Deesha Philyaw: „Church Ladies“

Christliche Sünderinnen

06:24 Minuten
Auf dem Cover des Buches "Church Ladies" ist sowohl der Titel geschrieben als auch die Beine einer schwarzen Frau abgebildet.
© ars vivendi

Deesha Philyaw

Aus dem amerikanischen Englisch von Elke Link und Sabine Roth

Church LadiesVerlag ars vivendi, Cadolzburg 2022

199 Seiten

22,00 Euro

Von Irene Binal · 04.06.2022
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In ihren Erzählungen beleuchtet Deesha Philyaw das Leben schwarzer Frauen zwischen einem strengen kirchlichem Korsett und dem Wunsch nach Befreiung - und sie tut das auf nuancierte und eindringliche Art und Weise.
Gott ist groß und dick, sieht aus wie ein schwarzer Santa Claus und liebt Pfirsichauflauf, glaubt Olivia. Erst als sie älter wird, begreift sie, dass der Mann, der jeden Montag zu Besuch kommt, den Pfirsich-Cobbler verschlingt und mit ihrer Mutter im Schlafzimmer verschwindet, nicht Gott ist, sondern der verheiratete Reverend Troy Neely - und dass er von ihrer Mutter jene Zuwendung bekommt, die Olivia vermisst.

Kraftvolle Prosa über ein kirchliches Umfeld

Dies ist eine von neun Storys im Erzählband „Church Ladies“, der nicht ohne Grund von der englischsprachigen Kritik gefeiert wurde. In einer eleganten, ebenso schlichten wie kraftvollen Prosa erzählt Deesha Philyaw von Frauen aus einem kirchlich geprägten Umfeld, die unter dem strengen Moralkodex leiden, die ausbrechen oder es zumindest versuchen.
Von Caroletta etwa, die eine intime Beziehung zu ihrer tiefgläubigen Freundin Eula unterhält, während Eula auf den ihr von Gott bestimmten Mann wartet. Von Arletha, die sich nach ihrer Mutter sehnt, während ihre Partnerin Rhonda als lesbische Frau von ihrer Familie verstoßen wurde. Oder von Jael, die, während ihre Urgroßmutter für ihr Seelenheil betet, von der Frau des Pastors träumt: „Den Kirchenleuten kann sie vielleicht was vormachen, mir aber nicht. Ich weiß, wie schön sie unter ihren ganzen Kostümen ist. Ich würde sie gern mal ohne sehen.“

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Das Spannungsfeld zwischen klerikaler Moral und freiem Leben, das Philyaw in ihren Geschichten auslotet, kennt sie selbst: Bis zu ihrer Collegezeit ging sie regelmäßig zur Sonntagsmesse, einige ihrer Texte sind autobiografisch geprägt. Ihr Verständnis für das komplizierte Verhältnis vieler Afroamerikanerinnen zu ihrer Kirche schimmert durch jede der neun Erzählungen. Sie erzählt von Sehnsüchten und Scham, von Frauen, die sich beugen, und solchen, die rebellieren, von Sex und von Sünde, von Konflikten zwischen den Generationen und oft vom fragilen Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern - von Müttern, die beim Versuch, selbstbestimmt zu leben, gescheitert sind, und ihren Töchtern ebendiesen Versuch nun verübeln.

Mal frech und mal schonungslos

Philyaws Protagonistinnen sind schwarz, aber es geht nicht um Hautfarbe und Rassismus, sondern um den universellen Wunsch nach Freiheit und Glück. Auch wenn die beschriebene Gesellschaft mit ihrer starken Verwurzelung in der Kirche hierzulande eher fremd anmuten mag, so erscheinen Philyaws Figuren vertraut in ihrem Denken und Handeln und ihrem Aufbegehren gegen Zwang und Doppelmoral.  
So ergeben die neun Erzählungen in ihrer Gesamtheit ein Hohelied auf die Weiblichkeit, die Kirche und Frömmler vergeblich zu unterdrücken suchen. Mal sind die Texte nachdenklich, mal frech und mal schonungslos, aber immer wohnt ihnen eine Kraft inne, die nachhallt und nachdenklich macht. Es ist ein eindrucksvolles Debüt, das klarmacht: Von Deesha Philyaw darf man noch einiges erwarten.
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