"Das hat nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun"

Im Gespräch mit Christel Blanke und Ulrich Ziegler |
CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer lehnt eine Ausweitung des Mindestlohns ab. Zwar akzeptiere sie einen branchenbezogenen, tariflichen Mindestlohn wie bei den Briefzustellern, sagte sie. Einen Mindestlohn nach Bedarf dürfe es aber nicht geben, betonte sie mit Blick auf den Koalitionspartner SPD.
Deutschlandradio Kultur: Morgen beginnt in Hannover der Parteitag Ihrer Schwesterpartei, der CDU. Ihr Parteichef Erwin Huber warnt die CDU vor einem Linksrutsch. Frau Haderthauer, woran machen Sie das denn fest?

Christine Haderthauer: Es ist natürlich für die Menschen, wenn Sie die Bundesrepublik anschauen und das, was als Ergebnisse der Großen Koalition verhandelt wird, manchmal gar nicht so einfach, jetzt das jeweilige Profil ihrer Partei und in dem Falle dann auch der Union zu erkennen, weil das Ergebnis einer Großen Koalition selten das ist, was die jeweilige Partei gerne in Reinkultur verwirklicht hätte.

Deswegen wird es um so wichtiger sein, dass die CDU bei ihrem Parteitag ihr Profil erkennbar rausarbeitet und auch deutlich macht, dass sie an ihren Politiklinien und vor allem auch an der konservativen, an der bürgerlichen Prägung festhält, damit sehr deutlich wird: Das, was in der Großen Koalition in der Bundespolitik erzielt wird, ist nicht immer unbedingt die reine Parteilinie. Das kann sie im Übrigen auch gar nicht sein bei einer Großen Koalition.

Deutschlandradio Kultur: Ihr Kollege von der CDU, Ronald Pofalla, hat jetzt versprochen, die SPD werde nach diesem Parteitag der CDU sehr genau sehen, "wo die rote Linie" sei. Ist das ein Versprechen dann an die CSU?

Christine Haderthauer: Das ist natürlich etwas, was ganz klar auch innerhalb der Union wichtig ist, dass hier ganz große Geschlossenheit herrscht. Aber wir haben als CSU das Problem weniger, dass wir unser Profil nicht genügend herausstellen können, denn wir haben immerhin - dadurch, dass wir in Bayern alleine regieren - dort die Vorlage in Reinkultur, wie CSU-Politik aussieht, wie erfolgreich CSU-Politik ist, wenn sie eben alleine verwirklicht werden kann und dadurch auch immer die Möglichkeit unser Profil deutlich zu machen.

Deutschlandradio Kultur: Aber Sie haben ja auch einen bundespolitischen Anspruch.

Christine Haderthauer: Richtig. Den haben wir auch. Der bundespolitische Anspruch wird in Berlin natürlich schon in Geschlossenheit mit der CDU wahrgenommen, aber wir haben durchaus auch andere Akzente und eigene Akzente. Die Herabsenkung der Arbeitslosenversicherung unter die 3,5-Grenze, jetzt 3,3, das ist etwas, was maßgeblich als ganz markanter Punkt auf die CSU zurückgeht.

Wir haben immer wieder eigene Punkte, Betreuungsgeld ist auch so ein Beispiel, in denen wir dann auch wirklich für unsere Position kämpfen und die wir auch oft erfolgreich platzieren können.

Deutschlandradio Kultur: Aber "rote Linie" meint ja in diesem Fall auch: Wir zeigen der SPD - ich sage es mal plakativ - "bis hier hin und nicht weiter, hier stehen wir". Die CSU hat gefordert: Steht in der Mitte, rutscht nicht nach links. Wo müsste diese rote Linie gezogen sein, damit die CSU zufrieden ist?

