Debatte um "Tampon-Steuer"

Ungerecht, weil Männer nicht dafür zahlen?

Eine Frau hält einen Tampon in der Hand.
In Deutschland werden Tampons mit 19 Prozent besteuert und sind damit „Luxusartikel“. © imago/Science Photo Library
Von Katharina Peetz · 22.01.2019
Australien hat einen Streit beendet: Die Steuer auf Tampons und Binden fällt weg. In Deutschland fordert eine Petition mit 120.000 Unterzeichnern die Senkung der „Tampon-Steuer“. Es gehe dabei auch um die Enttabuisierung der Menstruation.
"Damenhygiene" steht im Drogeriemarkt gut sichtbar über dem Regal geschrieben. Tampons, Binden und andere Produkte für die Menstruation gibt es in verschiedenen Modellen und Größen. 64 normalgroße Tampons eines bekannten Herstellers kosten hier 4,45 Euro. Grob gerechnet verbraucht eine Frau in ihrem Leben durchschnittlich mindestens 10.000 Tampons. Das wären Kosten von rund 700 Euro.
Ein Blick auf den Kassenbon zeigt: Tampons sind als Hygieneartikel deklariert - wie Duschgel oder Toilettenpapier – und mit dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 Prozent belegt. Für andere Produkte wie Lebensmittel und Kulturgüter wird der reduzierte Satz von sieben Prozent erhoben. Das macht manche Kundinnen wütend:
"Richtig scheiße. Tatsächlich ist halt die Periode kein Luxus, sondern für die meisten Leute, die sie bekommen total nervig, mega anstrengend. Frauen müssen trotzdem noch arbeiten gehen auch wenn sie teilweise nicht können. Treffen auf kein Verständnis. Und zahlen dann trotzdem noch mehr Geld für ihre Hygieneprodukte als eigentlich notwendig."
"Wir haben ja eh verschiedene Steuersätze. Und ich glaube, das macht keinen Sinn. Wenn wir die haben, sollten wir für Produkte wie Leseprodukte, aber auch bei täglichen Hygieneprodukten für bestimmte Gruppen den niedrigsten Steuersatz haben. Find ich in Ordnung. Können abgesenkt werden oder ganz weg."
"19 Prozent finde ich ungerechtfertigt, weil Männer nicht dafür zahlen müssen, oder für nichts zahlen müssen, weil sie ihre Tage nicht haben. Und Lebensmittel wie Milch oder Butter werden kaum besteuert, weil das irgendwie Grundsachen sind. Und Tampons sind einfach Dinge, die man braucht. Und dann wird das so hoch besteuert, das finde ich unfair."

Australien hat Tampon-Steuer abgeschafft

Australien hat die Umsatzsteuer auf Tampons und Co. zum Jahreswechsel abgeschafft. Der australische Schatzkanzler Josh Frydenberg erklärte dazu im vergangenen Oktober:
"Die gute Nachricht für Frauen in ganz Australien ist, dass wir heute beschlossen haben, die Steuer auf Damen-Hygiene-Produkte wegfallen zu lassen. Der gesunde Menschenverstand hat sich durchgesetzt. Diese durch die Regierung angeführte Reform ist lange überfällig."

Protest im Mai 2016 in London gegen die "Tampon-Steuer"
Welttweit protestieren Menschen gegen die "Tampon-Steuer" wie hier im Mai 2016 in London.© imago/Matrix
Bisher wurden in Australien zehn Prozent Steuern auf Damen-Hygiene-Produkte erhoben. Frauenverbände bezeichneten diese Regelung immer wieder als "sexistisch".
Auch in anderen Ländern ist die so genannte "Tampon-Steuer" ein Thema. Unter anderem Kenia, Kanada und Indien haben die Steuer auf Hygiene-Produkte für Frauen ganz abgeschafft.

