Kontroverse um Umgang mit kolonialer Kunst

"Die rassistischen Exzesse werden von Bredekamp ignoriert"

Objekte aus dem Ethnologischen Museum Berlin werden während einer Veranstaltung präsentiert. Die früheren unrechtmäßig entnommenen Grabbeigaben stammen aus Chenega Island an der Südküste Alaskas und werden nach einem Beschluss des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an die Chugach Alaska Corporation zurückgegeben.
Objekte aus dem Ethnologischen Museum Berlin, die nach einem Beschluss des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz restituiert wurden. © dpa-Bildfunk / Ralf Hirschberger
Jürgen Zimmerer im Gespräch mit Marietta Schwarz · 27.11.2018
Haben deutsche Forscher – im Gegensatz zu den großen Kolonialmächten – im Sinne der Aufklärung, also in guter Absicht gesammelt? Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer kann dieser These des Kulturhistorikers Horst Bredekamp nicht zustimmen.
In der vergangenen Woche veröffentlichte die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy ein Papier, in dem sie Regeln zur Restitution kolonialer Raubkunst vorschlug. Savoy, die auch den Französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Umgang mit kolonialer Kunst berät, forderte darin, dass Artefakte generell in die Herkunftsländer zurückgegeben werden sollten, wenn Museen nicht beweisen können, dass die Kunstwerke einst mit Einwilligung der Besitzer nach Europa kamen.
Horst Bredekamp, Gründungsintendant des Humboldt Forums bis Juni 2018, kritisierte jüngst im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur Savoys Vorschlag. Dass die Beweislast bei den Museen liegen solle, sei nicht akzeptabel und widerspreche dem Rechtsgrundsatz demokratischer Staaten. So werde das Fehlen von Quellen als Schuld gewertet und das sei die Umkehrung der Unschuldsvermutung.

Deutscher Restitutionsleitfaden mit anderem Schwerpunkt

Auch der Deutsche Museumsbund hat einen Leitfaden für den Umgang mit Kolonialkunst entwickelt. Das deutsche Papier unterscheide sich sehr stark vom Vorschlag aus Frankreich und sei nicht so eng auf Afrika und die Restitution ausgerichtet, sagte Afrikaforscher Jürgen Zimmerer im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Er hat an den Vorschlägen des Museumsbundes mitgewirkt. Besonderer Wert sei auch auf die Definition gelegt worden, was alles kolonial ist.
"Kolonialismus und sensible Objekte, weil sie eben aus dem Kolonialismus kommen, sind auch Plakate, sind auch rassistische Poster, sind also auch die ganzen Objekte, die ganzen Dokumente, Quellen, die im Grunde in Deutschand produziert wurden mit Bezug auf den Kolonialismus."
Porträt von Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt Afrika an der Universität Hamburg
Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt Afrika an der Universität Hamburg© Michel Dingler//UHH
Bredekamps Ansicht, dass in Deutschland von Forschern wie Leibnitz oder den Brüdern Humboldt im Sinne der Aufklärung, also in guter Absicht – im Gegensatz zu den großen Kolonialmächten England und Frankreich – gesammelt wurde, kann Zimmerer nicht zustimmen.

Kein fairer Erwerb von Kunstobjekten

Diese Argumentation gehe an den Kernproblemen vorbei. Sinnvoller sei zu untersuchen, wie Objekte in den Herkunftsgesellschaften erworben wurden, ob unter fairen Bedingungen und freiwillig. Und da sei Bredekamps Ansicht, dass das deutsche Sammeln traditionell der Aufklärung gedient habe, eine Fiktion. Es gebe zahlreiche Quellen, so Zimmerer, die das Gegenteil belegten. Denn deutsche Käufer hätten den Preis für Objekte festgelegt, indem sie zahlten, was sie für einen angemessen Preis hielten.
"Das spricht jedem Rechtsverständnis eines Kaufs Hohn. Oder es wurde eben mit Gewalt oder Druck entwendet. Die Intention des Sammelns war auch in Berlin das Ausstellen der Primitiviät der Welt."
Die Museen der damaligen Zeit hätten auf diese Weise die Überlegenheitsfantasien der Europäer und Deutschen befeuert. Der rassistische, eurozentrische Blick fuße auf diesen Sammlungen.

Mythos der positiven Aufklärung

Man könne ein positives Bild von Aufklärung haben, so Zimmerer. "Mich verstört, dass Bredekamp ein Bild der deutschen Geschichte schaffen will, das die rassistischen Exzesse des 20. Jahrhunderts ignoriert und an eine Gelehrtenrepublik oder Gelehrtenmonarchie anknüpfen will, die es so ja nie gegeben hat. Und die ihrerseits in die Exzesse des Kolonialismus und auch des Nationalsozialismus mündet. Da findet man bei Bredekamp kein Wort."

Die Vorschläge von Bénédicte Savoy zum Umgang mit kolonialer Kunst hat auch Wiebke Ahrndt, die Direktorin des Übersee-Museums Bremen, untersucht. Der Bericht von Bénédicte Savoy und Felmine Sarr könnte zumindest für französische Museen weitreichende Folgen haben – so befinden sich etwa im Pariser Musée du Quai Branly zehntausende Objekte mit kolonialer Geschichte, denen die Rückgabe drohen könnte.

Wiebke Ahrndt zeigte sich, was ihre Bestände im Übersee-Museum Bremen betrifft, im Interview mit Deutschlandfunk Kultur gelassen. "Es wird Rückgaben geben, es gab sie auch schon, aber die öffentliche Diskussion über Rückgaben und die Rückgabeforderungen, die die Häuser erreichen, stehen in keinem Verhältnis."

Hier hören Sie das vollständige Gespräch mit Wiebke Ahrndt zum Vorschlag der französischen Historikerin Bénédicte Savoy:
Audio Player

Mehr zum Thema