Christine Haderthauer: Zunächst mal ist für uns das bindend, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Die SPD kann auf Parteitagen gerne Beschlüsse fassen, mit denen Kurt Beck versucht die Basis zu beruhigen, aber bitte vermittelt überhaupt gar nicht erst die Hoffnung, dass wir anfangen werden, mit euch über Dinge zu sprechen wie einen gesetzlichen Mindestlohn, wie ein Tempolimit 130 Stundenkilometer und so weiter.

Deutschlandradio Kultur: Dann bleiben wir mal bei den Briefdienstleistern, bei den Mindestlöhnen. Bundeswirtschaftsminister Glos hat gesagt, er könne dem irgendwie zustimmen, aber dennoch habe er "grundsätzliche Bedenken". Das scheint so eine Spagatlösung zu sein. Man tut es, aber eigentlich will man es nicht. Das ist doch kein Profil.

Christine Haderthauer: Unser Profil ist ganz klar, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn ablehnen. Das ist auch genau die Kante, die hier zur SPD verläuft, die sich eben für einen gesetzlichen Mindestlohn ausspricht. Ein branchenbezogener tariflicher Mindestlohn unter Mitwirkung und Aushandlung der Tarifvertragsparteien kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein.

Der Meinung ist auch die Union und sind wir auch als CSU, wenn auch sehr eingeschränkt. Im Rahmen der Briefzusteller haben wir verlangt, dass ganz klar deutlich gemacht wird, dass hier der Tarifvertrag die Reichweite entsprechend abgrenzen muss. So, wie es ausschaut, ist diese Forderung von uns jetzt erfüllt. Wenn das der Fall ist, dann haben wir immer gesagt, verschließen wir uns dieser branchenspezifischen Einigung nicht.

Deutschlandradio Kultur: Es heißt "christlich-soziale" Union. Das heißt, Sie haben das Soziale im Namen. Sie sind eine Volkspartei. Da müsste es Ihnen doch auch ein Anliegen sein, dass die Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können.

Christine Haderthauer: Uns ist es ein ganz großes Anliegen, dass wir ein Mindesteinkommen garantieren in diesem Staat. Die Frage ist allerdings, ob das dann gleichzeitig der Mindestlohn sein muss. Denn wenn Sie sich mal anschauen, wie Lohn in unserem bewährten System der Tarifautonomie definiert wird, dann wird das in der Regel nicht über den Bedarf des Arbeitnehmers getan.

Dann müssten sie nämlich dem ledigen Facharbeiter, der bei seinen Eltern zu Hause wohnt, einen geringeren Lohn bezahlen als demjenigen, der mit seiner Familie und zwei Kindern lebt. Also, wenn die SPD jetzt plötzlich eine Bedarfsorientierung in den Lohn reinbringen will, dann wandert sie in Richtung Planwirtschaft. Das hat aber nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Das wird nach unserer festen Überzeugung nur dazu führen, dass immer mehr Menschen alimentiert werden müssen, weil die Arbeitsplätze wegfallen müssen.

Deutschlandradio Kultur: Was ist Ihr Gegenmodell?

Christine Haderthauer: Unser Gegenmodell ist, dass wir sagen: Es ist wichtig, dass die Menschen eine Arbeit haben. Wenn sie diese Arbeit ausüben und ihren Bedarf - für ihre Familie, für ihre Haus- und Bedarfsgemeinschaft - allein mit dieser Arbeit nicht decken können, dann muss nach dem Solidaritätsprinzip eben nicht der Unternehmer, der diesen Menschen beschäftigt, einspringen und ihm einen Lohn zahlen, den er an sich nicht erwirtschaftet, sondern dann muss die gesamte Gemeinschaft der Steuerzahler und damit eben der Staat einspringen.

Das haben wir momentan. Das ist eben dann die staatliche Zuzahlung, der "Aufstocker", wie er genannt wird, der das Einkommen, was eben den Bedarf decken muss dann garantiert und sicherstellt.

Deutschlandradio Kultur: Es war ja in den letzten Wochen, nach dem SPD-Parteitag vor allem, immer viel die Rede davon, dass sich die beiden Koalitionsparteien jetzt voneinander abgrenzen.

