Den Gegner verblüffen
"Immer Recht haben" von Hannes Stein hält nicht nur Tipps für den Partytalk bereit, sondern verhilft auch dem politischen Stammtisch zu eleganten Glanzlichtern. Zu jedem Thema wird ein Pro und ein Contra geliefert. Wer fix genug ist, wird seinen Gegner im Handumdrehen kampfunfähig machen, indem er zur einen Position auch noch schnell die andere bezieht.
"Die Debattenkultur ist in Deutschland, wie man bei jeder neuen Kontroverse beobachten kann, nicht besonders hoch entwickelt. Auseinandersetzungen degenerieren schnell zu polemischen Gefechten, bei denen die Kontrahenten auch vor persönlichen Beleidigungen nicht zurückschrecken. Andersdenkende werden häufig verleumdet und verteufelt. Hannes Steins Buch, in dem spielerisch vorgeführt wird, welche Haltungen zu verschiedenen Themen möglich sind, könnte hier wie eine Entgiftungskur wirken."
Schreibt Hannes Stein in einer seiner beiden Selbstrezensionen, Angebote für faule Rezensenten. Und es wirkt: Sein neues Buch nennt sich "Konversationsführer", der nicht nur gute Tipps für Partytalk bereithält, sondern auch dem politischen Stammtisch zu eleganten Glanzlichtern verhilft. Zu jedem Thema wird fein säuberlich ein Pro und ein Contra geliefert und wer fix genug ist, wird seinen Gegner verblüffen und im Handumdrehen kampfunfähig machen, indem er zur einen Position auch noch schnell die andere bezieht. Etwa so:
"’Auf Petri Stuhl in Rom haben schon Debile, Mörder und Ehebrecher gesessen. Das beweist, was für eine korrupte Institution die katholische Kirche ist.’ ‚Im Gegenteil! Das Papsttum hat all seine historischen Einstellungen überlebt – das ist der endgültige Beweis (wenn es eines solchen Beweises bedürfte), dass es sich um eine Gott geheiligte Einrichtung handeln muss."
So behält man natürlich immer recht. Und dennoch ist dieses kleine Vademecum eines ganz gewiss nicht: eine Fibel für Rechthaber. Denn nach der Lektüre wird der Leser auf dieses eher schlichte Vergnügen verzichten, sich stattdessen entspannt zurücklehnen und mit Walt Whitman sagen:
"Widerspreche ich mir selbst? Na gut, dann widerspreche ich mir selbst."
Bis dahin ist, zugegeben, eine gewisse Strecke zurückzulegen. Eher für den Anfänger im Smalltalk sind Streitpunkte gedacht wie jene, ob die Beatles oder die Stones die größten sind, ob Sean Connery oder Roger Moore den wahren James Bond verkörperten oder Wein besser als Bier ist. Doch bei den wirklich heiklen politischen Fragen zeigt sich die Heimtücke in Steins so harmlos daherkommendem Büchlein. Denn wer ihn kennt, den Hannes Stein, jenen Polemiker aus der "Literarischen Welt", mittlerweile nach New York ausgewandert, nimmt ihm nicht ab, dass er alles gleich gelten lässt – den Kommunismus wie den Kapitalismus, Israel und die Palästinenser, Amerika und China, die Demokratie und ein kleines bisschen autokratische Führung. Hannes Stein ein Feigling, wie er in seiner Contra-Rezension schreibt? Ein Relativist? Oder einer, der seinen Hang zur Polemik außerordentlich geschickt versteckt?
Etwa im Vergleich zwischen den Weltmächten China und Amerika:
"Wer glaubt, dass der aufsteigende Stern am welthistorischen Horizont China heißt, kann offenbar keine Bevölkerungsstatistiken lesen. China wird vergreisen, bevor es wirtschaftlich reüssiert: Es hat eine niedrige Geburtenrate und leidet außerdem unter der schlechten Angewohnheit, weibliche Säuglinge abzutreiben."
Die Vereinigten Staaten hingegen wachsen noch. Was könnte dann also noch für China sprechen?
"Gerade die Exzesse der Vergangenheit sind eine Garantie, dass sie nicht wiederkehren werden; es gibt derzeit wohl keine politische Führung auf diesem Planeten, die weniger ideologisch wäre als die chinesische." Und: "Sobald die chinesische Volksbefreiungsarmee sich der Probleme des Nahen Ostens annimmt, werden wir vom islamischen Fundamentalismus nicht mehr viel hören."
Das sind starke Stücke – ergänzt von Stückchen über die Bedeutung des Feminismus im Kampf gegen den Islamismus, über die Klimadebatte, die Religion, Gott, Hunde und Katzen, Sex.
Übrigens: soll man Israel nach Deutschland verlegen? Nein:
"Es steht zu befürchten, dass die orientalischen Juden das feuchtkalte Klima in Deutschland nicht vertragen."
Und wie wäre es, wenn man den Palästinenserstaat in den Iran verlegte?
Prima:
"Das Mullah-Regime unterdrückt die sunnitischen Muslime mit harter militärischer Hand. Für die miese Behandlung, die zur palästinensischen Nationbildung unerlässlich ist, wäre also schon einmal gesorgt."
