Debüt von Elizabeth LaBan

Internatsroman mit Shakespeare-Elementen

Schließfächer in den USA.
Schließfächer in einer amerikanischen Schule © imago/UIG
Von Sylvia Schwab · 05.04.2016
"So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" von Elizabeth LaBan ist ein spannender Jugendroman, der auch als Hommage an William Shakespeare gelesen werden kann. Ihr Debüt zeigt, dass auch Schüler des 21. Jahrhunderts mit existentiellen Gefühlen zu tun haben.
"So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" ist ein Internatsroman, es geht um Freundschaft, um Anderssein, um Verantwortung - und natürlich um Liebe. Aber es geht auch um William Shakespeare.
Nicht nur ist der Titel ein Zitat aus "Macbeth", sondern auch die vielen Anspielungen und die ganze Konstruktion des Romans – eine Dreiecksgeschichte – weisen auf den englischen Dramatiker hin, bis hin zur Tatsache, dass die beiden Protagonisten Tim Macbeth und Duncan heißen.
So kann man LaBans Debüt als junge, frische Hommage an den englischen Dramatiker lesen, als Erinnerung an seinen 400. Todestag in diesem Jahr und als Hinweis darauf, wie aktuell seine Themen immer noch sind.

Unglücklich verliebt

Elizabeth LaBan erzählt eine doppelte Geschichte: Duncan kommt nach den Sommerferien zurück ins Internat, sein letztes Schuljahr liegt vor ihm. In seinem Zimmer findet er einen Stapel CDs, die ihm sein Vorgänger Tim hinterlassen hat.
Auf diesen CDs erzählt Tim von seinem letzten Schuljahr, das sehr dramatisch verlief und mit einem tragischen Unfall endete. Denn Tim ist Albino. Einer, der sofort überall auffällt und der sich deswegen am liebsten versteckt.
Durch diesen Erzählverlauf – hier Duncans Geschichte in der 3. Person erzählt, dort Tims Ich-Erzählung – liest man parallel zwei Internats-Geschichten, die aber völlig unterschiedlich verlaufen. Eine tragische – die von Tim, der durch sein Aussehen Außenseiter bleibt, sich unglücklich verliebt und am Schluss in eine dramatische Situation gerät.
Und die von Duncan, der Tims Geschichte mit wachsender Neugierde und Spannung zuhört, seine Schlüsse daraus zieht und in einer ähnlichen Situation ganz anders handelt.

Manchmal ein wenig zu pathetisch

Und hier kommt dann auch noch Shakespeare ins Spiel: Im jährlichen Abschlussaufsatz geht es um die Tragödie und so zentrale Begriffe wie Tragweite und Verantwortung, Mitleid und Charakterschwäche, Furcht und Liebe. Um Leitmotive Shakespeares also, die zeitlos bedeutsam sind.
Wie große Literatur ja immer über sich selbst hinausweist, vom Allgemeinen ins Besondere des Einzelschicksals. LaBans Roman macht das auf unauffällige Weise deutlich: auch Schülerinnen und Schüler des 21. Jahrhunderts haben mit existentiellen Situationen und Gefühlen zu tun, die denen der Shakespeare-Figuren verwandt sind.
"So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" ist ein spannender Jugendroman, lebendig aufgebaut, psychologisch sensibel und mitreißend erzählt.
Und wenn die Autorin manchmal auch ein wenig zu pathetisch wird, dann ist das absolut verzeihbar. Denn Pathos passt, wann immer es ums Ganze geht, wo Gefühle und Gedanken angesprochen werden sollen. Auch das lernt man bei Shakespeare.

Elizabeth LaBan: "So wüst und schön sah ich noch keinen Tag"
Aus dem Englischen von Birgit Kollmann
Hanser Verlag, München 2016
283 Seiten, 16,90 Euro
Ab 13 Jahren

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