Nun sieht es aber seit ein paar Tagen so aus, als würden sie sich doch wieder ganz gut verstehen. Bei der Generaldebatte neulich sah das eigentlich so aus. Jetzt gehen wir mal davon aus, sie regieren auch noch zwei Jahre miteinander, was steht ganz oben an Themen auf der Agenda?

Christine Haderthauer: Was jetzt wichtig ist, ist zunächst mal, dass wir die Erbschaftssteuerreform über die Bühne bekommen. Hier stehen die Eckpunkte und hier wird es sicherlich noch die eine oder andere Verhandlung geben.

Die CSU hat da durchaus auch noch Probleme mit der Haltefrist, die nun statt 10 Jahren plötzlich 15 Jahre ist, aber insgesamt geht dieses Abschmelzmodell auf einen Vorschlag der CSU zurück. Es ist schon eine tolle Sache, dass es uns gelungen ist, dieses Modell überhaupt zu implementieren und auch in der großen Koalition mehrheitsfähig zu machen.

Wenn diese Erbschaftsteuerreform durch ist, ist es wichtig, dass wir uns noch mal mit dem Thema Kinderzuschlag und auch den anderen Leistungen befassen, die eben alles abrunden sollen, was Familie mit Kindern betrifft. Wir werden auf jeden Fall dann in den Haushaltsberatungen für 2009 und auch davor sehr sorgsam die politische Entscheidung zum Beispiel mit dem Kindergeld treffen müssen. Das ist ja auch ein Thema der letzten Wochen gewesen.

Insgesamt müssen die Themen, die im Koalitionsvertrag vorgesehen sind, abgearbeitet werden, der Konsolidierungskurs gehalten werden, aber vor allem eben auch steuerlich jetzt als nächstes dran gedacht werden, mal an die "normalen", sage ich jetzt mal, Arbeitnehmer, die Familien zu denken.

Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns mal einen Blick in das Innenleben der CSU werfen, denn dort hat der Wechsel vor mehreren Wochen stattgefunden. Edmund Stoiber war die unumstrittene Nummer eins. Das ist Geschichte.

Jetzt gibt es gleich mehrere starke Männer in der CSU-Landesgruppenchef Ramsauer und Horst Seehofer in Berlin. In München ist es Parteichef Huber und Ministerpräsident Beckstein. Man hat so den Eindruck, jeder strebt irgendwie nach Einfluss und Macht. Fehlt es der CSU an einer starken Führungsfigur?

Christine Haderthauer: Die CSU hat sich zwei starke Führungsfiguren gegeben, wo vorher einer gewesen ist, ohne dass einer der beiden deshalb schwächer wäre. Es ist natürlich ein Gewöhnungsprozess, manchmal, habe ich allerdings das Gefühl, weniger für die CSU als für das uns begleitende Umfeld, auch der Medien, dass nun andere Strukturen vorherrschen.

Mit diesem Führungswechsel ist ganz klar auch immer kommuniziert worden, dass auch ein anderer Stil in der Politik und in der CSU Einzug halten soll. Das ist sowohl von Günter Beckstein als auch von unserem Parteivorsitzenden Erwin Huber immer wieder auch in den letzten Monaten, auch bevor sie die Ämter innehatten, so kommuniziert worden.

Ich weiß und spüre jeden Tag, dass es der Partei unendlich gut tut, dass mit neuen Personen auch ein neuer Stil, nicht neue Inhalte, aber ein neuer Stil einhergeht, der mehr auf Teamarbeit, auf Mannschaftsgeist und auf eine größere Einbindung auch der Parteibasis setzt.

Deutschlandradio Kultur: Aber beide, Huber und Beckstein, sitzen in München. War es denn wirklich geschickt, in dieser Woche bei der Generaldebatte, dass Ihr Parteichef da nicht angetreten ist? Das hätte sich Edmund Stoiber niemals entgehen lassen.