Wem das zu spitzfindig ist, sollte vom Verschenken dieses Büchleins absehen, es taugt nicht für Warmduscher und Weicheier. Aber für all die vielen anderen, denen schon immer das Luther-Wort suspekt war: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." Und ob wir können. Weshalb wir in das Selbstlob des Autors einstimmen möchten:
"So leistet Hannes Stein einen Beitrag zur Festigung der Demokratie, denn sein Buch lehrt und unaufdringlich die wichtigste aller liberalen Tugenden: Toleranz."
Hat da jemand gelacht? Gut so. Wir machen Fortschritte.
Hannes Stein: Immer Recht haben! - Der endgültige Ratgeber
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008
Schreibt Hannes Stein in einer seiner beiden Selbstrezensionen, Angebote für faule Rezensenten. Und es wirkt: Sein neues Buch nennt sich "Konversationsführer", der nicht nur gute Tipps für Partytalk bereithält, sondern auch dem politischen Stammtisch zu eleganten Glanzlichtern verhilft. Zu jedem Thema wird fein säuberlich ein Pro und ein Contra geliefert und wer fix genug ist, wird seinen Gegner verblüffen und im Handumdrehen kampfunfähig machen, indem er zur einen Position auch noch schnell die andere bezieht. Etwa so:
"’Auf Petri Stuhl in Rom haben schon Debile, Mörder und Ehebrecher gesessen. Das beweist, was für eine korrupte Institution die katholische Kirche ist.’ ‚Im Gegenteil! Das Papsttum hat all seine historischen Einstellungen überlebt – das ist der endgültige Beweis (wenn es eines solchen Beweises bedürfte), dass es sich um eine Gott geheiligte Einrichtung handeln muss."
So behält man natürlich immer recht. Und dennoch ist dieses kleine Vademecum eines ganz gewiss nicht: eine Fibel für Rechthaber. Denn nach der Lektüre wird der Leser auf dieses eher schlichte Vergnügen verzichten, sich stattdessen entspannt zurücklehnen und mit Walt Whitman sagen:
"Widerspreche ich mir selbst? Na gut, dann widerspreche ich mir selbst."
Bis dahin ist, zugegeben, eine gewisse Strecke zurückzulegen. Eher für den Anfänger im Smalltalk sind Streitpunkte gedacht wie jene, ob die Beatles oder die Stones die größten sind, ob Sean Connery oder Roger Moore den wahren James Bond verkörperten oder Wein besser als Bier ist. Doch bei den wirklich heiklen politischen Fragen zeigt sich die Heimtücke in Steins so harmlos daherkommendem Büchlein. Denn wer ihn kennt, den Hannes Stein, jenen Polemiker aus der "Literarischen Welt", mittlerweile nach New York ausgewandert, nimmt ihm nicht ab, dass er alles gleich gelten lässt – den Kommunismus wie den Kapitalismus, Israel und die Palästinenser, Amerika und China, die Demokratie und ein kleines bisschen autokratische Führung. Hannes Stein ein Feigling, wie er in seiner Contra-Rezension schreibt? Ein Relativist? Oder einer, der seinen Hang zur Polemik außerordentlich geschickt versteckt?
Etwa im Vergleich zwischen den Weltmächten China und Amerika:
"Wer glaubt, dass der aufsteigende Stern am welthistorischen Horizont China heißt, kann offenbar keine Bevölkerungsstatistiken lesen. China wird vergreisen, bevor es wirtschaftlich reüssiert: Es hat eine niedrige Geburtenrate und leidet außerdem unter der schlechten Angewohnheit, weibliche Säuglinge abzutreiben."
Die Vereinigten Staaten hingegen wachsen noch. Was könnte dann also noch für China sprechen?
"Gerade die Exzesse der Vergangenheit sind eine Garantie, dass sie nicht wiederkehren werden; es gibt derzeit wohl keine politische Führung auf diesem Planeten, die weniger ideologisch wäre als die chinesische." Und: "Sobald die chinesische Volksbefreiungsarmee sich der Probleme des Nahen Ostens annimmt, werden wir vom islamischen Fundamentalismus nicht mehr viel hören."
Das sind starke Stücke – ergänzt von Stückchen über die Bedeutung des Feminismus im Kampf gegen den Islamismus, über die Klimadebatte, die Religion, Gott, Hunde und Katzen, Sex.
Übrigens: soll man Israel nach Deutschland verlegen? Nein:
"Es steht zu befürchten, dass die orientalischen Juden das feuchtkalte Klima in Deutschland nicht vertragen."
Und wie wäre es, wenn man den Palästinenserstaat in den Iran verlegte?
Prima:
"Das Mullah-Regime unterdrückt die sunnitischen Muslime mit harter militärischer Hand. Für die miese Behandlung, die zur palästinensischen Nationbildung unerlässlich ist, wäre also schon einmal gesorgt."
Wem das zu spitzfindig ist, sollte vom Verschenken dieses Büchleins absehen, es taugt nicht für Warmduscher und Weicheier. Aber für all die vielen anderen, denen schon immer das Luther-Wort suspekt war: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." Und ob wir können. Weshalb wir in das Selbstlob des Autors einstimmen möchten:
"So leistet Hannes Stein einen Beitrag zur Festigung der Demokratie, denn sein Buch lehrt und unaufdringlich die wichtigste aller liberalen Tugenden: Toleranz."
Hat da jemand gelacht? Gut so. Wir machen Fortschritte.
Hannes Stein: Immer Recht haben! - Der endgültige Ratgeber
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008