Den Papst in Misskredit bringen
Nein, gelangweilt habe ich mich bei diesem Buch nicht, es hat mich nur zornig gemacht. Gut, es ist eine Polemik, eine Streitschrift, so etwa wie die Heines gegen Börne oder den unglückseligen Platen oder auch Hardens Artikel in der "Zukunft" gegen den Fürsten Eulenburg, den Freund des Kaisers.
Doch schon diese Vorbilder sind alles andere als unumstritten, im Gegenteil, sie waren höchst zweifelhafte Versuche, einen Menschen und sein Werk für immer zu diskreditieren. Und das ist auch das Ziel das Autors. Denn das Buch Alan Posners will nicht nur intellektuell gegen den deutschen Papst recht haben, ihm gedankliche Fehler und Schwächen vorhalten, es will wie seine berühmten Vorbilder ein für allemal die intellektuelle und moralische Glaubwürdigkeit des Theologen und Menschen Joseph Ratzinger zerstören, um, wie es in der Überschrift zur Schlussbetrachtung indirekt formuliert wird, den angeblichen Geistesriesen als Gartenzwerg zu entlarven, als einen kleinlichen, ressentimentgeladenen und rachsüchtigen Menschen, der sogar seinen Schneider entlässt, weil die Soutane, in der er als Benedikt XVI. seine erste Audienz geben musste, zu kurz geraten war.
Dabei bedient sich der Autor ganz unterschiedlicher Waffen, um das Wollen dieses Papstes beim Leser in Misskredit zu bringen, wobei – jedenfalls im theologisch-politischen Teil - die katholische Kirche ebenso viele Schläge erhält, wie ihr derzeitiges Oberhaupt. Schon an dieser Stelle kommt man leider nicht umhin, auf die linksradikale Vergangenheit des Autors hinzuweisen. Sie liegt lange zurück und er hat sie – was der Kritiker aus eigener Erfahrung weiß – vollständig überwunden, aber eben leider, wie so oft bei großen Konversionen, im Sinne des leidenschaftlichen Umarmens von Kapitalismus, Liberalismus, Demokratie und Marktwirtschaft.
Und schon, dass dieser Papst Posners neuen Göttern gegenüber Skepsis walten lässt, verübelt ihm der Autor. Denn für ihn sind diese Dinge nicht zeitgebunden und Menschenwerk, sondern ewige Wahrheiten, die sich an den vermeintlichen einer 2000 Jahre alten Kirche stoßen. Posner – selbst Atheist – versteht nicht, was Kirche von den vielen demokratischen oder auch undemokratischen Organisationen unterscheidet, dass sie noch immer – trotz aller menschlichen Verunreinigungen über die Jahrhunderte hinweg - nach eigenem Selbstverständnis Ausdruck göttlichen Willens ist, also eine Wahrheit verkörpert, die nicht durch demokratische Prozesse, Volksabstimmungen oder was auch immer der Moderne und dem Zeitgeist angepasst werden kann. Und so hat der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation nicht Unrecht, wenn er formuliert:
"Wenn man dabei denkt, dass die Kirche eine Nachahmung des Staates sein soll, ist das Wesen der Kirche selbst verkannt. Denn wir wissen ja, dass die Demokratie selbst, sagen wir, ein gewagter Versuch ist, dass das Entscheiden nach dem Mehrheitsprinzip nur einen bestimmten Rahmen menschlicher Dinge richtig regulieren kann. Es wird zum Unding, wenn es auf Fragen der Wahrheit, des Guten selbst ausgedehnt werden würde."
Dem setzt Posner seinen unbedingten Glauben an die in der Demokratie triumphierende autonome menschliche Vernunft entgegen, die von Natur aus zum Guten tendiert und nichts und niemanden zu ihrer sinnvollen Anleitung bedarf. Dass nicht nur der Papst, sondern auch ein unverdächtiger Zeuge aus dem Lager der liberalen Linken wie der frühere Verfassungsrichter Böckenförde hier Zweifel anmeldet und auf einer vorpolitischen Quelle für die moralische Substanz des Menschen bestehen zu müssen glaubt, irritiert den Autor in seiner Verdammung der benedettinischen Position nicht.
"Das ist das paternalistische, vordemokratische, vorwissenschaftliche, augustinische und im Kern misanthropische Verständnis von Freiheit. Von einem Mann, der so über den Menschen und seine Freiheit denkt, wird man nie ein uneingeschränktes Ja zur Demokratie erwarten dürfen."
