Depeche-Mode-Fankultur in der DDR

800 Ostmark für eine Konzertkarte

Die britische Popband Depeche Mode bei ihrem Konzert in Ostberlin in der Werner Seelenbinder-Halle im März 1988. Die Bandmitglieder v. l-r: Alan Wilder, Martin Gore, Sänger Dave Gahan und Andy Fletcher.
Depeche Mode bei ihrem einzigen Konzert in Ostberlin (1988). © picture-alliance / dpa
Sascha Lange im Gespräch mit Gesa Ufer · 05.03.2018
Lag es an ihren Frisuren, den melancholischen Klängen oder subversiven Texten? Viele Jugendliche in der DDR schwärmten für Depeche Mode. Als die UK-Band 1988 für ihr einziges Konzert nach Ostberlin kam, versuchten die Fans alles, um ihre Idole einmal live zu erleben.
Vor 30 Jahren, am 7. März 1988, fand in der Ostberliner Werner-Seelenbinder-Halle das Konzert einer Band statt, für das manche DDR-Jugendliche nicht nur quasi ihre letzten Hemden gaben, sondern sogar ihre Mopeds eingetauscht haben sollen.
Bis zu 800 Ost-Mark hätten die Tickets der Band auf dem Schwarzmarkt gekostet, erzählt der Leipziger Sascha Lange, der als Jugendlicher selbst Depeche-Mode-Fan war – und nun ein Buch über die Band und ihre Fans in der DDR geschrieben hat: "Behind the Walls".
Schließlich sei das damalige Konzert das einzige gewesen, das die Band je hinter dem Eisernen Vorhang gab – und eigentlich ausschließlich für FdJ-Mitglieder aus Ostberlin veranstaltet worden. Der Schwarzhandel auf dem Schulhof blühte also.

Nicht nur "Trallala-Pop"

Weswegen Depeche Mode in der DDR immer mehr war als nur eine Band? – Die Musik und die Visualisierung hätten "eine Flucht ermöglicht, und zwar nicht mit geschlossenen Augen, sondern mit offenen Augen, indem man die DDR-Wirklichkeit uminterpretiert hat", meint Lange. Auch habe die Band "nicht nur Trallala-Pop" gespielt, sondern auch "gesellschaftspolitische" Themen angesprochen, ohne allzu politisch zu sein.
"Depeche Mode Fanclub" in der DDR.
Gestylt wie die Musik-Idole: "Depeche Mode Fanclub" in der DDR.© Ventil-Verlag / Annaberg Buchholz
Die subversiven Texte und die melancholischen, dennoch kraftvollen Klänge der vier Jungs aus Großbritannien waren für viele damals ein Spiegelbild ihrer Sehnsüchte nach einem freieren Leben, der Suche nach einem Ausweg aus der Tristesse des DDR-Alltags und gleichzeitig Ausdruck ihrer Energie, sich nicht unterzuordnen, eigenständig und unangepasst zu bleiben.

Der Staat hat "mehr oder minder kapituliert"

Jugoslawische Lizenz-Platten, die aus dem Ungarn-Urlaub mitgebracht wurden, oder Alben als Geschenke der Westverwandtschaft waren heißbegehrt – die Musik wurde unter den Fans überspielt und ausgetauscht.
Begehrte Mixtapes in der DDR: Depeche-Mode-Fans überspielten und tauschten die Musik ihrer Lieblingsband.
Begehrte Tauschobjekte: Selbst aufgenommene Kassetten mit Musik von Depeche Mode.© Ventil-Verlag / Stefan_Schmidt
Der DDR-Staatsapparat drückte meist ein Auge zu. Denn in den 80ern habe er bereits festgestellt, "dass er den westlichen Einfluss kaum zurückdrängen" könne. Und die Staatssicherheit? –Die habe "offensichtlich den Überblick über diese vielfältigen Jugendkulturen schlichtweg verloren. Da hat der Staat mehr oder minder kapituliert."
Ob Sascha Lange selbst beim legendären Konzert Anfang 1988 dabei war? – Natürlich. Auch sein Moped musste er dafür nicht verpfänden. "Ich hatte das große Glück, dass ich Freunde in Ostberlin hatte, die mir auf dem schuleigenen Schwarzmarkt für 150 Ostmark eine Karte besorgt haben." Das Zehnfache des offiziellen Preises, aber für einen begeisterten Fan letztendlich: "sehr preiswert".

Sascha Lange: "Behind the Wall"
Ventil-Verlag, Mainz
240 Seiten, 30 Euro

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