Christine Haderthauer: Doch, er hat auch in der Funktion als Parteivorsitzender in diese Debatten nicht aus der Warte eingegriffen, nicht bei einer Haushaltsdebatte. Das war allgemeiner Konsens in der CSU, dass das eine richtige Entscheidung gewesen ist.

Deutschlandradio Kultur: Aber er hat stark darauf geachtet, dass er als Parteichef immer mit dabei war, wenn Angela Merkel und Kurt Beck oder Kurt Becks jeweilige Vorgänger aufgetreten sind.

Christine Haderthauer: Also, wir haben eine so starke Einbindung und einen so starken Kontakt und eine so starke Einflussnahme als CSU und vor allem Erwin Huber, seit Jahren übrigens schon, das hängt nicht nur mit dem Parteivorsitz zusammen, in der Union und in der Berliner Politik, dass das sich nicht auf die Wahrnehmung von Auftritten gegenüber dem Fernsehpublikum reduziert.

Sondern hier geht es wirklich um die Durchsetzung von sachpolitischen Anliegen für die CSU. Im Übrigen ist es so, dass eben der Mannschaftsgeist sich auch darin zeigt, dass man eben sagt, wir haben in Berlin tolle Leute, wir haben einen hervorragenden Parteivorsitzenden und jeder wirkt in abgesprochener Weise so, wie es eben am günstigsten ist.

Deutschlandradio Kultur: Dann werden wir doch mal konkret. Bayerns Ministerpräsident forderte vor wenigen Tagen eine Pkw-Vignette und will im Gegenzug die Mineralölsteuer deutlich senken. Das ist eine Idee, die keiner so richtig gut findet. Selbst die Kanzlerin ist davon wenig begeistert. Und kaum ist der Vorschlag auf dem Markt ist er wieder in der Schublade verschwunden. War das ein klassisches Eigentor, ein Ausrutscher?

Christine Haderthauer: Es gibt zu dem Thema Vignette bereits seit etlicher Zeit eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe innerhalb der CSU, weil das ein Daueranliegen ist. Wir sind als CSU, als Bayern natürlich sehr stark von dem Thema Tanktourismus und allem, was mit diesen umliegenden Grenzländern zu tun hat, betroffen und haben deswegen dort in Bayern eine eigene Befindlichkeit, die nicht in der ganzen Bundesrepublik geteilt wird.

Das Thema wird auch wieder hochkommen, denn es muss eine Lösung dafür gefunden werden. Es ist nicht im Koalitionsvertrag vereinbart. Das wird uns aber nicht davon abhalten, Dinge, die für uns in Bayern wichtig sind, auch immer wieder mal aufs Tablett zu bringen.

Deutschlandradio Kultur: Es gab noch ein zweites Beispiel. Günter Beckstein hat sich dafür eingesetzt, den Buß- und Bettag wieder einzuführen. Auch da ist ihm von Seiten der CSU sofort in die Parade gefahren worden. CSU-Fraktionschef Schmid sagte: Es sei zwar das Recht des Ministerpräsidenten, so einen Vorschlag zu machen, er könne sich aber nicht vorstellen, dass die Tarifparteien da auch mitmachen. Fehlt es in der CSU zurzeit an Feinabstimmung?

Christine Haderthauer: Ich denke, auch das ist so eine Art Gewöhnungsproblem. Warum soll es denn nach all den Forderungen einer offenen Diskussion nicht einmal möglich sein, dass man auch zu einem Thema, was wirklich vielen am Herzen liegt, und das ist schon auch die Wertigkeit kirchlicher Feiertage, warum soll es da nicht möglich sein zu sagen, was man gerne hätte, was man gerne erreichen würde?

Ich denke schon, dass - und das ist auch meine Wahrnehmung bei der Bevölkerung draußen - es sehr gut ankommt, dass wir auch ab und zu transparent machen, dass wir über Dinge nachdenken und sie nicht erst dann sozusagen öffentlich platzieren, wenn sie intern schon längst entschieden worden sind, sondern den Diskussionsprozess führen.

