Debatte um Kolonialkunst

Endlich auf Augenhöhe

Ausstellungsansicht Benin-Bronzen im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
In die Debatte um geraubte Kolonialkunst kommt Bewegung. © Museum für Kunst und Gewerbe, Martina Hille
Hermann Parzinger im Gespräch mit Vladimir Balzer · 23.01.2019
In der seit Monaten laufenden Debatte um den Umgang mit aus afrikanischen Ländern geraubter Kunst verweist der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Kooperationen mit den Ursprungsländern und auf neue Formen der Ausstellungsgestaltung.
Kürzlich wurde das "Museum der Schwarzen Zivilisationen" in Senegals Hauptstadt Dakar eingeweiht. Die Idee hierfür stammt aus den 50er-Jahren und hatte die Schaffung einer panafrikanischen Einheit zum Ziel. Das neue Museum könnte nun die Diskussion um die Rückgabe europäischer Kolonialraubkunst weiter befeuern.
Währenddessen wird in Europa weiter über den richtigen Umgang mit geraubter Kunst aus ehemaligen afrikanischen Kolonien gestritten. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger erklärt im Deutschlandfunk Kultur, dass man bereits Kooperationen mit Angola, Tansania und Namibia eingegangen sei:
"Für uns ist ganz wichtig, dass wir an die Erforschung unserer Bestände herangehen, einerseits die Provenienzen: Wie sind diese Dinge nach Deutschland, nach Berlin gelangt? Aber natürlich auch die ganzen Geschichten, die den Objekten praktisch eingeschrieben sind, die wollen wir ja herauslocken, und diese Geschichten gemeinsam mit den Herkunfts- und Ursprungsgesellschaften erzählen. Das heißt: Deren Mitwirkung im kuratorischen Prozess, in der Deutungshoheit ist natürlich ganz ganz wichtig."

Den Maji-Maji-Krieg aufarbeiten

Im Humboldt-Forum sollen beispielsweise Objekte aus der ehemaligen deutschen Kolonie Tansania gezeigt werden, wie Parzinger berichtet - jedoch in Zusammenarbeit mit zwei tansanischen Kuratoren. So soll die Geschichte rund um den Maji-Maji-Krieg, bei dem je nach Quelle zwischen 70.000 und 300.000 Menschen ums Leben gekommen sind, von den afrikanischen Experten mit Hilfe dieser Objekte erzählt werden. Danach werde man die Objekte zurückgeben. Für Parzinger ist "das alles nur ein Anfang", das Thema werde uns sicher noch jahrelang beschäftigen.

Nicht alles ist Raubkunst

"Darin liegt auch die große Chance, dass wir mit den Herkunftsländern auf ganz neue Weise - auf Augenhöhe - zusammenarbeiten und uns wirklich gemeinsam um dieses kulturelle Erbe kümmern, Geschichten erzählen und Dinge zurückgeben, wenn sie geraubt sind."
Jedoch müsse man sich "von der Vorstellung lösen, dass alles, was aus diesen Ländern kommt, geraubt oder gestohlen ist". Darunter seien eben auch "unglaublich viele Alltagsgegenstände. Das sind ja nicht nur Sakralobjekte oder wertvolle Kunstobjekte." Die Forscher und Sammler hätten einfach "alles gesammelt, was von diesen Kulturen an materiellen Hinterlassenschaften zu bekommen war - eben zur Erhaltung sozusagen für die Nachwelt".

Neue Perspektiven im Humboldt-Forum

Parzinger berichtet auch von jahrelang laufenden Kooperationen mit indigenen Gruppen im Amazonas-Tiefland: Dort würden Objekte teilweise auch als Lebewesen betrachtet. "Diese Perspektive miteinzubringen, ist ungemein wichtig." In dieser Zusammenarbeit eröffneten sich ganz neue Perspektiven. "Und diese von den Menschen im Humboldt-Forum selber erzählen zu lassen - das ist, glaube ich, die spannende Geschichte, die die Menschen interessieren wird."
Parzinger kann sich aber auch als Resultat dieser neuen Zusammenarbeit vorstellen, nicht-geraubte, aber für die Communitys wichtige Objekte, als Dauerleihgaben oder Schenkungen an die Herkunftsländer zu übergeben.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.© picture alliance/dpa/AP
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