David Bowie: "My Death"

Dieser Tod ist nur für mich bestimmt

David Bowie spielt bei einem TV-Auftritt im Jahr 1976 seinen Song "Rebel Rebel".
David Bowie spielt bei einem TV-Auftritt im Jahr 1976 seinen Song "Rebel Rebel". © imago/Photoshot
Von Florian Werner · 12.01.2016
Nach dem Tod David Bowies und dem Wissen über seine Krebserkrankung liest sich sein aktuelles Album "Blackstar" wie ein Schwanengesang. Doch schon vor über 40 Jahren widmete sich Bowie immer wieder dem Thema der Sterblichkeit - etwa in dem Song "My Death".
"My death waits like an old roué
So confident I'll go his way
Whistle to him and the passing time"
So kennt man ihn, den Gevatter Tod. Sitzt da wie ein "Roué", wie ein elegant-anrüchiger Lebemann, und wartet geduldig. Denn er weiß ja: Früher oder später kommen sie alle zu ihm. Das einzige, was man dagegen tun kann? "Whistle to him", empfiehlt David Bowie: Pfeif oder singe ein Lied.
"My death waits like a bible truth
At the funeral of my youth
Oh, weep loud for that and the passing time"
Das altmodische Lehnwort "Roué" deutet es bereits an: Das Lied "My Death" ist eine Übertragung aus dem Französischen. Ursprünglich handelt es sich um ein Chanson des von David Bowie hochverehrten Sängers Jacques Brel:
"La mort m'attend comme une vieille fille
au rendez-vous de la faucille
Pour mieux cueillir le temps qui passe"
Interpretation als melancholisch-grau gefärbte Ballade
Aber während der belgische Chansonnier das Lebensende in flottem Marschtempo besang, interpretiert Bowie es als melancholisch-grau gefärbte Ballade. Kein Wunder: Während der Tod by Brel generisch als "la mort" bezeichnet wird, erscheint er in Bowies Version personalisiert, konkret auf den Sänger bezogen: "my death". Dieser Tod ist nur für mich bestimmt.
"My death waits like a witch at night
As surely as our love is bright
Let's not think about the passing time"
Ein kleiner Trost: Der Sänger hat Gesellschaft. Zusammen mit einem nicht näher bestimmten "Du" verscheucht er die finsteren Endlichkeitsgedanken mit dem Licht der Liebe. Der oder die Geliebte verstellt ihm die Türe zum Totenreich:
"But whatever lies behind the door
There is nothing much to do
Angel or devil, I don't care
For in front of that door - there is you."
Todesvorzeichen schleichen sich ins Doppelbett
Allerdings funktioniert diese Form der Verdrängung nicht auf Dauer. Im Laufe des Lieds schleichen sich die Todesvorzeichen selbst in die intimsten Nischen der Zweisamkeit: ins Doppelbett. Zwischen die Schenkel. Bis in die Fingerspitzen, die eines Tages die Augen des Sängers für immer schließen werden:
"My death waits there between your thighs
Your cool fingers will close my eyes
Let's think of that and the passing time"
Also doch: Let's think of that - bedenken wir immer das Ende! Aber nicht etwa, um deshalb in Trauer oder gar Furcht zu verfallen - sondern um die uns verbleibenden Tage mit beiden Händen zu pflücken. 1972, als David Bowie diese Zeilen sang, war die irdische Ausgangstür für ihn noch erfreulich weit entfernt. Und der Schlussapplaus zeigt: Seine Fans wollten ihm den Weg ins Totenreich am liebsten persönlich und für immer versperren.
"Angel or devil - I don't care
For in front of that door there is ... (Me! Me! Me!)"
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