Deutschlandradio Kultur: Trotzdem wäre es doch schön, wenn innerhalb der CSU eine Linie festgelegt worden wäre und beispielsweise die Generalsekretärin diese auch aktiv vertreten hätte. Das ist aber nicht passiert.

Christine Haderthauer: Das sehe ich nicht so, denn die Abschaffung des Buß- und Bettages, um bei diesem Beispiel zu bleiben, kann nur dann gelingen, wenn wir auch die gesellschaftlichen Kräfte, wie die Tarifvertragsparteien und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit ins Boot holen. Das ist kein Thema, wo die Politik per Ordre de Mufti hier einfach etwas verordnet. Das ist eine breite gesellschaftliche Diskussion und Debatte.

Deswegen ist es absolut in Ordnung und sinnvoll, diese Diskussion auch durchaus aus verschiedenen Sichtweisen zu führen. Das ist keine reine parteipolitische Strategiefrage, wo wir natürlich immer geschlossen sind, sondern das ist eine Debatte, die man durchaus aus verschiedener Sicht führen kann.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben vorhin vom "neuen Mannschaftsgeist" in der CSU gesprochen. Betrifft das auch Ihren Posten des Generalsekretärs beziehungsweise der Generalsekretärin? Bei Markus Söder, Ihrem Vorgänger, hat man manchmal den Eindruck, der weiß noch nicht so recht, dass er nicht mehr Generalsekretär ist.

Zum Beispiel hat er sich vor Kurzem dazu geäußert, wie die Schwerpunkte im Bundestagswahlkampf 2009 aussehen sollten. Das wäre eigentlich Ihr Job. Gibt es zurzeit zwei Generalsekretäre?

Christine Haderthauer: Zunächst mal bin ich mit diesem Posten betraut worden, weil in meiner Person wohl die ideale Person für das gesehen wurde, was man sich nun mit dem neuen Stil auch für das Amt der Generalsekretärin vorstellt. Markus Söder ist als Minister für Bund und Europa zuständig. Insofern tut man ihm da Unrecht, wenn man ihm immer dann, wenn er sich zu Bundesthemen äußert, unterstellt, das würde er jetzt tun, weil er innerlich noch als Generalsekretär denkt.

Ich denke aber, gleichzeitig muss auch klar sein, dass jeder das Amt mit seiner Person ausfüllt, auf seine Art und Weise ausfüllt. Es gibt eine Generalsekretärin, und zwar in der gesamten Bandbreite, dieses Amtes, und die heißt Christine Haderthauer.

Deutschlandradio Kultur: Deren Aufgabe ist es, das Profil der Partei zu schärfen, nicht unbedingt nur Moderatorin zu sein. Wann schärfen Sie das Profil der CSU?

Christine Haderthauer: Ich bin vom ersten Tag an damit beschäftigt, das Profil der CSU zu schärfen. Aber es gibt verschiedene Methoden, wie man das machen kann. Natürlich gefällt es manchen Arten von Medien besser, wenn man sich also durch unflätige Beleidigungen oder Schläge unter die Gürtellinie hervortut. Ich halte das für einen Stil, der bei der Bevölkerung extrem schlecht ankommt.

Ich stelle sogar fest, dass fast ein gewisser Verdrossenheits- und Ermüdungseffekt in den letzten Jahren stattgefunden hat bezüglich des Stils, mit dem manche Politiker vorgehen. Für mich ist deshalb das Amt des Generalsekretärs etwas, was mit einer ganz klaren Sprache arbeitet, was sich aber deswegen keinesfalls ständig im Ton vergreifen muss, nur um künstlich Schlagzeilen zu produzieren.

Deutschlandradio Kultur: Ihre Wahl zur Generalsekretärin sollte auch ein klares Zeichen an die Wähler sein - die CSU wird jünger und weiblicher. Wie sollen Sie jüngere Frauen an die CSU heranführen?

