Der Fall Bödecker und das Berliner Schloss

Distanzierung vom Patriarchen

04:29 Minuten
Blick auf das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss mit dem Humboldt-Forum.
Geschichtsrevisionistische und antidemokratische Positionen soll der Großspender des Schloss-Wiederaufbaus in Berlin, Ehrhardt Bödecker, vertreten haben. © imago images / Hoch Zwei Stock / Angerer
René Schlott im Gespräch mit Jana Münkel · 04.11.2021
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Die Plakette zu Ehren Ehrhardt Bödeckers, eines Großspenders für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, soll weg. Das fordert dessen Familie, nachdem antisemitische Äußerungen Bödeckers bekannt wurden. Der Historiker René Schlott begrüßt diese Haltung.
Der 2016 verstorbene Großspender für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, Ehrhardt Bödecker, soll sich in Vorträgen und Schriften wiederholt antidemokratisch und antisemitisch geäußert haben.
Entsprechende Medienberichte der vergangenen Tage wurden jetzt vom Sohn und der Schwiegertochter Bödeckers im Grundsatz bestätigt. So enthielten Schriften und Vorträge Bödeckers Thesen und Formulierungen, "die falsch und teils sogar rechtsextrem sind", heißt es in einem Schreiben an die Stiftung Humboldt Forum. Man habe davon aber bisher keine Kenntnis gehabt. Gleichzeitig betonte die Familie, man lehne Antisemismus und Geschichtsrevisionismus klar ab, und forderte die Stiftung auf, das Porträt-Medaillon zu Ehren des Spenders im Foyer des Humboldt-Forums abzunehmen.
Der Historiker und Publizist René Schlott begrüßt die Reaktion der Familie als "beispielgebend" – auch, dass sie so schnell kam. "Oft ist es ja so, wenn jemand aus der Familie angegriffen wird, dann wird erstmal nach außen abgeschottet, es wird verteidigt, es wird beschönigt, es wird verschwiegen", sagt Schlott.

Immer mehr Institutionen stellen sich ihrer Vergangenheit

Vielleicht ist die Haltung der Familie aber auch Ausdruck eines neuen Umgangs mit der NS-Vergangenheit: "Wir sehen ja, dass schon seit längerer Zeit etwas in Bewegung geraten ist", sagt Schlott. Immer mehr Firmen und Institutionen wollten sich ihrer Vergangenheit stellen. "Jetzt zuletzt hat das Bundespräsidialamt Historiker damit beauftragt, sich die Geschichte genauer anzuschauen."
Er sei gespannt, wie die Stiftung im Fall Bödecker jetzt reagiere. Sie habe angekündigt, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die Angelegenheit klären solle. "Aber ich glaube, das kann man jetzt tatsächlich abkürzen, auch diese Debatte - die ist ja relativ fruchtlos - , indem man diese Plakette jetzt abhängt."

René Schlott ist Historiker und Publizist in Berlin. Er wurde 1977 in Mühlhausen geboren und studierte nach einem Diplom der Betriebswirtschaft Geschichte, Politik und Publizistik in Berlin und Genf. 2011 wurde er mit einer kommunikationshistorischen Arbeit an der Universität Gießen promoviert. Er ist Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.

Die gesamte Sendung "Der Tag mit René Schlott" hier zum Nachhören: [AUDIO]
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