Das Klima der Zukunft simulieren

Von Annegret Faber |
In einem Langzeitprojekt ermittelt das Helmholtz-Zentrum über 15 Jahre, welche Folgen höhere Temperaturen und weniger Niederschlag für die Landwirtschaft haben werden. Die Ergebnisse sollen den Landwirten helfen und Politiker bei ihren Entscheidungen unterstützen.
Zur Einweihung des Versuchsgeländes sind im Festzelt 40 Grad, draußen in der Sonne 35 Grad. Die Gäste wedeln sich mit den Einladungskarten Luft zu. Der wissenschaftliche Geschäftsführer des UFZ, Prof. Georg Teutsch, begrüßt die Gäste im offenen Hemd:

"Wir müssen lernen, uns dem anzupassen und die erste Anpassungsmaßnahme, Sie sehen mich hier völlig inkorrekt gekleidet, ohne Jacke, ohne Krawatte und ich fordere alle auf, die sich da anpassen wollen, ich glaube ab 35 Grad ist das einfach zulässig."

Anpassung ist das Stichwort. Nicht nur der Mensch, auch die Vegetation wird sich dem Klima anpassen. Vor allem der Landwirt muss sich diesem Problem stellen. Deshalb gibt es nun das Forschungsprojekt "Global Change Experimental Facility" – was so viel heißt wie, "Möglichkeiten globaler Veränderung". Der wissenschaftliche Koordinator Martin Schäler steht draußen in der Sonne vor dem sieben Hektar großen Gelände. Er zeigt auf 50 Felder, je 16 Meter breit und 24 Meter lang. Alle sind mit Metallskeletten überbaut. Hier wird das Klima der Zukunft simuliert.

Martin Schäler: "Hier auf diesen Parzellen, wo wir das Klima manipulieren, haben wir also die beweglichen Dächer und die beweglichen Seitenteile. Die schließen sich zunächst einmal voll automatisch jede Nacht und erhöhen die Nachttemperatur. Das stimmt mit diesen Klimamodellen überein, die sagen, dass die Nachttemperaturen erhöht werden, durch eine verstärkte Wolkendecke."

Auch die Nachtfröste werden somit verkürzt.

Schädler: "Das heißt wir haben eine einen Monat längere Vegetationsperiode. Ganz genau wie es die Klimaszenarien vorher sagen."

Die Stahlkonstruktionen können es außerdem regnen lassen oder halten den Regen ab, fügt der Biologe Harald Auge hinzu. Er und zwei weitere Kollegen hatten die Idee für das Versuchsfeld.

Harald Auge: "In erster Linie wollen wir simulieren die klimatische Situation, wie sie von den Klimamodellen von den nächsten 50 bis 100 Jahre vorher gesagt wird. Also eine Verschiebung der Niederschlagsverteilung im Jahr, hin zu mehr trockenen Sommern und im Herbst feuchtere Winter, feuchtere Frühjahre und insgesamt eine leichte Reduktion des Niederschlages über das Jahr und gleichzeitig eine um zwei Grad angehobene Durchschnittstemperatur."

Auf den Feldern, also unter den Gerüsten, wächst momentan Hafer. Mit dieser Ausgleichsfrucht werden erst einmal auf allen Parzellen gleiche Bedingungen geschaffen. Nach der Ernte im Herbst kommt dann die endgültige Saat - fünf unterschiedliche Bepflanzungen.

Auge: "Eine intensive Fruchtfolge, einen biologischen Ackerbau, wo keine Herbizide und keine Pestizide angewendet werden, ein intensives Grünland mit wenigen Hochleistungssorten von Gräsern und Kräutern die für die Futterproduktion eingesetzt werden. Eine artenreiche Mähwiese, die nur zwei- bis dreimal im Jahr gemäht wird und als fünfte und letzte Landnutzungsvariante werden wir hier eine extensive Schafweide abbilden."

Diese fünf Landnutzungsvarianten werden dem normalen Klima ausgesetzt und daneben dem zu erwartenden Klima. Macht zehn Versuchsflächen. Um fundierte Forschungsergebnisse zu bekommen, gibt es alles in fünffacher Ausführung. Macht 50 Felder. Die werden 15 Jahre intensiv überwacht und beobachtet. Im Mittelpunkt stehen Pflanzenwachstum, Wasserhaushalt und CO2 Austausch.

Auge: "Wir haben da vorne gesehen, diese Infrarotmessungen, die misst zum Beispiel, wie intensiv der Austausch von CO2 und Wasser aber auch anderen Klima relevanten Spurengasen zwischen Boden und Atmosphäre stattfindet."

Dr. Nils Reiche vom Department Monitoring- und Erkundungstechnologie nutzt dafür die Infrarot-Spektroskopie. Mit ihrer Hilfe können zum Beispiel Molekülstrukturen analysiert werden. Die Technik versteckt sich in einer größeren, grauen Plastikbox, die am Rand eines Feldes auf einem Stativ steht.

Nils Reiche: "Und gerade hier sollen ja verschiedene Landnutzungsformen verglichen werden und zudem noch unter dem globalen Wandel und da kann man schon davon ausgehen, dass wir Unterschiede in der CO2-Speicherung sehen, die man eventuell mit diesen Geräten dann überwachen kann."

Die Forschungsergebnisse sollen dem Bauern der Zukunft helfen, sein Feld zu bestellen, und Politiker bei ihren Entscheidungen unterstützen, sagt Biologe Harald Auge.

Auge: "Unter welchen Landnutzungsformen finden wir eine optimale Entwicklung verschiedener Bodenprozesse, das heißt, Humusanreicherung im Boden, Kohlenstoffspeicherung im Ökosystem und wie sich diese Prozesse unter dem künftigen Klima gestalten werden, darüber wissen wir nur sehr wenig und wir haben nur ein paar Anhaltspunkte, die aus Modellen abgeleitet werden."

Vier Millionen Euro kostet die Klimasimulation am Rand des Goethe-Städtchens Bad Lauchstädt - finanziert durch die Helmholtz-Gemeinschaft, das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen. Der kleine Ort in Sachsen-Anhalt hat Erfahrung mit Langzeitprojekten. Seit 100 Jahren werden hier Ackerflächen auf Düngung untersucht. Das 15-jährige Klimaprojekt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ist dagegen ein Baby, dessen Heranwachsen weltweit beobachtet wird und in das große Erwartungen gesetzt werden.

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