Lisa Eckhart widerspricht Vorwürfen

"Ich lasse keine Religion und keine Ethnie aus"

07:32 Minuten
Die Kabarettistin Lisa Eckhart gestikuliert mit ihren Händen bei einem Interview.
Führt Listen, um ja niemanden in ihrem Programm zu vergessen: die Kabarettistin Lisa Eckhart, die nun auch Romanautorin ist. © picture alliance / APA / picturedesk.com / Hans Punz
Moderation: Ute Welty · 17.08.2020
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Die Kabarettistin Lisa Eckhart hat turbulente Wochen hinter sich. Heute erscheint "Omama", ihr erster Roman. Ein Gespräch über Identitäten, politische Korrektheit und das Schmerzempfinden des Publikums.
Immer wieder gibt es Debatten über die politische Korrektheit - eine der letzten drehte sich um die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart. Sie wurde für angeblich antisemitische Klischees in ihrem Programm kritisiert. Das Hamburger Harbour Front Literaturfestival lud sie mit Hinweis auf Sicherheitsbedenken aus. Eigentlich sollte Eckhart an einem Wettbewerb um den besten Debütroman teilnehmen. Dann sollte sie doch kommen, wollte aber nicht mehr.
Eckhart hat nun auch ohne das Festival genug Aufmerksamkeit für ihren ersten Roman geerntet, der heute erscheint. Den Vorwurf des Antisemitismus findet sie "empörend" und "argumentativ an den Haaren herbeigezogen", sagt sie. Sie lasse keine Religion und Ethnie in ihrem Programm aus. Gutes Kabarett bohre nun einmal in den Wunden des Publikums, sie beleidige aber niemanden in ihrem Programm, sagt Eckhart.
Von politischer Korrektheit hält die Kabarettistin nicht viel. Das sei eine "infantile Form von Respekt und Höflichkeit". Mit "ganz rigiden Regeln" - ungefähr so wie bei Kindern, denen man sage, dieses oder jenes sei eben so, erläutert Eckhart. Das tue man, weil Kindern eben noch die Fähigkeit abgehe, im Einzelfall zu entscheiden, was man sagen dürfe, um das Gegenüber nicht zu kränken - sie wüssten noch nicht, was angemessen sei und was nicht.
(ahe)

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Omama hat es nicht so mit den modernen Schokoladensorten. Koriander-Lakritz oder auch Tofu-Salami sind für sie "kranke Kreuzungen - da conchiert ein Mengele."
Solche Sätze haut Lisa Eckhart am laufenden Band raus in ihrem Debütroman "Omama", der heute erscheint. Auch Kunstfiguren haben also offenbar Großmütter, denn Lisa Eckhart ist eine Kunstfigur, erfunden und gespielt von Lisa Lasselsberger.
Und ob Lisa Eckhart wiederum tatsächlich von ihrer Großmutter im Buch berichtet, das sei auch noch mal dahingestellt. Jedenfalls ist "Omama" keine besonders sympathische Frau. Aber das kann man auch Lisa Eckhart nicht unterstellen, Everybody's Darling sein zu wollen. Ihre Auftritte provozieren, vorgeworfen werden ihr Rassismus, Antisemitismus und fehlende politische Korrektheit – und: Dieser Vorwurf ist berechtigt, sagt Lisa Eckhart.
Lisa Eckhart: Ja, natürlich, aber sie haben nicht recht, das zu kritisieren oder daraus eine mangelnde Höflichkeit abzuleiten, die mir sehr wohl gegeben ist.
Welty: Warum ist das so?
Eckhart: Ach, weil es sich meines Erachtens nach doch sehr respektvoll gegenüber anderen äußert und es versucht, das ist mir das Wichtigste, dass ich keine Religion oder Ethnie auslasse in meinen Programmen. Ich führe tatsächlich Listen, um jeden Einzelnen sichtbar zu machen.

Infantile Form von Respekt und Höflichkeit

Welty: Wie definieren Sie denn politisch korrekt, und wie definieren Sie gutes Kabarett?
Eckhart: Politische Korrektheit würde ich definieren als eine etwas infantile Form von Respekt und Höflichkeit, die ganz, ganz rigider Regeln bedarf und die noch nicht die Fähigkeit besitzt, einzeln im Moment abzuschätzen, was jetzt angemessen ist und was nicht, also etwas eher, wie man Kindern sagt, die ganz klare Regeln brauchen. Wenn sie fragen warum, dann sagt man, weil das so ist, weil ihnen einfach noch das Vermögen abgeht, einzeln zu entscheiden, wie sie jetzt ihr Gegenüber nicht kränken.
Welty: Und das gute Kabarett?
Eckhart: Ach, gutes Cabaret stieselt in den Wunden derer, die anwesend sind, stieselt in den Wunden des Cabaret-Publikums, das sich aus einem bestimmten Milieu zusammensetzt.
Welty: Sie nehmen für sich Narrenfreiheit in Anspruch. Bedeutet das auch, dass Sie andere beleidigen, verunglimpfen und verletzen dürfen?
Eckhart: Ich meine nicht, dass ich das tue, wobei ich sagen muss, das Schmerzempfinden scheint mir gerade im Wandel zu sein – die Makroaggressionen spare ich aus. Es kann sein, dass Mikroaggressionen festgestellt werden, die sich aber so im molekularen Bereich befinden, dass es mir schwerfällt, da jede einzelne zu berücksichtigen.

