Demontage einer Reporter-Ikone

Martin Pollack im Gespräch mit Jürgen König · 01.03.2010
Der Journalist Ryszard Kapuscinski wurde zu Lebzeiten in Polen zum "Journalisten des Jahrhunderts" gekürt. Eine neue Biografie von Artur Domoslawski zweifelt an der Integrität des Nationalhelden. Der österreichische Schriftsteller Martin Pollack nimmt seinen Freund Kapuscinski in Schutz.
Es ist mittlerweile die fünfte Biografie über den Journalisten und Schriftsteller Ryszard Kapuscinski, der 2007 starb. Geschrieben hat sie Artur Domoslawski, Auslandsreporter der links-liberalen "Gazeta Wyborcza". Über dessen Vorwürfe - nicht wenige Passagen seiner Reportagen habe sich Kapuscinsky ausgedacht, Aussagen von Interviewpartnern seien verzerrt dargestellt worden, die von Kapuscinsky behauptete Freundschaft mit Che Guevara oder die Begegnung mit dem kongolesischen Freiheitshelden Patrice Lumumba habe es womöglich gar nicht gegeben - sprach Fazit mit einem langjährigen Freund Ryszard Kapuscinskis, mit dem Schriftsteller Martin Pollack. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:

Jürgen König: "Ryszard Kapuscinski - Non fiction", so heißt die Biografie von Artur Domoslawski, die heute in Polen erscheint. (…) Sein Biograf aber konnte nun den Nachweis erbringen, dass Kapuscinski das erste Mal nach Afrika reiste, als Lumumba schon nicht mehr lebte. Das sind doch schon gravierendere Vorwürfe.

Martin Pollack: Ich würde überhaupt nicht abstreiten, dass es bei Kapuscinsky sehr Vieles gibt, was man infrage stellen kann. (…) Das bedeutet für mich immer noch nicht, dass das eine gute Biografie ist, weil sie einfach wirklich mit der Absicht geschrieben worden ist, Kapuscinsky eins auszuwischen.

Jürgen König: Warum?

Martin Pollack: Weil es mit sehr vielen Unterstellungen arbeitet, die man meines Erachtens so nicht in den Raum stellen darf. (…) Man muss auch sich eines vor Augen halten: Dass er wirklich unglaublich unkritisch hochgejubelt wurde. Seinen Freunden im Ausland wie mir ist es nie eingefallen, Kapuscinsky als Idol, als Guru, als Meister oder was auch immer zu bezeichnen. Für mich war er ein guter Autor, ein guter Freund. Das war's.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 1.8.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Mehr zum Thema