympia-Einkaufszentrum OEZ in München (Bayern) am 23.07.2016 weiträumig abgesperrt.© pa/dpa/Hildenbrand
Am 24. Juli sprengt sich im fränkischen Ansbach ein 27-jähriger syrischer Flüchtling am Rande eines Musikfestivals in die Luft und verletzt 15 Menschen. Es ist der erste islamistische Selbstmordanschlag in Deutschland. Und es wird immer deutlicher: Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben.
Am 19. Dezember rast ein Sattelschlepper auf einem Berliner Weihnachtsmarkt in die Menschenmenge. Es gibt zahlreiche Tote und zum Teil schwer Verletzte. Die Bundesregierung geht von einem terroristischen Anschlag aus.

Putschversuch in der Türkei

Am 15. Juli stürzt ein Putschversuch von Teilen des Militärs die Türkei in eine schwere Krise. Die Gesellschaft ist in Aufruhr, Präsident Erdogan greift nach der Alleinherrschaft. Die Regierung lässt Tausende festnehmen, entlassen, versetzen.
Deutsch-Türke: "Es geht nicht um Erdogan oder so. Putsch ist wirklich scheiße, ich habe schon selber Putsche erlebt, ich weiß das. Schlimmste Demokratie ist besser als Putsch. Gott sei Dank ist vorbei."
Norbert Röttgen, CDU: "Es ist Zynismus, von einem 'Geschenk Allahs' zu sprechen, das man jetzt nutzt, und dann ist die erste Aktion, schon am Samstagmittag sind die fast dreitausend Richter schon nicht mehr im Amt. Das heißt: die Namenslisten müssen in den Schubladen gelegen haben."
Die türkische Regierung verhängt den Ausnahmezustand, setzt die Europäische Menschenrechtskonvention aus und erwägt, die Todesstrafe wieder einzuführen.
Sie sehen zwei Panzer auf einer Straße.
Zwei Panzer stehen auf einer Straße in Istanbul. Der Putschversuch soll nach Regierungsangaben gescheitert sein.© picture-alliance / dpa / Tolga Bozoglu
Volker Kauder, Vorsitzender CDU-Bundestagsfraktion: "Also, solange die Todesstrafe noch nicht beschlossen ist, müssen wir natürlich mit der Türkei reden. Man darf es der Türkei auch nicht zu leicht machen. Nach dem Motto: 'jetzt spricht niemand mehr mit uns', und 'jetzt machen wir, was wir wollen'."
Die gemäßigte deutsche Position kann jedoch nicht verdecken, dass die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei wegen der Repressionsmaßnahmen seit dem Putschversuch immer heftiger ins Stocken geraten. Der türkische Präsident Erdogan reagiert mit Trotz.
"Ich sage es ganz offen zu jedem, der es hören will. Egal welche Entscheidung da fällt: diese Abstimmung hat für uns keine Bedeutung."

Pokemon Go als Glückserfahrung

Szenen wie diese gibt es derzeit häufiger in den USA: Ein Polizist hält zwei junge Männer an. Und fragt, was sie da machen, mitten in der Nacht, auf dem Motorrad, mit dem Smartphone vor der Nase. Playing Pokemon go. – Pokemon go?
Genau: Pokemon Go. Im Sommer sind weltweit etwa 45 Millionen Spieler auf der Jagd nach Pikachu, Taubsi und den anderen Monstern. Auch in Deutschland.
Das Suchspiel mit den virtuellen Fantasiewesen funktioniert wie eine Schnitzeljagd. Nur eben technisch aufgehübscht, weil die gesuchten Objekte ins Kamerabild des Smartphones eingeblendet werden.
Das Spiel "Pokémon Go" auf einem Smartphone.
Sorgte für einen kurzen, aber heftigen Hype: das Spiel "Pokémon Go".© dpa / Nintendo
Das Ganze hat auch schon merkwürdige Blüten getrieben: die 19-jährige Sheila Wiggins in Wyoming fand bei einer Pokemon-Go-Tour mehr als ihr lieb war. Im Wasser vor ihr schwamm eine echte Leiche.
Wolfram Eilenberger ist überzeugt: Pokemon go ist viel mehr als nur eine Modeerscheinung.
"Ja, ich habe sogar selber gespielt, und es war eine extrem beglückende Erfahrung, das ist tatsächlich für 2016 das Jahr, in dem wir alle erinnern werden, dass die virtuelle Realität unseren Alltag und unsere Straßen erreicht hat, und ich finde es eigentlich sehr schön und auch sehr klug, dass das zunächst einmal über die Form eines Spiels geschah. Weil das Spiel eine Entlastungssituation ist, da geht es eigentlich nicht um Wichtiges, wir können uns an diese Effekte und diese Technik gewöhnen, und in zwanzig Jahren werden sie ganz andere, viel handlungsrelevantere Folgen für unseren Alltag haben, glänzend. Und ich habe es sehr genossen."
Und noch einer hat etwas sehr genossen.

