Der beste Mann auf dem Platz

Rezensiert von Carsten Burtke · 26.12.2007
Schiedsrichter werden von offizieller Seite hoch anerkannt und doch auf dem Platz meist einfach nur gehasst. Hinter dem zwiespältigen Umgang mit denVertretern des Regelwerks steckt mehr: Kommerzialisierung, Beliebigkeit, Hohlheit.
"Mit einem Spiel hat Fußball nichts mehr zu tun. Das Fußballspiel ist systematisch vernichtet worden. Zuallererst und am gründlichsten von denen, die mit dem Fußball aufs engste verbunden sind. Was natürlich keinen intelligenten Menschen überrascht. Weil die sicherste Methode, eine Sache zugrunde zu richten, darin besteht, sich ihr enthusiastisch zu widmen. Immer sind es die sogenannten eifrigsten Verfechter, die sogenannten glühendsten Verehrer, die sogenannten engagiertesten Vertreter, die eine Sache in den Abgrund führen. Niemand anderes als die Kommunisten haben den Kommunismus in den Abgrund geführt."

"Schiedsrichter fertig" ist eine atemlose, wütende Abrechnung mit - ja, womit eigentlich? Mit der Hohlheit von Sprichwörtern und moderner Kommunikation, mit dem Fußballkommerz, mit der Pervertierung des Regelwerks, den Vorurteilen der Masse, der Beliebigkeit von Meinungsumfragen an Tankstellen, mit der Flachheit mancher Medien. Der Schiedsrichter gilt vielen als absolutistischer Herrscher, als einer, der mit der Trillerpfeife unanfechtbare Tatsachenentscheidungen schafft. Selbst wenn sich diese nachweislich als falsch erweisen. Das macht ihn regelmäßig zum Watschenmann, zum Hassobjekt der Massen. Brussigs Pfeifenmann ist mit den Nerven am Ende, ist verbittert, begehrt auf. Dabei ist er sich seiner Existenz als absurde, ja tragische Figur bewusst.

"Wenn in der Zeitung steht, ich sei der beste Mann auf dem Platz gewesen, dann ist gemeint, dass das Spiel unterirdisch war. Wenn in der Zeitung steht, dass ich der beste Mann war, dann nur, um damit die Spieler zu verhöhnen und klein zu machen. Ihr Spieler wart noch kleiner als dieser Zwerg, soll es bedeuten. Kein Schiedsrichter kann eine Partie so überragend leiten, dass die Fans darüber noch in dreißig Jahren in Begeisterung geraten. Ein Schiedsrichter kann nicht durch seine Leistungen unsterblich werden. Kein Schiedsrichter kann durch seine Leistungen unsterblich werden. Ein Schiedsrichter kann nur durch seine Fehlleistungen unsterblich werden. Es gibt Deutsche, die neunzehnhundertsechsundsechzig noch gar nicht geboren waren, und die trotzdem den Namen jenes Linienrichters kennen, der den Ball beim 3:2 von Wembley hinter der Linie gesehen haben will."

Aus dem furiosen Schiedsrichter-Monolog tauchen fragmentarische Erinnerungen an eine ostdeutsche Biografie auf: ein gescheiterter Fluchtversuch, ein Verrat an die Stasi, ein ärztlicher Kunstfehler – mit Folgen für die Betroffenen, die schwerwiegender sind als die Betrugsmanöver der Spieler oder Fehlentscheidungen des Referees auf dem grünen Rasen.
Ein pfiffiger Text, eine erfrischend aggressive Kampfschrift. Nicht auszuschließen, dass so mancher nach der Lektüre dieses schmalen Bändchens die nächste "Sportschau" oder gar das Leben mit anderen Augen sieht.


Thomas Brussig: Schiedsrichter fertig. Eine Litanei
Residenz Verlag, St. Pölten/Salzburg