Sex-Overkill auf Kölsch

17.12.2012
Nach Geschichten über Adam, Noah und Paulus widmet sich der Comic-Zeichner Ralf König in seinem neuen Band dem Kölner Mythos um die heilige Ursula. Wieder wird hier Königs anti-klerikale Haltung deutlich, doch leider nervt das Buch mit zu vielen Zoten und Sex-Kalauern.
Der Grafiker und Zeichner Ralf König hat in den vergangenen Jahren sein Lebensthema Homosexualität um eine Dimension, um die Religionskritik, erweitert. Der bekennende Atheist, Mitglied der Giordano-Bruno-Gesellschaft, schuf 2008 mit "Prototyp" eine hochintelligente Comic-Geschichte über Adam und Eva im und außerhalb des Paradieses. Dabei war – neben dem Witz der Königschen Figuren – das leicht-balancierende Spiel mit den Blasphemieen oder mit den Widersprüchen des Mythos faszinierend. Der "Archetyp" von 2009, die Geschichte Noahs, entwickelte die Karikatur eines religiösen Eiferers, der sich durch seine Rigorosität an seinen Mitmenschen rächt. Der dritte Teil der Trilogie über Paulus (2010) entglitt König, der in den Bänden zuvor so subtil theologisch beziehungsweise anti-theologisch reflektierte und fast anmutig ins Bild setzte, schon ab und zu ins Zotige.

Völlig im Orgiastischen versackend erlebt man Ralf Königs umfangreichen Comic "Elftausend Jungfrauen" über die heilige Ursula, den Kölner Lieblingsmythos. Um das Jahr 300 soll Ursula in Begleitung von angeblich 10.000 Jungfrauen nach Rom gepilgert sein, bewegte den Papst, mit ihr nach Köln zu ziehen und führte ihre Mitpilger schließlich vor die Tore Kölns, wo sie auf die Hunnen trafen, die sie schrecklich metzelten.

Über die 190 Seiten geht einem die Unterlegung, oder besser die Überwölbung mit sexuell grell aufgeladenen Kalauern oder Zoten auf die Nerven. Auch wenn der Leser die anti-klerikale und anti-asketische Haltung teilen mag und bei allem Verständnis für eine durch den Katholizismus beschädigte Erziehung – nur durch die Konfrontation mit der Realität der Triebe kommt man dem Phänomen Religion nicht bei. Wäre nicht dieser sexuelle Overkill in den "Elftausend Jungfrauen" so konform mit unserer Glitzerwelt, würde er sehr befremdlich wirken, jedenfalls nicht als einzige Pointe fast aller Szenen.

Die Übersetzung einiger Überleitungstexte ins Kölsche soll wohl diesen schwachen König regional interessant machen. Auf den Nicht-Kölner wirkt das aber leider provinziell. Die Meisterschaft Ralf Königs in seinem ersten Religionsbuch "Prototyp" war offenbar ein großer Wurf. Die Thematik hat den Zeichner weiter fasziniert, aber durch den religionspolitischen Furor ist viel an Witz, Tiefe und Eleganz verloren gegangen.

Besprochen von Marius Meller

Ralf König: Elftausend Jungfrauen
Rowohlt Verlang, Reinbek 2012
191 Seiten, 18,95 Euro

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