Und deshalb sind für den Autor auch die Zweifel, die Benedikt bei der Betrachtung von Aufklärung und Vernunft und ihren Hervorbringungen plagen, nichts als reaktionäre Versuchungen. Denn nicht die Atombombe selbst lässt den Autor an der menschlichen Vernunft zweifeln; wichtig ist allein, dass sie in den richtigen Händen, also in denen Israels und der USA statt in denen von Hitler oder Ahmadinedschad ist. Das mag für die Steinschleuder Davids wohl gelten, ob die Einwohner von Hiroshima und Nagasaki das ebenso gesehen haben, muss allerdings bezweifelt werden. Nicht reaktionäre Verstocktheit nährt schließlich Benedikts Skepsis, sondern der Zustand der modernen Welt nach ihrem relativistischen Sündenfall.
Doch eben das will oder kann Posner nicht akzeptieren. Und da man das Richtige, Wahre, Gute, also das Demokratische, Marktwirtschaftliche, Liberale mit allen Mitteln verteidigen muss sind auch Unterstellungen nicht weit, so wenn er den Eindruck erweckt, dass Benedikt den Ausrottungskrieg der Cortez und Pizzarro gegen Azteken und Inkas billigt, nur weil er – was seines Amtes ist – die christliche Botschaft auch für diese Völker als Heil begreift. Am problematischsten sind solche Unterstellungen naturgemäß, wo sie Benedikt – gewollt oder ungewollt – in die Nähe nationalsozialistischer Verirrungen und Verbrechen rücken. Man muss nicht alles was er im Zusammenhang mit diesen Verbrechen über deren Ursachen und Vorgeschichte gesagt hat, für unanfechtbare Wahrheiten halten – wie sollte das auch sein, da er hier als fehlsamer Mensch spricht - aber was hat eigentlich eine Passage wie die folgende mit dem Papst zu tun:
"Es gehört einiger Zynismus dazu, vor den Gräbern der Schlächter von Oradour von missbrauchtem Idealismus zu sprechen. Freilich war das die gängige Entschuldigung der Täter nach der Niederlage. So schrieb ein gewisser Dr. Matuscyk, SS-Sturmbannführer und leitender Arzt der SS-Lazarett-Abteilung Traunstein am 6. Juli 1945 an den bayerischen Landesbischof Hans Meiser , geblendet vom Feuer eines nationalen Aufstiegs ohnegleichen hatten sich viele ausgewählte Menschen der SS angeschlossen (dazu gehöre auch ich). Was Körper und Geist anbetrifft, so stellte die SS im Großen und Ganzen eine gute Auslese dar."
Nichts davon hat Benedikt gesagt, als er auf einem Soldatenfriedhof in der Normandie davon sprach, dass es uns als Deutsche schmerzlich berühren muss, dass der Idealismus der jungen Soldaten und ihr Gehorsam dem Staat gegenüber von einem ungerechten Regime missbraucht wurde, was aber die jungen Menschen nicht entehrt. Ist das wirklich so falsch, so unvertretbar, so dicht bei einem SS-Sturmbannführer, der seine Untaten als SS-Arzt rechtfertigt? Ja, wenn man zugleich, wie es der Autor tut, von Millionen spricht, die beim Massenmord mitmachten, also eine Kollektivschuld annimmt, die alle und alles kontaminiert.
Wie Grass, den einst das katholische Spießertum der Adenauerzeit furchtbarer dünkte als der Nationalsozialismus selbst, ist auch Posner zutiefst davon überzeugt, dass die antiliberale, antikapitalistische, antidemokratische und nach ihm auch antisemitische Denkungsart einer katholischen Gemeinschaft mit "ihrer engmaschigen und engstirnigen sozialen Kontrolle durch den örtlichen Pfarrer" zutiefst seelenverwandt mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsideologie ist, denn so sein persönliches Fazit:
"Dass zwar auch ihm lächerlich bekleidete und lümmelnde Touristen zuweilen peinlich sind, aber tausend mal lieber als korrekt in der Soutane oder im Turban gekleidete Pädophile wie sie eine Kultur der Repression zwangsläufig hervorbringt."
Es ist nicht leicht, auch nur einigermaßen gerecht zu bleiben, wenn man das Christentum in seiner katholischen Ausprägung oder den Islam auf eine Kultur der Repression reduziert. Und so ist am Ende auch der Papst – im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der zwar ebenso reaktionär aber immerhin ein ganzer Kerl war – für Posner nur eine verkrüppelte Persönlichkeit, nicht erfasst von der kulturellen Revolution, die mit dem amerikanischen Jazz und dem französischen Existenzialismus einherging, "von einem Defizit an Lebenshunger" beeinträchtigt, die an "frühe Beschädigungen denken lässt". Kein Wunder also, dass ein solcher Mensch nach Meinung Posners weder das Leben noch die Welt versteht.