In Deutschland fordert Petition reduzierte Umsatzsteuer

In Deutschland widmen sich ebenfalls einzelne Kampagnen dem Thema. Aktuell läuft eine Online-Petition von zwei SPD-Mitgliedern aus Hamburg, die den reduzierten Umsatzsteuersatz für Tampons, Binden und Menstruationstassen fordert. Mehr als 120.000 Unterschriften hat die Petition bislang.
Nanna-Josephine Roloff ist eine der beiden Initiatorinnen der Petition:
"Wieso werden Sammelmünzen mit sieben Prozent besteuert und Tampons, die ich wirklich tatsächlich brauche, weil ich mir meine Menstruation nicht aussuche, weil sie geschlechtsspezifisch ist, was nur Frauen haben, ich kann mir das nicht aussuchen, ich kann nicht zu Hause bleiben, wenn ich meine Tage habe und meine Badewanne vollbluten. Sondern ich brauch ein Produkt, das verhindert, dass ich alles vollsaue. Und es ist einfach nicht gerechtfertigt, dafür den erhöhten Steuersatz zu erheben."
Es gehe ums Prinzip und darum, die Menstruation zu enttabuisieren, so Roloff. Die tatsächliche finanzielle Ersparnis sei zumindest für sie persönlich nicht ausschlaggebend, rechnet sie vor:
"Ich geb‘ 6,75 Euro pro Monat für Tampons aus. Ich hab so Bio-Tampons im Abo, das ist nicht das günstigste Produkt, auch nicht das teuerste Produkt. Ich spar damit ungefähr im Jahr 9,72 Euro Steuern. Das ist nicht die Welt. Das heißt – für mich ist es nicht die Welt. Für jemanden, der jeden Cent umdrehen muss, sind auch diese zwölf Prozent Differenz bei der Steuer durchaus etwas, das sie dann mehr in der Tasche haben."
Im Hartz-IV-Regelsatz lag der Anteil für Gesundheitspflege wie Hygieneartikel 2018 bei 15 Euro – Frauen müssten von dem gleichen Geld aber auch noch Produkte für die Menstruation kaufen, kritisiert Roloff.

Jusos wollen Wegfall von Steuern auf Tampons und Binden

Die Jusos gehen sogar noch einen Schritt weiter: Der SPD-Nachwuchs fordert den kompletten Wegfall von Steuern auf Tampons, Binden und Co.
Im Bundestag ist die Debatte bislang nicht wirklich angekommen. Lothar Binding ist finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Finanzausschuss.
"Ja ich kann verstehen, dass es insofern Unmut gibt, als dass es Produkte gibt, die Männer nicht benötigen. Deshalb muss man aufpassen, dass hier nicht eine doppelte Diskriminierung dadurch entsteht, dass Frauen erstens in der Lohnstruktur benachteiligt sind und zweitens noch in der für sie notwendigen Kostenstruktur, weil sie Produkte brauchen, die Männer nicht brauchen. Aber deshalb bin ich der Meinung, dass wir uns zuerst um die Löhne kümmern und nicht um steuerliche Fragen. Steuern sind eine sehr indirekte Steuerungsmethode, um etwas gerecht zu machen. Ich glaube es ist klüger, sich zunächst um Löhne zu kümmern."
Denn die Erfahrung habe gezeigt, so Lothar Binding: Eine niedrigere Umsatzsteuer sei nicht gleichbedeutend mit einem günstigeren Preis, sondern steigere häufig nur den Gewinn der Hersteller.
Mittlerweile gebe es mehr als 200 Ausnahmen vom regulären Umsatzsteuersatz – zusätzliche Ausnahmen würden das Steuersystem noch weiter verkomplizieren, meint der Finanzpolitiker. Im aktuellen Koalitionsvertrag sei außerdem nichts dergleichen festgeschrieben.

Finanzministerium stellt keine Änderung in Aussicht

Auch das Finanzministerium stellt keine Änderung an der bisherigen Regelung in Aussicht und verweist unter anderem auf EU-Recht. Ein Sprecher teilte schriftlich mit:
"Diese Gesamtkonzeption sieht vor, dass Hygieneprodukte - z.B. Windeln, Binden, Tampons und auch Toilettenpapier - mit dem allgemeinen Steuersatz zu besteuern sind. Diese Zuordnung steht im Einklang mit den Vorgaben der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Gegenwärtig gibt es keine Pläne zur Änderung der bestehenden Regelungen."
Eine Änderung des Umsatzsteuersatzes wäre ohnehin nicht leicht. Bundestag und Bundesrat müssten einer Gesetzesänderung zustimmen, da die Steuer sowohl dem Bund als auch den Ländern zugute kommt. Für Nanna-Josephine Roloff, die gut 120.000 Unterstützer ihrer Online-Petition hinter sich weiß, ist das Thema trotzdem noch nicht abgeschlossen:
"Jede Änderung hat ihre Zeit. Und ich glaube bei dem was gerade weltweit passiert, ist jetzt halt auch die Zeit über die Menstruation zu sprechen."
Immerhin hat die EU-Kommission Pläne vorgestellt, nach denen die Mitgliedsstaaten bei der Umsatzsteuer flexibler sein können. Hygieneprodukte könnten demnach möglicherweise komplett von der Steuer befreit werden. Aber auch dann braucht es noch den politischen Willen.
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