Der Mohamed-Salah-Effekt

Muslimischer Fußballstar lässt Hasskommentare schwinden

05:08 Minuten
Mohamed Salah wird beim Spiel von seinen Fans bejubelt.
Liebling der Fans: Die Anhänger des FC Liverpool feiern den ägyptischen Spieler Mohamed Salah wegen seiner Tore. © imago images/Action Plus/David Blunsden
Von Kristin Langen · 01.09.2019
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Seit der ägyptische Superstar Mohamed Salah für den Verein Tore schießt, sind die anti-muslimische Kommentare von Liverpool-Fans stark zurückgegangen, das zeigt eine Universitätsstudie. Doch der sogenannte Salah-Effekt hat auch eine negative Seite.
Anfang Juni 2019 beim Champions-League-Finale zwischen FC Liverpool und Tottenham Hotspur. Zweite Minute: Mohamed Salah, der ägyptische Stürmer, verwandelt den einen Elfmeter und bringt Liverpool in Führung. Die Fans toben. "Wenn er noch ein paar Tore schießt, werde ich auch zum Muslim. In einer Moschee möchte ich sitzen", singen die englischen Fans. Gesänge, die aufhorchen lassen. In einem Land, in dem Gewalttaten und Kommentare, die sich gegen Muslime und den Islam richten, seit Jahren zunehmen.
"Das sind zwar nur Gesänge, aber dahinter steht etwas Tieferes", erklärt Politikwissenschaftler Ala‘ Alrababa'h. "Es zeigt uns, wie sehr die Liverpool Fans Salah lieben, wie viel sie mit ihm teilen und wie wichtig er ihnen ist. Und es zeigt, dass sie sich bewusst sind, wie wichtig die Religion für Salah ist und damit wird sie auch wichtig für sie. Diese Art des Ausdrucks geht gegen einen Trend, den wir in vielen europäischen Ländern sehen. Das ist so faszinierend daran."

Halb so viele anti-muslimische Kommentare

Der Politikwissenschaftler von der Universität Stanford hat am Beispiel von Mohamed Salah den Einfluss bekannter Persönlichkeiten auf anti-muslimische Ressentiments in der Bevölkerung untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass seit Salahs Vertragsabschluss Hassverbrechen in Merseyside, der Heimat des FC Liverpool, um fast 19 Prozent gesunken sind. Hassverbrechen sind strafrechtliche Delikte, bei denen die Polizei einen klaren Hinweis darauf hat, dass das Opfer aufgrund seiner ethnischen, religiösen oder sexuellen Identität angegriffen wurde.
Während Hassverbrechen abgenommen haben, ist die allgemeine Kriminalitätsrate im selben Zeitraum etwa stabil geblieben. Die Studie macht zudem deutlich: Anti-muslimische Tweets von Liverpool-Fans sind, seit Salah für den FC Liverpool spielt, um circa die Hälfte zurückgegangen.
"Was man hier im Hinterkopf behalten muss, ist, dass Salah Araber ist: Er ist Muslim, sein Name ist Mohamed, er ist Ägypter, er spricht mit Akzent", erklärt Ala‘ Alrababa'h. "Es gibt viele europäische muslimische Spieler in der Champions League und allgemein in europäischen Mannschaften. Aber, was bei Salah anders ist, ist, dass er aus dem Ausland kommt. Eine andere Sache, die ihn von anderen Spielern unterscheidet ist, dass er in den Medien positiv besprochen wird und, dass er keine politisierte Person ist."

Kicken im Wedding

Berlin-Wedding: Normalerweise kicken Jugendliche aller Hautfarben und kultureller Hintergründe hier gemeinsam, heute vertreiben sie sich die Zeit auf ihren Fahrrädern. Diskriminierungserfahrung haben sie bisher laut eigener Aussage nicht gemacht.
Auf einer Tischtennisplatte unweit des Fußballplatzes sitzt Mohammed, Berliner, Rapper und Muslim. Früher hat auch er viel Fußball gespielt, heute weniger. Dass die Liverpooler Fans ihre Gesänge ernst meinen, kann er kaum glauben.
"Bei einem einzigen Spieler? Das ist schon krass! Also, es ist schon traurig, dass man erst einmal da ankommt, erstmal bei Mohamed Salah. Also, wenn Mohammed Salah ein Tor schießt, dann sind wir Muslims. Das denk ich mir auch nicht. Also, das kauf ich denen auch nicht ab."

Mehr anti-muslimische Rhetorik bei den Gegnern

Ein einziger Spieler hat anti-muslimische Online-Hasskommentare von Liverpool Fans um die Hälfte reduziert. An der Freien Universität Berlin forscht die Politikwissenschaftlerin Sabine Achour zu Migrationsfragen:
"Der Salah-Effekt ist definitiv ein zweischneidiges Schwert. Sobald er sich irgendeine menschliche Schwäche zukommen lässt, ist schon absehbar, dass die Ablehnung sehr stark ist. Und was man bei diesem Salah-Effekt auch nochmal merkt, ist, dass dann Fans anderer Mannschaften das für sich auch instrumentalisieren, um anti-muslimische Äußerungen öffentlich zu machen."
Während anti-muslimische Hasskommentare unter Liverpool-Fans seit Salahs Vertragsabschluss zurückgingen, zeigt die Studie, dass gleichzeitig eine anti-muslimische Rhetorik bei Fans anderer Teams leicht zunahm. So beeindruckend der Salah-Effekt ist, so gefährlich scheint er also auch.
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