Hajo Schumacher, geboren 1964 in Münster, arbeitete von 1990 bis 2000 beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Später leitete er die Redaktion des Lifestyle-Magazins "Max". Heute ist er als freier Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine, Hörfunk, Onlinemedien und das Fernsehen tätig. Sein neues Buch heißt: "Kein Netz ! Geld, Zeit, Laune, Liebe – wie wir unser wirkliches Leben zurückerobern".
Wohlkalkuliertes Missverstehen
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Die Journalistin Carolin Emcke hat eine Rede gehalten, die nun heftig diskutiert und kritisiert wird: Sie verharmlose den Holocaust, heißt es unter anderem. Ihr Kollege Hajo Schumacher findet diesen Vorwurf absurd.
In einer Gastrede auf dem Parteitag der Grünen am 11. Juni fand die Journalistin Carolin Emcke deutliche Worte: Darüber, wie der demokratische Diskurs durch Populismus, Ressentiments und Falschinformationen gefährdet werde und wie dies auch den Bundestagswahlkampf prägen werde. Für ihre Worte erntete die Journalistin einen Shitstorm mit Beiträgen aus allen politischen Lagern.
Emcke hatte unter anderem wörtlich gesagt: "Die radikale Wissenschaftsfeindlichkeit, die zynische Ausbeutung sozialer Unsicherheit, die populistische Mobilisierung und die Bereitschaft zu Ressentiment und Gewalt werden bleiben. Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen."
"Völlig unangemessene Züge"
Daraufhin warfen ihr Kritiker eine Verharmlosung des Holocaust vor. Es gab aber auch andere Stimmen, Lars Klingbeil von der SPD etwa, der diesen Vorwurf als absurd bezeichnet. Und nicht zuletzt äußerte der Zentralrat der Juden in Deutschland via Twitter, die Debatte um Emckes Rede nehme "völlig unangemessene Züge an" und sollte schnellstens beendet werden.
Auch der Journalist Hajo Schumacher weist den Verharmlosungs-Vorwurf zurück: Dieser entbehre jeder Grundlage. Was man derzeit erlebe, sei vielmehr ein wohlkalkuliertes "strategisches Missverstehen, das natürlich im Wahlkampf zu einer besonderen Blüte getrieben wird. Das heißt: Jedes kleinste Detail, das ich irgendwie drehen kann, das drehe ich auch."
Paul Ziemiak mache, so gesehen, seinem Job als CDU-Generalsekretär "alle Ehre, indem er das sofort von Carolin Emcke wegnimmt und – zack! – auf die Grünen-Kandidatin Baerbock spielt: Die müsse sich jetzt entschuldigen und distanzieren – und so weiter."
Toxische Debatte
Es sei sehr schwer, etwas dagegen zu sagen, wenn man sich, wie jetzt im aktuellen Fall, einmal den Antisemitismus-Vorwurf zugezogen habe. Möglicherweise wäre es klüger gewesen, wenn Carolin Emcke statt von Juden einfach allgemein von "Religionen" gesprochen hätte, meint Schumacher.
Doch allgemein sei die gesamte Debatte "so toxisch und wird von so vielen Seiten instrumentalisiert, dass das Urteil des Zentralrats der Juden da vielleicht erst einmal eine Orientierung liefert, in dem er gesagt hat: Hey – da war nichts!"
(mkn)