Christine Haderthauer: Ein wichtiger Faktor ist auf jeden Fall schon mal ein Rollenvorbild. Es heißt, allein dadurch, dass bei uns vermehrt Frauen, jüngere Frauen in Führungspositionen sind, ich denke jetzt auch das Kabinett mit, entsteht natürlich eine ganz andere Authentizität, wenn wir über Themen reden, die für Frauen, für jüngere Frauen wichtig sind.

Das Zweite ist, dass ich denke, dass wir die Lebenswirklichkeit von jüngeren Frauen, die wir selber auch gelebt und erlebt haben, viel überzeugender kommunizieren können und auch die entsprechenden Gedanken und Befindlichkeiten und Einstellungen.

Es gibt im Übrigen eine Reihe von auch in der Parteiarbeit ganz interessanten Ansätzen, wie man mal ganz neue Formen findet, über Netzwerke, über auch ganz unpolitische, eher gesellschaftspolitische Ansätze, für die sich Frauen interessieren und wo man nicht sofort sagt, ihr müsst jetzt der Partei beitreten, sondern wo man einfach versucht, miteinander über andere Themen ins Gespräch zu kommen. Ich denke, dass es da sehr gute Möglichkeiten gibt und bin auch dabei, schon einige auszuprobieren.

Deutschlandradio Kultur: Sie glauben, dass es durchaus möglich ist, in dieser herrendominierten CSU, wo ein Erwin Huber sagt, "General" sei er. Und wir denken dann, na ja, gut, dann ist die Sekretärin eben die Christine Haderthauer. Lässt die CSU den Raum zu, dass diese Frauenfragen, die Sie angesprochen haben, auch tatsächlich umgesetzt werden können?

Christine Haderthauer: Sonst wäre ich nicht zur Generalsekretärin berufen worden. Im Übrigen ist dieser Spruch dem Parteivorsitzenden zwar untergeschoben worden, er hat ihn aber niemals getätigt. Das lässt sehr auf die Denke, die eben dann manchmal reflexartig bei denen, die so die Arbeit der CSU begleiten, schließen.

Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie also etwas verändern wollen in dieser CSU, haben Sie da nicht Sorge, dass es Ihnen irgendwann so ergehen könnte wie Gabriele Pauli? Die hat der CSU-Herrenriege die Stirn geboten.

Gut, sie hat hinterher eigene Fehler gemacht, darüber wollen wir jetzt mal nicht reden, aber es ist ja einiges getan worden, um sie sozusagen "wegzubeißen". Haben Sie nicht Sorge, dass es Ihnen, wenn Sie zu laut werden, in Anführungszeichen, auch so ergeht?

Christine Haderthauer: Ich setze sehr auf ein konstruktives Miteinander und habe da in dieser Zeit sehr, sehr viel erreicht. Frau Dr. Pauli war, soweit ich weiß, über zehn Jahre Mitglied im Parteivorstand, ohne das dort auch nur ein einziges Mal von ihr ein politischer Impuls gekommen wäre. Was Sie schildern, habe ich nie wahrgenommen, dass sie in irgendeiner Weise die Partei verändern wollte.

Deutschlandradio Kultur: Das kann sie jetzt ja nicht mehr beweisen.

Christine Haderthauer: Das hätte sie ja nun lang genug tun können und ihr Austritt war ihre eigene Entscheidung. Sie hat zwar vieles immer erzählt, was sie möchte, sie hat es aber schlichtweg nicht getan. Was sie getan hat, sind solche Heldentaten, wie eine anonyme Internetseite gegen den eigenen Parteivorsitzenden einzurichten. Das wird immer gerne vergessen.

Das war lang, bevor es zu den wirklich gravierenden Dingen dann um Weihnachten herum gekommen ist. Das sind Methoden, die ich unmöglich finde und die ich auch vom persönlichen Stil her nie ergreifen würde. Mir geht es immer mehr drum, in der Sache zu überzeugen.

