Das Geschäft mit dem Tod
Die Kirche spielt auf dem Bestattungsmarkt eine immer geringere Rolle. Die Gemeinden konkurrieren inzwischen mit Anbietern verschiedenster Art: Ritualdesigner, professionelle Trauerbegleiter und städtische Friedhöfe bieten Alternativen.
Klie: "Lange Zeit hat man ja geglaubt, dass die Bestattung ein sicheres Terrain, ein Heimspiel, für die Kirchen wäre, weil auch wenn man sich der Kirche entfremdet hat, dann spätestens zur Bestattung die Leute wiederkämen, was sich heute als grandioser Fehlschluss herausstellt."
Thomas Klie und Christiane Dentler sind Experten für moderne Trauerkultur. Der evangelische Theologieprofessor der Uni Rostock in Theorie und Wissenschaft; die Service-Angestellte im Hamburger Bestattungsforum ganz praktisch:
Dentler: "Wenn Sie jetzt hier das Familienzimmer dazugenommen haben, dann bieten wir Getränke dazu an, die wir dann reinbringen. