Alben der Woche

Depeche Mode – so düster wie ein Grusel-Schocker

Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan bei einem Auftritt in Italien im November 2015.
Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan bei einem Auftritt in Italien. © imago/ZUMA Press
Von Vincent Neumann · 17.03.2017
Es wummert und dröhnt auf "Spirit": Das neue Album von Depeche Mode ist besonders düster – und passt so in die aktuelle Weltlage. Leider verliert sich die Kultband allzu oft in revolutionären Plattitüden. Ebenfalls mit neuem Album: Judith Holofernes und Jeb Loy Nichols.
Seit rund dreieinhalb Jahrzehnten gelten "Depeche Mode" als "Düsterband", doch selten haben die drei Briten diesem Titel so viel Ehre gemacht wie auf ihrem neuen Album "Spirit":
Es wummert und dröhnt wie in einem Grusel-Schocker; schließlich hätten sie schon genug fröhliche und unbeschwerte Lieder abgeliefert, so Frontmann Dave Gahan im Interview. Außerdem wäre es ein Verbrechen gewesen, all das zu ignorieren, was derzeit in der Welt passiert.
Depeche Mode: "Spirit"
So weit, so gut. Doch leider verliert sich der 54-Jährige, der dieses Mal einen Großteil der Songs selbst geschrieben hat, allzu oft in leeren Floskeln und revolutionären Plattitüden. Wobei, am Ende wird es dann doch konkret: "Unser Niveau sinkt, wir haben den Mut verloren, wir sind peinlich, wir haben versagt!" Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Nein, "Depeche Mode" haben nicht versagt, und wenn es im Sommer auf Tour geht, dann werden die Stadien wieder voll sein. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass auf der neuen Platte mit einem solch bedeutungsschwangeren Ansatz noch so viel mehr möglich gewesen wäre: mehr "Spirit", weniger Selbstinszenierung.

Judith Holofernes: "Ich bin das Chaos"

"Ich bin vielleicht die letzte Optimistin" – das behauptete dagegen Ex-"Wir sind Helden"-Sängerin Judith Holofernes, als sie diese Woche zu Gast bei uns im Studio war. Wobei sich das auf ihrem neuen Album eher selten niederschlägt – zu groß ihr selbsternanntes "Talent zum Traurigsein".
Ob "der letzte Optimist", "Unverschämtes Glück", "Das Ende" oder der titelgebende Track "Ich bin das Chaos" – das neue Album von Judith Holofernes schwankt zwischen Extremen, zwischen Licht und Schatten, zwischen Überschwang und Melancholie. Das ist zum einen extrem kurzweilig und zeigt auf der anderen Seite die große Bandbreite, die sich Holofernes für ihr zweites Solo-Projekt angeeignet hat – auch dank der Zusammenarbeit mit dem färöischen Musiker Teitur, der eine ganze Reihe neuer Klangfarben beigesteuert hat.
Auch wenn man über ihre penetrant-mädchenhafte Stimme streiten kann – an den neuen Songs gibt es wenig bis gar nichts auszusetzen. Mit "Ich bin das Chaos" schwingt sich Judith Holofernes zur neuen Musterschülerin der deutschen Pop-Schule auf – originell, wortgewandt und charmant. Das sollte man wirklich gehört haben!

Jeb Loy Nichols: "Country Hustle"

Und zu guter Letzt: Jeb Loy Nichols mit "Country Hustle". Dabei liegt die Betonung eindeutig auf "Hustle", dem "Schwindel" – denn mit Country im klassischen Sinne hat das neue Album des US-Amerikaners nur noch wenig zu tun.
Dass er mit den Bluegrass-Platten seiner Eltern aufwuchs, als Teenager seine Leidenschaft für Punk, Reggae und Soul entdeckte, Anfang der 00er-Jahre mit seiner Frau auf eine abgelegene Selbstversorger-Farm in Wales zog und den Folk lieben lernte – all das mag Jeb Loy Nichols geprägt haben. Für seine Musik lässt sich daraus aber vor allem eines ableiten: Offenheit in alle Richtungen.
Die neuen Songs klingen, als hätten sich James Brown, Barry White, Nick Drake und Dr. Dre in einem schummrigen Club in New York getroffen und gemeinsam das Tanzbein geschwungen. Es gibt schlechtere Kombinationen! Und letztendlich bedeutet "Hustle" ja nicht nur Schwindel, sondern auch Betriebsamkeit: Jeb Loy Nichols, das fleißige Country-Chamäleon aus Wyoming – mit "Country Hustle" hat er erfolgreich eine neue Klangfarbe in seine Palette aufgenommen.
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