Im Übrigen, wer ein demokratisches System in der Weise missversteht, dass alle anderen sich der eigenen Einzelmeinung unterzuordnen haben, der sollte sein Demokratieverständnis überarbeiten und nicht erwarten, dass er in einer Partei, die demokratisch funktioniert, damit erfolgreich ist.

Deutschlandradio Kultur: Gehen wir davon aus, dass Sie die Partei von innen verändern, modernisieren wollen. Wie passt es dann eigentlich, dass Sie sich für das Betreuungsgeld so stark machen, das von Kritikern oft als "Herdprämie" bezeichnet wird?

Christine Haderthauer: Das passt sehr gut zusammen, denn es gibt nichts Moderneres, als sich auf die echten Werte im Leben zu konzentrieren. Sie haben das Wort gerade gebraucht, "Herdprämie".

Was für einen verheerenden Eindruck das hinterlässt oder was es auch offenbart über unsere Gesellschaft, wenn das Kinder-ins-Leben-Begleiten, sich Zeit für die eigenen Kinder zu nehmen, mit einem Ausdruck belegt wird, der eigentlich nur noch verächtlich oder diffamierend geäußert wird.

Deutschlandradio Kultur: Es gibt ja Erziehungsgeld, Vaterschaftsurlaub.

Christine Haderthauer: Das sind alles positive Ausdrücke. Die Herdprämie wird ganz bewusst diffamierend und mit einem verächtlichen Unterton gebraucht. Ich denke, jeder, der dieses Wort gebraucht, wird auch genau diese Absicht dabei haben.

Wir müssen halt einfach sehen, dass wir für ein Drittel der Kinder unter drei einen Haufen Steuergelder in die Hand nehmen, um die wirklich wichtigen und notwendigen Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige zu finanzieren.

Wenn aber zwei Drittel dieser Kinder nicht in diese Kinderbetreuungseinrichtungen geschickt werden, sondern Vater oder Mutter sagen, aus welchen Gründen auch immer, ich möchte mir Zeit nehmen für mein Kind und zu Hause bleiben, dass wir dann sagen, gut, wir wollen hier eine Balance zwischen den Entwürfen und nicht ein gegenseitiges Ausspielen, wir möchten auch für die was tun, das halte ich für zeitgemäß und für modern, weil wir den Wert von Familienarbeit steigern müssen und nicht weiter nach unten schieben dürfen.

Deutschlandradio Kultur: Haben Sie denn nicht Sorge, dass es Familien geben könnte, die dann sagen, gut, wir nehmen das Geld, wir bleiben zu Hause, aber in Wirklichkeit, weil das Geld wenig ist, weil sie wenig haben, gehen sie doch - und sei es schwarz - arbeiten und die Kinder sitzen zu Hause und langweilen sich?

Christine Haderthauer: Diese Befürchtungen sind ja die gängigen Gegenargumente. Ich muss dazu sagen, dass es für mich schon schwierig ist, wenn man junge Eltern unter eine Art Generalverdacht stellt. Wir könnten das übrigens bei allen staatlichen Leistungen tun, die wir verteilen, dass wir endlich sagen, das kann eigentlich nur über Gutscheine gehen, weil es könnte ja Einzelne geben, die das nicht so verwenden, wie wir uns das vorstellen.

Dass aber gerade bei jungen Familien nun zu tun, wo wir bei allen anderen Leistungen sagen, wir zahlen das Geld aus, die werden es schon richtig verwenden, das ist wiederum etwas, was mir extrem gegen den Strich geht. Familien, die sich dafür entscheiden, ob sie zu Hause bleiben oder wer zu Hause bleibt oder nicht, das sind Lebensentscheidungen, die - bei aller Liebe für das Betreuungsgeld - nicht von 150 Euro im Monat abhängig gemacht werden. Ich glaube, das muss man der Ehrlichkeit halber auch dazu sagen.