Olympische Spiele im Krisenland Brasilien

TV-Reporter: "Das Ergebnis, es könnte da sein, und es ist perfekt: Gold, das ist Gold. Gold für Fabian Hambüchen, es reicht …"
Bei den Olympischen Spielen ist er der Herr der Lüfte: Fabian Hambüchen. Mit seiner großartigen Flugshow am Reck sorgt er aus deutscher Sicht für den emotionalen Höhepunkt der Spiele.
Reporter: "Zum Abschluss seiner unternationalen Karriere: der Turnfloh, jetzt der Turnriese. Gold für Fabian Hambüchen am Reck."
Helden wie ihn gibt es nur wenige in den 16 Tagen im August. Richtige Olympia-Euphorie will in Rio de Janeiro nicht aufkommen. Aus zwei Gründen.
Erstens: die Sportler stehen unter Generalverdacht. Leisten sie Übermenschliches, fragt jeder gleich: hat er oder sie gedopt? Doch selbst wenn – bestraft würden sie ja nicht. Das Internationale Olympische Komitee lässt einen Großteil der russischen Sportler in Rio starten. Obwohl es stichhaltige Indizien auf Dopingmanipulationen im großen Stil gibt.
Blick auf das Maranaca-Stadion in Rio de Janeiro.
Blick auf das Maracana-Stadion in Rio de Janeiro. © dpa picture alliance/Nicole Becker
Zweitens: während der gesamten Spiele bleibt das Gefühl, am falschen Ort zu sein. Rio de Janeiro, das nach den Spielen auf einem Großteil der Kosten sitzen bleibt, Brasilien, das in einer fundamentalen politischen und wirtschaftlichen Krise steckt.
TV-Reporter: "Jetzt gib alles, jetzt zeig's ihnen. Das ist der Moment. Jawoll! (Jubel) Er kann’s! Er kann’s! Er kann’s, wenn es gefordert ist!"
Überraschende Erfolge wie der von Christoph Harting im Diskuswerfen sind die Ausnahme. Das deutsche Olympia-Team ist nicht so erfolgreich wie gewünscht. 42 Medaillen sind es am Ende. Nur in Peking 2008 holte die deutsche Mannschaft weniger Edelmetall.

In Mecklenburg-Vorpommern wird die AfD zweitstärkste Fraktion

Im September wird in Deutschland wieder gewählt. Zunächst in Mecklenburg-Vorpommern. Dort feiert die AfD ihren größten Wahlerfolg in diesem Jahr. Noch vor der CDU wird sie zweitstärkste Fraktion im Landtag.
Bürger: "Ja, vor Glück habe ich geweint. Wie nach dem Mauerfall. Endlich. Die zweite Wende passiert jetzt hier."
Leif-Erik Holm, AfD-Landeschef Mecklenburg-Vorpommern: "Vielleicht ist es das, der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels."
Der Spitzenkandidat der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm (M) und die beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (l) und Beatrix von Storch (r) in Schwerin.
Der Spitzenkandidat der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm (M) und die beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (l) und Beatrix von Storch (r) in Schwerin.© dpa-Bildfunk / Daniel Bockwoldt
Mit ihrer Kritik am Establishment und den etablierten Parteistrukturen sind die Rechtspopulisten auch in Deutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der Soziologe Oskar Negt warnt davor, dass die Stimmung in der Demokratie kippen könnte.
"Die Neonazitruppen der Nachkriegszeit hatten keinen Massenanhang. Das hat sich verändert, und das ist das Gefährliche. Und dieser Massenanhang, der entsteht gewissermaßen, schiebt sich immer weiter ins Zentrum durch freie Wahlen. Das heißt, hier entsteht eine Bewegung, die im Grunde Demokratie abschafft mit den Mitteln der Demokratie."