Er gleicht in diesem Buch dem Robespierre des armen Bitos in Anouilhs gleichnamiger Komödie wenn er den Grafen Mirabeau anschreit:
"Leichtfertig! Ihr seid alle leichtfertig! Ein geistreiches Wort und ihr seid sofort mit allem versöhnt. Aber Frankreich darf nicht mehr leichtfertig sein, es muss langweilig werden, so wie ich, wenn es eines Tages endlich sauber werden soll!"
Nur ist das wirklich der deutsche Papst Benedikt XVI.?
Besprochen von Alexander Gauland
Dabei bedient sich der Autor ganz unterschiedlicher Waffen, um das Wollen dieses Papstes beim Leser in Misskredit zu bringen, wobei – jedenfalls im theologisch-politischen Teil - die katholische Kirche ebenso viele Schläge erhält, wie ihr derzeitiges Oberhaupt. Schon an dieser Stelle kommt man leider nicht umhin, auf die linksradikale Vergangenheit des Autors hinzuweisen. Sie liegt lange zurück und er hat sie – was der Kritiker aus eigener Erfahrung weiß – vollständig überwunden, aber eben leider, wie so oft bei großen Konversionen, im Sinne des leidenschaftlichen Umarmens von Kapitalismus, Liberalismus, Demokratie und Marktwirtschaft.
Und schon, dass dieser Papst Posners neuen Göttern gegenüber Skepsis walten lässt, verübelt ihm der Autor. Denn für ihn sind diese Dinge nicht zeitgebunden und Menschenwerk, sondern ewige Wahrheiten, die sich an den vermeintlichen einer 2000 Jahre alten Kirche stoßen. Posner – selbst Atheist – versteht nicht, was Kirche von den vielen demokratischen oder auch undemokratischen Organisationen unterscheidet, dass sie noch immer – trotz aller menschlichen Verunreinigungen über die Jahrhunderte hinweg - nach eigenem Selbstverständnis Ausdruck göttlichen Willens ist, also eine Wahrheit verkörpert, die nicht durch demokratische Prozesse, Volksabstimmungen oder was auch immer der Moderne und dem Zeitgeist angepasst werden kann. Und so hat der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation nicht Unrecht, wenn er formuliert:
"Wenn man dabei denkt, dass die Kirche eine Nachahmung des Staates sein soll, ist das Wesen der Kirche selbst verkannt. Denn wir wissen ja, dass die Demokratie selbst, sagen wir, ein gewagter Versuch ist, dass das Entscheiden nach dem Mehrheitsprinzip nur einen bestimmten Rahmen menschlicher Dinge richtig regulieren kann. Es wird zum Unding, wenn es auf Fragen der Wahrheit, des Guten selbst ausgedehnt werden würde."
Dem setzt Posner seinen unbedingten Glauben an die in der Demokratie triumphierende autonome menschliche Vernunft entgegen, die von Natur aus zum Guten tendiert und nichts und niemanden zu ihrer sinnvollen Anleitung bedarf. Dass nicht nur der Papst, sondern auch ein unverdächtiger Zeuge aus dem Lager der liberalen Linken wie der frühere Verfassungsrichter Böckenförde hier Zweifel anmeldet und auf einer vorpolitischen Quelle für die moralische Substanz des Menschen bestehen zu müssen glaubt, irritiert den Autor in seiner Verdammung der benedettinischen Position nicht.
"Das ist das paternalistische, vordemokratische, vorwissenschaftliche, augustinische und im Kern misanthropische Verständnis von Freiheit. Von einem Mann, der so über den Menschen und seine Freiheit denkt, wird man nie ein uneingeschränktes Ja zur Demokratie erwarten dürfen."
Und deshalb sind für den Autor auch die Zweifel, die Benedikt bei der Betrachtung von Aufklärung und Vernunft und ihren Hervorbringungen plagen, nichts als reaktionäre Versuchungen. Denn nicht die Atombombe selbst lässt den Autor an der menschlichen Vernunft zweifeln; wichtig ist allein, dass sie in den richtigen Händen, also in denen Israels und der USA statt in denen von Hitler oder Ahmadinedschad ist. Das mag für die Steinschleuder Davids wohl gelten, ob die Einwohner von Hiroshima und Nagasaki das ebenso gesehen haben, muss allerdings bezweifelt werden. Nicht reaktionäre Verstocktheit nährt schließlich Benedikts Skepsis, sondern der Zustand der modernen Welt nach ihrem relativistischen Sündenfall.
