Meister der literarischen Reportage

Von Tobias Wenzel · 01.03.2010
1932 wird Ryszard Kapuściński im ostpolnischen Pińsk als Sohn eines Lehrers geboren, umgeben von ländlicher Armut, wie er später in einem seiner Alterswerke schreibt. 1939 flieht die Familie nach Westpolen, um der Deportation zu entgehen und überlebt den Krieg in einem Dorf bei Warschau.
In Warschau studiert Ryszard Kapuściński Polnisch und Geschichte, arbeitet mit 19 Jahren für eine Jugendzeitung, macht erste Auslandsreisen nach Delhi und Peking, wird Redakteur der polnischen Nachrichtenagentur PAP. In einem Bericht weist er auf die katastrophalen Lebensbedingungen der Stahlarbeiter hin. Immer ist er nah an den einfachen Menschen dran, beschreibt sich selbst als "Anthropologe, der im Feld forscht".

Aber Ryszard Kapuściński ist kein reiner Reporter. Es kommt nicht von ungefähr, dass er auch in Kultur- und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Er sprengt die Grenzen zwischen Journalismus, Literatur und Wissenschaft, nennt seine Bücher deshalb schlicht "Texte", wobei er Ernest Hemingway und Joseph Conrad zu seinen Vorbildern zählt. Bewusst schreibt er in seinem Buch "Imperium" über den Auflösungsprozess der Sowjetunion in langen Sätzen. Die sollen ein sprachliches Pendant zur Weite der sowjetischen Landschaft bilden. Nicht selten ist sein Schreiben nach dem Geschmack der Führer im kommunistischen Polen zu literarisch und zu subjektiv.

In Deutschland wird Kapuściński 1984 bekannt, mit seiner literarischen Reportage "König der Könige. Eine Parabel der Macht", in der er die letzten Jahre des Kaisers von Äthiopien, Haile Selassie, schildert. Weitere Werke wie "Der Fußballkrieg. Berichte aus der Dritten Welt" im Jahr 1990 und zehn Jahre später die Tagebuchauszüge "Die Welt im Notizbuch" festigen nur noch sein Renommee in der ganzen Welt als herausragender Journalist.