Dramatische Verluste der CDU in Berlin

Am 18. September wählt Berlin ein neues Abgeordnetenhaus. Wieder verliert die CDU dramatisch. Die Bundeskanzlerin räumt zum ersten Mal ein, Fehler gemacht zu haben in der Flüchtlingspolitik.
Angela Merkel: "Wenn ich könnte, würde ich die Zeit um viele, viele Jahre zurückspulen, um mich mit der ganzen Bundesregierung und allen Verantwortungsträgern besser vorbereiten zu können auf die Situation, die uns dann im Spätsommer 2015 eher unvorbereitet traf."
Sie distanziert sich sogar von ihrem berühmten Satz "Wir schaffen das". Der sei nur noch eine "Leerformel", sagt sie. Selbstkritisch blickt sie auf die von ihr maßgeblich geprägte Willkommenskultur.
"Ich stehe voll zu diesen Entscheidungen, aber es hat letztendlich dazu geführt, dass wir eine Zeit lang nicht ausreichend Kontrolle hatten, und deshalb ist es wichtig, jetzt zu sagen, wir arbeiten mit voller Kraft darauf hin, dass sich so etwas nicht wiederholt, niemand will das und auch ich will nicht, dass sich das wiederholt, weil wir aus der Geschichte gelernt haben."
Symbolbild: eine Mauer in Schwarz-Rot-Gold mit Rissen, darauf der Schriftzug "Wir schaffen das" und ein Hand mit Daumen nach unter in den Farben der Europäischen Fahne.
Ein einfacher Satz ist zum Symbol des Streits um Flüchtlinge und Einwanderung geworden.© imago / Ralph Peters
Angela Merkel gibt sich bürgernah. Das Kalkül dahinter scheint klar. Sie will den ewigen Stänkerer aus München, Horst Seehofer, ruhig halten, vor allem aber den Rechtspopulisten Paroli bieten. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer tut das auf seine Weise:
"Das Schlimmste ist ein Fußball spielender, ministrierender Senegalese. Der über drei Jahre da ist. Weil, den wirst du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht. Sondern er ist Wirtschaftsflüchtling."