Das hat einen ideellen Wert, der da auch immanent ist. Das ist eine wichtige Leistung. Aber wenn mir jemand sagen will, dass junge Eltern ihre Entscheidung, vom Beruf fern zu bleiben oder nicht, davon abhängig machen, dann muss ich sagen, das ist für mich nicht realistisch.

Deutschlandradio Kultur: Es gibt aber Erfahrungen aus Thüringen. Die belegen, wenngleich die Zahlen nicht so riesig sind, dass beispielsweise Kinder aus Migrantenfamilien, deren Eltern dieses Betreuungsgeld in Anspruch nehmen, dann nicht in vorschulische Erziehung reingeführt werden und die Gefahr doch besteht, und das sie an vorschulischen Bildungsangeboten nicht teilnehmen. Wie wollen Sie das auffangen?

Christine Haderthauer: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, aber die Vorschule ist was anderes. Das Betreuungsgeld bezieht sich auf Kinder bis zum dritten Lebensjahr. Die Vorschule findet kurz vor der Grundschule statt. Da bin ich ganz bei Ihnen.

Da ist es extrem wichtig, dass wir alle Kinder, vor allem die mit Migrationshintergrund, rechtzeitig ab drei Jahre ins Bildungssystem bekommen, damit sie, wenn sie eingeschult werden, deutsch sprechen. Das ist die wichtigste Maßnahme für Chancengerechtigkeit bei Bildung. Nur das hat nichts mit dem Betreuungsgeld zu tun. Das geht ja überhaupt bloß, bis sie drei sind.

Und gerade bei Migrantenfamilien sind es sehr oft weltanschauliche Gründe, die sie davon abhalten, ihre Kinder relativ früh in Einrichtungen zu geben, aber keinesfalls die Frage, ob sie 150 Euro bekommen oder nicht, sondern da liegen ganz andere Gründe dahinter.

Deutschlandradio Kultur: Wenn man das Geld nähme und versuchen würde, Familien mit Migrationshintergrund stärker zu integrieren, das wäre doch auch sinnvoll.

Christine Haderthauer: Das können Sie versuchen. Das geht aber nur gemeinsam mit diesen Familien. Und wenn Sie Familien haben, die sagen, wir wollen unser Kind so lange wie möglich in der Familienobhut möglich und erst so spät wie möglich in den Kindergarten tun, dann werden Sie das auch nicht über ein Betreuungsgeld im zweiten und dritten Lebensjahr auflösen.

Denn es beginnt eigentlich ab dem dritten, vierten, fünften Lebensjahr, wo wir diese Kinder bräuchten. Da gibt es dann sicherlich Maßnahmen, über die man nachdenken kann, mit einem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr oder wie auch immer, die dann eher geeignet wären, aber nicht nun deswegen für alle jungen Familien das Betreuungsgeld nicht einzuführen.

Deutschlandradio Kultur: Zum Schluss noch eine ganz andere Frage: Frau Haderthauer, Sie finden den Regierungsstil von Angela Merkel "obercool". Was meinen Sie damit?

Christine Haderthauer: Ja, das ist ein Zitat, wo ich gar nicht weiß, wie ich dazu komme. Das ist sehr positiv gemeint. Ich empfinde Angela Merkel als so angenehm unaufgeregt. Ich empfinde ihren Stil, der sehr sachorientiert ist, der auch elegant ist, der auch humorvoll ist und der menschlich ist, als so enorm angenehm.

Ich glaube, dass sie jeden Tag sehr, sehr große Entspanntheit und Souveränität und Gelassenheit benötigt, um in diesem harten Job ihre Arbeit so zu machen, wie sie sie macht. Deswegen habe ich mal einen Begriff unserer Kinder strapaziert, der in vollem Umfang als positiv gilt, und habe das möglicherweise in irgendeinem Interview mal als "cool" bezeichnet.

Deutschlandradio Kultur: Frau Haderthauer, wir danken ganz herzlich für das Gespräch.
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