Der Garten im Sack

Von Antje Diekhan |
Im größten Slum von Nairobi steht inzwischen vor vielen Hütten ein Sack mit Setzlingen. So können auf kleinstem Raum Tomaten, Zwiebeln und Kohl angebaut werden. Für die Slumbewohner, die sich angesichts steigender Lebensmittelpreise kaum noch Obst und Gemüse leisten können, eine willkommene Bereicherung ihres ansonsten sonst recht tristen und vitaminarmen Speiseplans.
Fatuma sticht beherzt den Spaten in den Boden. Die 35-Jährige schaufelt Erde in einen großen weißen Sack. Daraus soll einmal ein Gemüsegarten werden.

"Ich pflanze Grünkohl, Spinat und Tomaten","

sagt sie.

Fatuma wohnt in Kibera, dem größten Slum in Kenias Hauptstadt Nairobi. Geschätzt etwa eine Million Menschen drängen sich hier auf engstem Raum, die Mehrheit lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das Projekt mit dem Garten im Sack soll ihnen helfen, sich gesünder zu ernähren. Einer der Initiatoren ist Sam Warere:

""Wir haben uns klar gemacht, dass zwischen den Hütten in Kibera kaum Raum ist. Dann sind wir auf die Idee mit den Säcken gekommen. Die nehmen nur sehr wenig Platz ein."

In Kenia haben die Preise für Nahrungsmittel in den vergangenen drei Jahren deutlich angezogen. Gerade in den Slums kann es sich kaum jemand leisten, Gemüse oder Obst zu kaufen. Auch Fatuma kocht zurzeit für ihre beiden Töchter fast nur Ugali – einen Brei aus Maismehl, der satt macht, aber ohne Beilagen wenig Nährstoffe enthält:

"Alles kostet das Doppelte oder Dreifache","

sagt sie.

""Oft gibt es in den Läden auch nicht genug. Dann bekommt man nichts mehr. Alles ist so schwierig geworden."

Zusammen mit anderen Frauen lernt Fatuma jetzt, wie sie das Nötigste selbst in den Säcken anpflanzen kann. Sam Warere und seine Organisation versuchen, möglichst viele Familien in Kibera zu erreichen:

"Wir fordern jeden Haushalt auf, sich zumindest drei Säcke abzuholen. Wer noch mehr haben möchte, kann sie gerne bekommen. Es gibt eine große und eine etwas kleinere Ausgabe der Säcke. Im großen haben 30 Setzlinge Platz, im kleineren zwischen 20 und 25."

Die Organisation stellt die Pflanzen. Eingesetzt werden sie nicht nur von oben. Die Frauen schneiden Löcher seitlich in die Säcke, um noch mehr Gemüse zu ziehen. Fatumas Kinder können sich demnächst wieder auf reichhaltigere Mahlzeiten freuen:

"Ich bin dankbar für dieses Projekt. Wir haben nicht genug Geld, um Essen zu kaufen. Und jetzt haben wir unser eigenes Gemüse. Das hilft uns wirklich."

Der Gemüsegarten im Sack – er hat Fatuma wieder Hoffnung gebracht. Sam Warere macht sich aber keine Illusionen. Ein Großteil der Slumbewohner ist weiter unterversorgt:

"Mehr als 50 Prozent der Haushalte in Kibera müssen mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen. Die Bevölkerung hier ist riesig. Wir können nicht jeden Haushalt erreichen. Um die Ernährung zu sichern, muss noch viel getan werden."
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