Albtraum und Hölle in Syrien

Korrespondent: "(Schüsse) Die Kämpfe gehen weiter. In Aleppo liefern sich die Truppen von Machthaber Assad heftige Gefechte mit den verschiedenen Truppen von Regierungsgegnern."
Fünf Jahre dauert mittlerweile der Krieg in Syrien. Im Herbst wird er zum Albtraum. Die Stadt Aleppo zur Hölle.
Korrespondent: "Schätzungen zufolge befinden sich immer noch mehr als 250.000 Menschen in den eingekesselten Stadtteilen, die Vereinten Nationen warnten heute erneut eindringlich vor einer humanitären Katastrophe."
Ein Bild, das zur Zeit um die Welt geht: ein verwundeter Junge, der aus einem zerstörten Gebäude in Aleppo gerettet wurde, sitzt in einem Krankenwagen. Das Bild wurde von der Aktivistengruppe Aleppo Media Center zur Verfügung gestellt.
Ein Bild, das zur Zeit um die Welt geht: ein verwundeter Junge, der aus einem zerstörten Gebäude in Aleppo gerettet wurde. Das Bild wurde von der Aktivistengruppe Aleppo Media Center zur Verfügung gestellt.© dpa
Das Bild des fünfjährigen Omran gibt dem Krieg ein Gesicht. Starr vor Angst sitzt er in einem Krankenwagen. Keine Regung. Nur einmal: da wischt er sich das Blut aus dem Gesicht.
Korrespondent: "Children ask us: why? We ask: why?"
Machtlos schauen die Vereinten Nationen dem Kriegstreiben zu. Jeder Versuch, wenigstens eine längere Feuerpause oder den Transport humanitärer Hilfeleistungen zu erwirken, scheitert im Sicherheitsrat am Veto Russlands.
Korrespondent: "'Stellt euch vor, ihr sitzt in Aleppo im Keller, es riecht nach Urin, Blut, dem Erbrochenen derer, die sich vor Angst übergeben haben.' 'Stellt euch vor, ihr grabt mit bloßen Händen im Schutt nach eurem Kind, hört nur die Schreie, seht nichts vor Staub und Asche.' Der UN-Nothilfekoordinator sagt das den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates, die das Grauen in bequemen Sesseln verwalten. Aleppo, ist halt Krieg, da stirbt man schon mal, so wie im Jemen, in Mossul, im Südsudan, in Somalia, Libyen, sind wir wirklich so zynisch geworden?"

Die Stellschrauben der Weltpolitik werden woanders gedreht

Im Dezember nimmt die Tragödie ein vorläufiges militärisches Ende. Aleppo fällt. Assad siegt. Die Schlacht um die Stadt zeigt auf brutale Art und Weise, dass sich für Diktatoren Kriegsverbrechen lohnen.
Wolfram Eilenberger: "Und das ist für einen Kontinent wie Europa, der seit 500 Jahren gewohnt ist, das Weltgeschehen zu steuern, eine sehr kränkende, eine sehr bittere Einsicht, die viele Menschen noch gar nicht vollzogen haben, dass die maßgeblichen Stellschrauben dessen, was Weltpolitik ist, sich von Europa immer weiter weg bewegen."
Günter Öttinger: "Letzte Woche waren die chinesischen Minister bei uns."
Günter Oettinger
Günter Oettinger© imago stock & people
Vielleicht ist es die Furcht vor dieser Art von Bedeutungsverlust, die EU-Kommissar Günter Öttinger umtreibt, als er am 26. Oktober vor Hamburger Unternehmern eine bemerkenswerte Rede hält.
"Letzte Woche waren die chinesischen Minister bei uns. Neun Männer, eine Partei. Keine Demokratie, keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig, (leichte Unruhe) alle Anzug, Einreiher dunkelblau, alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt."
Und dann führt er aus, dass künftig "Schlitzaugen und Schlitzohren" die Regeln bestimmten, sollte Europa weiterhin nicht in der Lage sein, Freihandelsabkommen erfolgreich zu verhandeln.
"Schlitzaugen", "Schuhcreme"? Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums erwidert: Öttingers Bemerkungen würden verdeutlichen, dass manche westliche Politiker, Zitat: "ein irritierendes Gefühl der Überlegenheit haben".
In typischem Öttinger-Schwenglisch entschuldigt sich der EU-Kommissar bei den Chinesen:
"That was not as respectful as it should have been. I was frank and open. It was a speech wet out, but 'frei von der Leber' as we say in German."