Doch eben das will oder kann Posner nicht akzeptieren. Und da man das Richtige, Wahre, Gute, also das Demokratische, Marktwirtschaftliche, Liberale mit allen Mitteln verteidigen muss sind auch Unterstellungen nicht weit, so wenn er den Eindruck erweckt, dass Benedikt den Ausrottungskrieg der Cortez und Pizzarro gegen Azteken und Inkas billigt, nur weil er – was seines Amtes ist – die christliche Botschaft auch für diese Völker als Heil begreift. Am problematischsten sind solche Unterstellungen naturgemäß, wo sie Benedikt – gewollt oder ungewollt – in die Nähe nationalsozialistischer Verirrungen und Verbrechen rücken. Man muss nicht alles was er im Zusammenhang mit diesen Verbrechen über deren Ursachen und Vorgeschichte gesagt hat, für unanfechtbare Wahrheiten halten – wie sollte das auch sein, da er hier als fehlsamer Mensch spricht - aber was hat eigentlich eine Passage wie die folgende mit dem Papst zu tun:
"Es gehört einiger Zynismus dazu, vor den Gräbern der Schlächter von Oradour von missbrauchtem Idealismus zu sprechen. Freilich war das die gängige Entschuldigung der Täter nach der Niederlage. So schrieb ein gewisser Dr. Matuscyk, SS-Sturmbannführer und leitender Arzt der SS-Lazarett-Abteilung Traunstein am 6. Juli 1945 an den bayerischen Landesbischof Hans Meiser , geblendet vom Feuer eines nationalen Aufstiegs ohnegleichen hatten sich viele ausgewählte Menschen der SS angeschlossen (dazu gehöre auch ich). Was Körper und Geist anbetrifft, so stellte die SS im Großen und Ganzen eine gute Auslese dar."
Nichts davon hat Benedikt gesagt, als er auf einem Soldatenfriedhof in der Normandie davon sprach, dass es uns als Deutsche schmerzlich berühren muss, dass der Idealismus der jungen Soldaten und ihr Gehorsam dem Staat gegenüber von einem ungerechten Regime missbraucht wurde, was aber die jungen Menschen nicht entehrt. Ist das wirklich so falsch, so unvertretbar, so dicht bei einem SS-Sturmbannführer, der seine Untaten als SS-Arzt rechtfertigt? Ja, wenn man zugleich, wie es der Autor tut, von Millionen spricht, die beim Massenmord mitmachten, also eine Kollektivschuld annimmt, die alle und alles kontaminiert.
Wie Grass, den einst das katholische Spießertum der Adenauerzeit furchtbarer dünkte als der Nationalsozialismus selbst, ist auch Posner zutiefst davon überzeugt, dass die antiliberale, antikapitalistische, antidemokratische und nach ihm auch antisemitische Denkungsart einer katholischen Gemeinschaft mit "ihrer engmaschigen und engstirnigen sozialen Kontrolle durch den örtlichen Pfarrer" zutiefst seelenverwandt mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsideologie ist, denn so sein persönliches Fazit:
"Dass zwar auch ihm lächerlich bekleidete und lümmelnde Touristen zuweilen peinlich sind, aber tausend mal lieber als korrekt in der Soutane oder im Turban gekleidete Pädophile wie sie eine Kultur der Repression zwangsläufig hervorbringt."
Es ist nicht leicht, auch nur einigermaßen gerecht zu bleiben, wenn man das Christentum in seiner katholischen Ausprägung oder den Islam auf eine Kultur der Repression reduziert. Und so ist am Ende auch der Papst – im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der zwar ebenso reaktionär aber immerhin ein ganzer Kerl war – für Posner nur eine verkrüppelte Persönlichkeit, nicht erfasst von der kulturellen Revolution, die mit dem amerikanischen Jazz und dem französischen Existenzialismus einherging, "von einem Defizit an Lebenshunger" beeinträchtigt, die an "frühe Beschädigungen denken lässt". Kein Wunder also, dass ein solcher Mensch nach Meinung Posners weder das Leben noch die Welt versteht.
Er gleicht in diesem Buch dem Robespierre des armen Bitos in Anouilhs gleichnamiger Komödie wenn er den Grafen Mirabeau anschreit:
"Leichtfertig! Ihr seid alle leichtfertig! Ein geistreiches Wort und ihr seid sofort mit allem versöhnt. Aber Frankreich darf nicht mehr leichtfertig sein, es muss langweilig werden, so wie ich, wenn es eines Tages endlich sauber werden soll!"
Nur ist das wirklich der deutsche Papst Benedikt XVI.?
Besprochen von Alexander Gauland