Verwirrspiele des Publikums

Welty: Von "Omama" in Ihrem Debütroman heißt es, sie braucht keine Panzerfaust, sondern streichelt mit dem Samthandschuh offene Wunden auf die Haut. Für welche Waffe entscheiden Sie sich?
Eckhart: Wahrscheinlich auch letztere. Das ist eine treffliche Formulierung, auch für das, was ich auf der Bühne zu machen gedenke.
Welty: Vor allem entscheiden Sie sich aber auch für ein Verwirrspiel. Da ist die Kunstfigur als Autorin, die Ich-Erzählerin im Buch, und dann ist da noch die Privatperson Lisa Lasselsberger. Können Sie die Ebenen noch trennen, und können Sie nachvollziehen, wenn das dem Publikum nicht immer gelingt?
Eckhart: Das Verwirrspielen hat das Publikum selbst begonnen. Dass da eine Trennung überhaupt gemacht werden muss, das hab ich nie für mich beansprucht und tue es auch sonst nicht. Ich würde ja verrückt werden, wenn ich zwischen den dreien trennen würde. Das kann schon sein, dass sich die gern mal widersprechen, aber ich bin für Diversität im Individuum. Und das lebe ich auch voll und ganz. Ich versuche nicht im Geringsten, mich mit mir selbst und die verschiedenen Instanzen irgendwie harmonisch in Einklang zu bringen. Das ist etwas, das liegt mir nicht.
Welty: Um mit einem berühmten deutschen Philosophen zu sprechen: Wer sind Sie, und wenn ja, wie viele?
Eckhart: Ich halt’s eher mit Rimbaud, "Ich ist ein Anderer". Aber gut, es geht wahrscheinlich in die gleiche Richtung.
Welty: Tatsächlich wächst Lisa Lasselsberger bei den Großeltern auf, hat "Omama" dann doch so was wie autobiografische Züge?
Eckhart: Ach, der Reich-Ranicki hat ja gesagt, Biografie ist es immer. Das kann ich ja nicht völlig von mir abschälen. Allerdings, das Mischungsverhältnis aus den beiden möchte ich nicht preisgeben, wahrscheinlich nicht zuletzt, weil ich es selbst nach all den Jahren nicht mehr weiß, was tatsächlich vonstatten gegangen ist und was nicht. Das erachte ich aber keinesfalls als interessant, mir ist es ein Rätsel, warum Leute immer sehr angetan sind von Geschichten, die auf wahren Begebenheit fußen, was ich immer eher für einen Mangel an Kreativität halte.

Der Antisemitismus-Vorwurf trifft

Welty: Wie sehr trifft es denn Lisa Lasselsberger, wenn Lisa Eckhart Antisemitismus vorgeworfen wird?
Eckhart: Das trifft auch Lisa Eckhart, das darf man nicht glauben, dass sich da nicht beide mal einig sind. Das war tatsächlich ein guter Anlass, diese ganze Geschichte sich mal mit mir selbst zu versöhnen und dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, die Lasselsberger und die Eckhart. Das trifft mich insofern, weil ich es empörend finde, dass ich in meiner Nummer ja Antisemitismus vorwerfe. Solche ein wirre Volte zu schlagen, das empört mich nicht, weil es mich kränkt, sondern weil ich es argumentativ sehr an den Haaren herbeigezogen finde.
Welty: Wegen dieser Vorwürfe haben Sie in Hamburg zuletzt als Sicherheitsrisiko gegolten, so zumindest ist berichtet worden. Hört der Spaß auf, wenn es um Ihre körperliche Unversehrtheit geht?
Eckhart: Ach, nein, ein Sicherheitsrisiko, vermutlich vor 30 Jahren hätte man sich darüber noch freuen können, aber in unserer Gesellschaft, was oder wer ist kein Sicherheitsrisiko? Das ist ja ein Titel, der wie Flyer auf der Straße ausgeteilt wird. Da kann ich mich jetzt irgendwo einreihen zwischen Shampoo im Handgepäck und Fahrradfahren ohne Helm. Dessen kann ich mich leider nicht rühmen. Vielleicht hätte ich mich irgendwann gefreut, aber ...
Welty: Sie selber verorten sich künstlerisch zwischen Goethe, Jelinek und Kinski – inwieweit ist das ein österreichisches Bermudadreieck des Größenwahns?
Eckhart: Ich glaube nicht, dass ich mich selbst jemals darin verortet hab. Ich hab sie mal genannt als Einflüsse, wobei ich finde, sie überhaupt zu nennen als Einflüsse, ist schon schrecklich uneitel eigentlich. Im Grunde müsste ich behaupten, ich hätte mich völlig aus mir selbst geschaffen und in meinem Leben kein Buch gelesen. Selbst wenn ich mich in diese Reihe von Größen einordne, ist das doch schrecklich bescheiden, keine Kopfgeburt meiner selbst zu sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Lisa Eckhart: Omama
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2020
384 Seiten, 24 Euro

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