Unerwarteter Wahlsieg des Politamateurs

Donald Trump: "We are going to make America great again but we are going to do it in the old-fashioned way. We’ll be going to beat China, Japan, we are going to beat Mexico in trade, we are going to beat all of these countries, that are taking so much of our money away from us."
("Wir werden Amerika wieder groß machen. Wir werden China, Japan, auch Mexiko wirtschaftlich schlagen, wir werden alle Länder besiegen, die so viel von unserem Geld nehmen.")
Der US-Wahlkampf spaltet die Nation. Am frühen Morgen des 9. November, nach deutscher Zeit, wird immer klarer: Donald Trump schafft die Sensation.
Trump-Fan: "It’s electric, amazing, he’s gonna change the world. And he’s gonna change America, it will be great."
Frau: "Ja, um ehrlich zu sein, sind wir hergekommen, weil wir gesehen haben, dass Trump in Führung ist, und dann haben wir gedacht, wenn die Welt untergeht, müssen wir unter anderen Gleichgesinnten sein."
Donald Trump steht am 20. November 2016 vor der Tür am Klubhaus des Trump International Golf Club, in Bedminster Township, New Jersey, USA
Donald Trump am 20. November 2016© dpa / picture-alliance / Peter Foley
Donald Trump, Immobilienmogul und TV-Trash-Star, vulgär und unberechenbar, Ich-AG und fleischgewordener Zorn auf das Establishment, wird zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.
Donald Trump: "It’s been what they call a historic event. But to be really historic, we have to do a great job. And I promise you, that I will not let you down. We will do a great job. (Jubel)"
Korrespondent: "Trump jump statt Trump dump. Die Wall Street feiert den kommenden Präsidenten Trump, während die Demonstranten auf den Straßen von New York 'du bist nicht Amerika' brüllen."
Der Erfolg Donald Trumps gegen Hillary Clinton ist ein Sieg der Protest- und Nichtwähler. Überall im Land das gleiche Muster: die Städter votieren für Clinton, die Landbevölkerung für Trump, die Minderheiten für die Demokraten, die weiße Bevölkerung mehrheitlich für die Republikaner.
Trump: "I'm going to be the greatest jobs president that God ever created. Remember that."

Trumps Skandale schaden ihm nicht - im Gegenteil

Zu Beginn des Wahlkampfs wird Trump belächelt. Kaum jemand räumt ihm Chancen ein, die ersten Vorwahlen zu überstehen. Ihn stört das nicht. Er provoziert, beleidigt, lügt. Die Leute sind fasziniert von seiner Plumpheit. Die Fernsehsender zeigen jeden seiner Auftritte. Trump, der Medienprofi, spielt ein perfektes Spiel.
Trump: "Grab'em by the pussy."
Er erlebt Situationen, die jedem anderen Präsidentschaftskandidaten alle Chancen auf den Sieg nehmen würden.
Trump: "Grab'em by the pussy."
So dringt ein elf Jahre altes Video an die Öffentlichkeit, in dem Trump damit prahlt, ein solcher Star zu sein, dass er Frauen küssen oder ihnen einfach "an die Muschi fassen" könne.
Trump: "Grab'em by the pussy."
Selbst dieser Skandal hinterlässt kaum Wirkung. Die Umfragewerte gehen kurz in den Keller, dann ist Trump wieder obenauf. Seine Wähler folgen ihren Gefühlen, nicht den Fakten. Und schon gar nicht den Institutionen, die diese Fakten kommunizieren und in ihren Augen ohnehin von oben gelenkt sind.
Wolfram Eilenberger: "Tatsächlich muss man sagen, dass in dem neuen medialen Umfeld diese Tabubrüche von Herrn Trump sehr effektive Aufmerksamkeits-ökonomische Manöver waren. Er hat es also geschafft, den Diskurs wie auch immer auf sich zu zentrieren, und genau das will er, und ich glaube, diese Lektion muss noch gelernt werden, gerade mit der Explosivität und der Geschwindigkeit der sozialen Netzwerke."

Wahlsieg durch Soziale Medien?

