Das Rätsel um die Liebe knacken

02.04.2013
Liebe, Sex und Leidenschaft aus neurowissenschaftlicher Perspektive - damit hat sich die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Kayt Sukel in diesem Buch befasst, und das mit vollem Körpereinsatz. Die Erkenntnisse sind nicht immer neu, aber dennoch erstaunlich.
Jedem Verhalten liegt eine entsprechende Struktur im Gehirn zu Grunde. Von diesem Standpunkt aus erforschen Neurowissenschaftler zunehmend auch Phänomene wie Mutterliebe, Monogamie und Untreue. Aber kann Wissenschaft wirklich neue Erkenntnisse über das Wesen der Liebe liefern?, fragt Kayt Sukel.

In ihrem neuem Buch "Schmutzige Gedanken" taucht sie tief ins Fach ein, berichtet über neuste Forschungsergebnisse, stellt Wissenschaftler vor und nimmt selbst an Experimenten teil. Ihr Buch wird so zu einer Art Potpourri aus Sachbuch und Ich-Erzählung: Am Ende weiß man mehr über die Autorin als manchem lieb sein wird.

Trotzdem lohnt sich die Lektüre. Denn Sukel räumt auf mit so manchem Vorurteil, wie etwa dem über das "Homosexualitätsgen" oder der plakativen Vereinfachung "Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus". Stattdessen macht sie an vielen Beispielen deutlich, dass das Gehirn plastisch, also bis ins hohe Alter verform- und veränderbar und komplex ist. Es wird von Umwelteinflüssen und sozialen Beziehungen beeinflusst und ist so individuell ist wie der Mensch, dem es gehört.

Aber gibt es wirklich keine neuen Einsichten? Unbestritten ist, dass die Neurotransmitter Dopamin, Vasopressin und Oxytocin eine große Rolle bei Liebe und Beziehungen spielen. Einige Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass es drei getrennte Systeme für Sex, romantische Liebe und tiefe Bindung gibt. Und dass bei jedem der drei Gefühle unterschiedliche Botenstoffe und unterschiedliche Regionen des Gehirns aktiviert werden. Was wiederum bedeuten würde, dass man gleichzeitig in einen Menschen verliebt sein kann, mit einem anderen Sex hat und den langjährigen Partner mit beiden betrügt.

Brillant und anschaulich sind vor allem die Stellen im Buch, in denen es um die Beschreibung der Epigenetik, diesem Wechselspiel aus Genen, Umwelt und Erfahrung, geht. Sukel macht deutlich, dass wir von Genen geleitet, aber keinesfalls von ihnen bestimmt werden. Unvergesslich ist auch wenn sie - mit vollem Körpereinsatz im Kernspintomographen - die Hirnaktivität beim Orgasmus dokumentiert. Oder die Unterschiede zwischen Männern und Frauen thematisiert – es zeigt sich, dass nicht nur beide Geschlechter Stress auf die gleiche Weise empfinden, sondern auch Liebe.

Nach Kapiteln zu Monogamie, Untreue und sexueller Anziehung widmet sich die Autorin der Frage, wie die Liebe bleibt. Tatsächlich haben Experimente bewiesen, dass diese Liebe gibt und "heiße, leidenschaftliche Liebe durchaus über lange Zeit am Leben gehalten werden kann." Das hängt auch am Oxytocinspiegel, der durch Berührung und sexuellen Kontakt angeregt wird. Sukel schreibt: "In idealen Beziehung sorgt jeder dafür, dass der andere das bekommt, was er braucht." Rätselhaft bleibt die Liebe trotzdem. Auch die Autorin dieses sehr faktenreichen Buches verbeugt sich am Ende vor diesem Geheimnis - das wohl auch die junge Neurowissenschaft diesem uralten Gefühl so schnell nicht entreißen wird.

Besprochen von Ariadne von Schirach

Kayt Sukel: Schmutzige Gedanken. Wie unser Gehirn Liebe, Sex und Partnerschaft beeinflusst
Primus Verlag, Darmstadt 2013
304 Seiten, 24,90 Euro
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