Der Doktortitel ist der Ersatzadel der Deutschen
In Deutschland verlängern viel zu viele Studenten ihre ohnehin schon lange Studienzeit, nur um am Ende jene beiden magischen Buchstaben D und R vor den eigenen Namen setzen zu dürfen. Schluss damit! - fordert Konstantin Sakkas.
Ein Ergebnis der Plagiatsdebatte steht jetzt schon fest: In Deutschland wird zuviel promoviert. Der deutsche Akademiker durchläuft heute in der Regel nicht eine, sondern drei Schullaufbahnen: die eigentliche Schule, dann das Studium, und schließlich die Promotion.
Wer glaubt, dass eine Doktorarbeit - klassisch und ideal - mit Forschen "in Einsamkeit und Freiheit" zu tun hat, wird durch die universitäre Realität schnell eines besseren belehrt: Man promoviert, um Karriere zu machen, oder um die immer größer werdende Zeitspanne zwischen Hochschulabschluss und Berufseinstieg finanziell zu überbrücken.
Die Folge sind schludriges Arbeiten, schlechter Stil und eben auch - wie die Plagiatsaffären zeigen - Unterschleif und Fälschung. Keine Frage: es gibt Doktoranden mit hehren wissenschaftlichen Zielen, es gibt bahnbrechende Erkenntnisse, insbesondere in Medizin und Naturwissenschaften, und es gibt Arbeiten, die man auch in zwanzig Jahren noch lesen wird. Aber sie sind die Ausnahme.
Der Doktortitel ist der Ersatzadel der Deutschen. Man schaue sich nur einmal die Liste der Bundestagsabgeordneten oder die deutscher DAX-Vorstände an: Sie mögen studiert haben, was sie wollen, Doktoren sind sie fast alle. In den USA oder Großbritannien ist das anders: Dort reicht der Studienabschluss, der schließlich aufs Berufsleben vorbereiten soll.
Nur in Deutschland verlängern Studenten die ohnehin schon viel zu lange Studienzeit, um am Ende jene beiden magischen Buchstaben D und R vor den eigenen Namen setzen zu dürfen, mit denen sich einfach viel leichter Karriere machen lässt. Das ist Unsinn, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, in denen die akademische Hauptleistung während des Studiums erbracht werden soll und auch kann.
Anders sieht es in den Naturwissenschaften aus, in der Pharmazie zum Beispiel: Wer etwa an einem neuen Krebsmedikament forscht, kann das schlechterdings nicht als Student tun. Er braucht einen anderen Status, ein anderes Budget, andere Instrumente, eine andere institutionelle Einbindung, um seiner Arbeit nachgehen zu können.
Das wäre auch in der Medizin so, würden in diesem Fachbereich nicht die meisten Promotionen um der Karriere willen geschrieben. Der Doktortitel gilt traditionell als kaum umgehbare Voraussetzung für den beruflichen Erfolg. Entsprechend wenig verrät er über die wissenschaftliche Kompetenz seines Trägers.
Doch all die Germanisten, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, die die Mitarbeiterstäbe und Doktorandenkolloquien unserer Universitäten bevölkern, brauchen ihren Doktor nicht, jedenfalls nicht um der Wissenschaft willen. Der Promotionsbetrieb ist, seien wir ehrlich, vor allem eine riesige Versorgungsanstalt für Hochschulabsolventen; ihr wichtigster Ausweis ist nicht intellektuelle Eignung, sondern Loyalität zum Lehrstuhl und der nötige "Stallgeruch".
Das ist ungesund, denn es hält echten Forschergeist von der Promotion fern.
Das Nachsehen haben nämlich externe Doktoranden. Auf sie wurde seit dem Casus Guttenberg viel geschimpft. Dabei sind sie es, die meist wirklichen intellektuellen Ehrgeiz haben: denn sie schreiben ihre Dissertation auf sich allein gestellt, unabhängig, nicht vom Wissenschaftsbetrieb finanziell unterstützt. Der Geisteswissenschaftler arbeitet und forscht in öffentlichen Bibliotheken, braucht weder Labor noch teure Geräte.
Das institutionelle Promovieren sollte deswegen getrost den Naturwissenschaftlern überlassen bleiben. Denn in den "weichen" Wissenschaften dient es überwiegend der Pflege des universitären Klüngels: Dass es hier zu Schummelei und Plagiaten kommt, sollte niemanden wundern. Weniger Doktorarbeiten könnten mehr Qualität bieten - und würden dann auch gelesen und beachtet.
Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.
Links auf dradio.de:
Neutrales Komitee soll Doktorarbeiten bewerten - Sandra Richter, Mitglied im Wissenschaftsrat, fordert mehr Transparenz in Promotionsverfahren
Die hohen Maßstäbe der Bildungsministerin
"Weitaus strengere Regeln als in der Politik" - An der Uni Linz werden Doktoranden schon früh mit ethischen Grundsätzen vertraut gemacht
Wer glaubt, dass eine Doktorarbeit - klassisch und ideal - mit Forschen "in Einsamkeit und Freiheit" zu tun hat, wird durch die universitäre Realität schnell eines besseren belehrt: Man promoviert, um Karriere zu machen, oder um die immer größer werdende Zeitspanne zwischen Hochschulabschluss und Berufseinstieg finanziell zu überbrücken.
Die Folge sind schludriges Arbeiten, schlechter Stil und eben auch - wie die Plagiatsaffären zeigen - Unterschleif und Fälschung. Keine Frage: es gibt Doktoranden mit hehren wissenschaftlichen Zielen, es gibt bahnbrechende Erkenntnisse, insbesondere in Medizin und Naturwissenschaften, und es gibt Arbeiten, die man auch in zwanzig Jahren noch lesen wird. Aber sie sind die Ausnahme.
Der Doktortitel ist der Ersatzadel der Deutschen. Man schaue sich nur einmal die Liste der Bundestagsabgeordneten oder die deutscher DAX-Vorstände an: Sie mögen studiert haben, was sie wollen, Doktoren sind sie fast alle. In den USA oder Großbritannien ist das anders: Dort reicht der Studienabschluss, der schließlich aufs Berufsleben vorbereiten soll.
Nur in Deutschland verlängern Studenten die ohnehin schon viel zu lange Studienzeit, um am Ende jene beiden magischen Buchstaben D und R vor den eigenen Namen setzen zu dürfen, mit denen sich einfach viel leichter Karriere machen lässt. Das ist Unsinn, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, in denen die akademische Hauptleistung während des Studiums erbracht werden soll und auch kann.
Anders sieht es in den Naturwissenschaften aus, in der Pharmazie zum Beispiel: Wer etwa an einem neuen Krebsmedikament forscht, kann das schlechterdings nicht als Student tun. Er braucht einen anderen Status, ein anderes Budget, andere Instrumente, eine andere institutionelle Einbindung, um seiner Arbeit nachgehen zu können.
Das wäre auch in der Medizin so, würden in diesem Fachbereich nicht die meisten Promotionen um der Karriere willen geschrieben. Der Doktortitel gilt traditionell als kaum umgehbare Voraussetzung für den beruflichen Erfolg. Entsprechend wenig verrät er über die wissenschaftliche Kompetenz seines Trägers.
Doch all die Germanisten, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, die die Mitarbeiterstäbe und Doktorandenkolloquien unserer Universitäten bevölkern, brauchen ihren Doktor nicht, jedenfalls nicht um der Wissenschaft willen. Der Promotionsbetrieb ist, seien wir ehrlich, vor allem eine riesige Versorgungsanstalt für Hochschulabsolventen; ihr wichtigster Ausweis ist nicht intellektuelle Eignung, sondern Loyalität zum Lehrstuhl und der nötige "Stallgeruch".
Das ist ungesund, denn es hält echten Forschergeist von der Promotion fern.
Das Nachsehen haben nämlich externe Doktoranden. Auf sie wurde seit dem Casus Guttenberg viel geschimpft. Dabei sind sie es, die meist wirklichen intellektuellen Ehrgeiz haben: denn sie schreiben ihre Dissertation auf sich allein gestellt, unabhängig, nicht vom Wissenschaftsbetrieb finanziell unterstützt. Der Geisteswissenschaftler arbeitet und forscht in öffentlichen Bibliotheken, braucht weder Labor noch teure Geräte.
Das institutionelle Promovieren sollte deswegen getrost den Naturwissenschaftlern überlassen bleiben. Denn in den "weichen" Wissenschaften dient es überwiegend der Pflege des universitären Klüngels: Dass es hier zu Schummelei und Plagiaten kommt, sollte niemanden wundern. Weniger Doktorarbeiten könnten mehr Qualität bieten - und würden dann auch gelesen und beachtet.
Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.
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Die hohen Maßstäbe der Bildungsministerin
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Konstantin Sakkas© privat