Das ist zweifellos eines der Erfolgsgeheimnisse der Trump-Kampagne. Über Facebook erreicht der Präsidentschaftskandidat zehn Millionen Amerikaner direkt, seine Kontrahentin nur die Hälfte. Bis zum Wahltag setzt Trump zudem 34.000 Tweets ab, Clinton noch nicht einmal 10.000.
Angela Merkel: "Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden. Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen..."
Das politische Berlin ist geschockt. Selbst der Brexit erscheint beherrschbarer als die Beziehung zum neuen starken Mann im Weißen Haus, der auf keinerlei politische Erfahrung verweisen kann.
Angela Merkel: "… auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an."
Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Merkel
Bundeskanzlerin Merkel, hier bei ihrer Neujahrsansprach© Markus Schreiber/POOL AP/dpa
Westeuropa und Deutschland stehen unruhige Zeiten bevor, womöglich eine Zeitenwende. Der Philosoph Wolfram Eilenberger erkennt daran, wie fragil unser System geworden ist, wie schnell es passieren kann, dass die politische Wirklichkeit in unseren Lebensalltag eindringt.
Wolfram Eilenberger: "Es gibt zumindest drei große Lebenslügen, die im Jahr 2016 zusammengebrochen sind und die für meine Generation die letzten Jahrzehnte fast prägend waren. Da wäre zum einen: man kann ja einfach mal anfangen mit der Wahl von Donald Trump. Ich glaube, eine zentrale Lebenslüge meiner Generation ist, dass unser Kontinent Europa oder unser Land Deutschland für seine eigene Sicherheit aufkommen kann und sorgen kann. Und mit der Wahl eines Präsidenten, der sich von der NATO stark distanziert und signalisiert, dass er sich für Europas Belange militärisch weniger einsetzen will, müssen wir uns alle eingestehen, dass wir ein Kontinent und ein Land sind, das sich selbst nicht verteidigen kann und seine Sicherheit bisher von den USA geborgt hat. Das ist eine sehr unbequeme Einsicht, der wir uns aber jetzt stellen müssen."

Zahlreiche prominente Tote

Fidel Castro: "A todos nos llegará nuestro turno."
Jeder ist mal dran zu sterben, sagt der Máximo Lìder Fidel Castro.
Castro: "Pero quedarán las ideas de los comunistas cubanos."
Aber die Ideen der kubanischen Kommunisten, die werden bleiben.
In den Straßen von Santiago de Cuba warte Menschen auf die Urne mit der Asche von Fidel Castro.
In den Straßen von Santiago de Cuba warte am 4.12. 2016 Menschen auf die Urne mit der Asche von Fidel Castro. © dpa, picture-alliance MAXPPP
Fidel Castro gehört zu den prominentesten Personen der Zeitgeschichte, die in diesem Jahr gestorben sind.
Auch David Bowie, Prince und Leonard Cohen, Manfred Krug, Bud Spencer und Johan Cruyff sind nicht mehr unter uns.
Die FDP verliert in diesem Jahr gleich vier prägende Gesichter: Guido Westerwelle, Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel und Hildegard Hamm-Brücher.
Ein Leichenwagen mit dem Sarg von Muhammad Ali fährt durch Louisville
Der Trauerzug für Muhammad Ali in Louisville am 10.6.2016© AFP / JIM WATSON
Und am Ende gilt es zwei Tote zu ehren, die durchaus als Großmaul bezeichnet werden dürfen: den weltbesten Boxer Muhammad Ali,
Ali: "I am the greatest!"
Und den besten Tatort-Kommissar aller Zeiten: Götz George als Horst Schimanski.
Schimanski: "Für mich ist die ganze Welt ein großer Arsch. Und die rechte Arschbacke sind die Amerikaner, ja? Die linke Arschbacke, das sind die Russen, und wir hier in Europa, wir sind das Arschloch."
Zugegeben: klingt etwas rabaukig. Aber passender kann man die aktuelle Weltlage doch kaum kommentieren. Nur: ist das jetzt mehr gefühlte Wahrheit, also postfaktisch? Oder spiegelt es die tatsächlichen Machtverhältnisse wider, ist also die faktische Wahrheit? Bestimmt liegt die Antwort irgendwo dazwischen.

"Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung" als Wort des Jahres

Angela Merkel: "Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser zugegeben komplizierten Phase besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind."
Kurzer Nachtrag: in Deutschland ist 'postfaktisch' das Wort des Jahres. Und in Österreich?
Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung.
Wie bitte?
Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung. – Von der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch der Universität Graz per Online-Voting ermittelt.
Ah ja. Danke.
Bitte.
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