Die EU im Spiegel der Popmusik

Vom Trans-Europa-Express bis zur Festung Europa

06:09 Minuten
Eine Folie mit der EU-Flagge ist am Gebäude des Europaparlament in Brüssel befestigt.
Gebäude des EU-Parlaments in Brüssel: Wie wird der europäische Gedanke in der Popmusik thematisiert? © picture alliance / Daniel Kalker
Von Goetz Steeger · 09.05.2022
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Der 9. Mai ist der Tag der Europäischen Union. Von Kraftwerk, Falco bis Billiy Bragg haben in der Popmusik so einige die europäische Idee aufgegriffen. Ganz aktuell die Kölner Band Erdmöbel mit ihrem Song „Wir sind nicht das Volk (Lass sie rein)“.
Wenige Zeilen reichen der Band Erdmöbel als unmissverständliches Statement für eine offene Gesellschaft und zu einem dem europäischen Gedanken würdigen Umgang mit Geflüchteten.
Die ursprüngliche Idee sei bereits 2019 entstanden, angeregt durch den Song eines Kollegen, wie Erdmöbel-Bassist Ekki Maas erzählt. „Es gibt einen Song von Stoppok, der heißt ‚Lass sie rein‘. Ich hatte dann kurz vor der Pandemie die Idee, dass ich alle, meine ganzen Kollegen fragen würde, ob sie alle einen Song schreiben, wo der Refrain ‚Lass sie rein‘ ist.“

Ein Lied gegen Nationalismus

Aber dann kam die Pandemie und es schien aussichtslos, die Öffentlichkeit mit so einem Song zu erreichen, dann hielt man den Moment durch den Krieg zunächst für ungeeignet.
„Dann haben wir aber noch mal nachgedacht und festgestellt, der passt eigentlich sehr, sehr gut, der Song, weil er sich nämlich gegen Nationalismus richtet“, erinnert sich Ekki Maas: „Was wir allerdings festgestellt haben, ist, dass das Thema Flüchtlinge zurzeit gar nicht kontrovers ist – das Lied ist Konsens, was seltsam ist, aber auch sehr gut ist.“
Sänger Markus Berges fügt noch etwas Wesentliches hinzu: “Für alle Flüchtlinge und für Solidarität mit allen Flüchtlingen. Ich glaube, das ist jetzt auch noch mal eine Stimme und eine Botschaft, die gerade gut und wichtig ist.“

Politik in der Schlagerwelt beim ESC

Lieder, die das europäische Lebensgefühl glamourös abbilden, unbeschwert und bitte ohne Politik, das war seit den 50er-Jahren der Gedanke des Eurovision Song Contest.
Weder Politik, noch gesellschaftliche Strömungen ließen sich aber auf Dauer ausblenden, die Friedensbewegung fand sich dort runtergebrochen auf eine heile Schlagerwelt durch Nicoles „Ein bißchen Frieden“ wieder, im Jahre 1982.
Und Diversität wurde dort in den letzten Jahren durch Teilnehmer*innen wie Conchita Wurst immer sichtbarer.

Kraftwerk – europäische Band mit deutschen Pässen

Bei Kraftwerk hieß es: „Kraftwerk is a European Band with German Passports.“
1978 kam von Kraftwerk mit das erste Plädoyer im Pop für ein vereinigtes Europa ohne Grenzen, in dem man mit dem TEE, dem Trans Europa Express, von einer Metropole in die Nächste fahren kann.

Falco gegen die Reaktionären

Den überholten Nationalisten den Wind aus den Segeln nehmen, das sollte die Dame Europa jetzt und heute und sofort in Falcos Hymne "Europa" Jahrzehnte nach Kraftwerk.
Eine offene Gesellschaft, für die, die dazugehören.

Asian Dub Foundation und die Festung Europa

Von außen entsteht im Laufe der 90er immer mehr ein anderes Bild, das der Festung Europa, die sich nach außen abschottet. „Keep banging on the walls of Fortress Europe“ besingt es die Asian Dub Foundation im Jahre 2003.
Im nächsten Jahr wurde die Agentur Frontex gegründet, zuständig für den Schutz der EU-Außengrenzen, in Verruf geraten durch Praktiken, die den Tod vieler in Kauf nehmen – zum Beispiel Pushbacks ins offene Meer.

Ertrunken auf dem Weg in die EU

Die vielen Ertrunkenen auf dem Weg nach Europa sind immer wieder Thema im Pop, zum Beispiel bei M.I.A.‘s Hit „Borders“.
Aus demselben Jahr nämlich 2016 stammt dieser Track von Kae Tempest, der ein düsteres Bild der Wohlstandsverwahrlosung einer Gesellschaft zeichnet, die sich bar jeder Empathie nur noch um sich selbst dreht: „Europe Is Lost“.
2016 war auch das Jahr der europäischen Erschütterung durch das Brexit-Referendum. Ein bis heute andauernder Schock für den britischen Pop, auch in ökonomischer Hinsicht, der in vielschichtigster Form thematisiert wurde, von Mick Jagger, den Sleaford Mods oder auch Billy Bragg.

Bilderbuch-Europäer

Bilderbuch plädierten 2019 für ein offenes Europa: „Check your identity, be part of the European Family!“ – auf einer eigens dafür gebauten Website bilderbucheuropa.love kann man sich seinen eigenen fiktiven europäischen Pass herunterladen.
„Ein Leben ohne Grenzen, eine Freedom zu verschenken“ heißt es in Bilderbuchs „Europa 22“.

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Markus Berges von Erdmöbel sagt, wie Europa aus seiner Sicht sein beziehungsweise nicht sein sollte: „Nicht ein Europa für die Reichen und auch nicht für die reichen Staaten.“
Er sieht aber auch einen Funken Hoffnung im Angesicht des Ukraine-Kriegs: „So beschissen diese Situation jetzt ist. Diese Form der Solidarität für die Bewahrung der Freiheit ist vielleicht ein kleiner, winziger guter Anfang.“

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