Der bestbezahlte Star der Welt und eine Schauspielerin ohne Arbeit

15.12.2011
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft in Hollywood und ein eindrucksvolles Panorama der kalifornischen Exilszene: Nicole Nottelmann erzählt von zwei Frauen, die die "Traumfabrik" geprägt haben.
Die eine ist der bestbezahlte Star der Welt, schön und scheu, die andere eine Schauspielerin ohne Arbeit und ein "Kommunikationsgenie": Greta Garbo und Salka Viertel. Als sich die beiden 1930 auf einer Party bei Ernst Lubitsch in Beverly Hills treffen, ist es Sympathie auf den ersten Blick und der Auftakt zu einer lebenslangen Freundschaft, die beide auch beruflich nutzen. Garbo, nach dem Tod ihres Entdeckers Mauritz Stiller auf der Suche nach einem Mentor, dem sie vertrauen kann, findet für diese Rolle in der lebensklugen, um fast zwanzig Jahre älteren Österreicherin ihre Idealbesetzung. Sie verhilft ihr als Drehbuchautorin zu einer einzigartigen Karriere in Hollywood. Umgekehrt kreiert Salka Viertel für die Garbo ein neues Image; mit Historienfilmen wie "Königin Christine" wird aus dem Leinwandvamp die unsterbliche Göttin.

Nicole Nottelmann, Autorin einer Vicky-Baum-Biographie, zeichnet in ihrem materialreichen Doppelporträt die wechselvolle Freundschaft der beiden Frauen bis zu Salka Viertels Tod 1978 nach. Ihr Interesse gilt den Impulsen für die wechselseitige Anziehung dieses so ungleichen Paares. Schon in den Anfängen der beiden in Europa spürt sie - neben Verwandtem - die spannungsvollen Gegensätze auf, die diese Freundschaft produktiv machen, aber auch immer wieder auf eine harte Probe stellen: da ist der erste Ruhm der aus einfachen Verhältnissen stammenden Garbo bis zu ihren traumhaften Erfolgen als Ikone der Einsamkeit; da ist die (großbürgerlich) gebildete Theaterschauspielerin Viertel, die auf den deutschen Bühnen trotz Mutterpflichten alle Glanzrollen gab, ohne allerdings den ganz großen Durchbruch zu schaffen.

Anschaulich wird geschildert, wie die 'heimatlose' Diva im Haus der Freundin einen Zufluchtsort findet, während Salka Viertel dank ihrer eisernen Loyalität zur exklusiven Garbo-Vertrauten aufsteigt, an der selbst für große Produzenten kein Weg vorbei führte - Rückschläge und persönliche Enttäuschungen inklusive. Neben farbigen Episoden aus dem Gesellschaftsleben Hollywoods mit Thomas Mann, F.W. Murnau, Brecht oder Eisenstein, neben Liebschaften wie der Salka Viertels mit dem 20 Jahre jüngeren Gottfried Reinhardt, gibt die Autorin Einblicke in den Studiobetrieb der Traumfabrik; gezeigt wird, wie zermürbend der Alltag bis zur Fertigstellung eines Drehbuchs verlief und welche Reibungen entstanden, wenn der Geist des alten Europa auf die neue Glamourwelt Amerikas traf. So ist das mit erzählerischem Schwung entfaltete Porträt auch ein eindrucksvolles Panorama der kalifornischen Exilszene.

Dank ihres Studiums von Salka Viertels unveröffentlichten Tagebüchern und Briefen kann die Autorin viel wörtliche Rede integrieren und eine große Nähe zu den Ereignissen erzeugen. Was Greta Garbo betrifft, greift sie im Wesentlichen auf die gängigen Biographien zurück. Das führt zu einer gewissen Asymmetrie: Salka Viertel erscheint weitaus komplexer, abgründiger als die teils von außen betrachtete, teils im Blick der Freundin gespiegelte Greta Garbo. Allerdings lässt sich derlei "Ungleichbehandlung" verschmerzen. Denn die bislang nur durch ihre Memoiren bekannte Salka Viertel hat noch nie eine differenziertere, schönere Würdigung erfahren. Das hat sie verdient.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Nicole Nottelmann: Ich liebe dich. Für immer.
Greta Garbo und Salka Viertel
Aufbau-Verlag, Berlin 2011
283 Seiten, 22,99 Euro
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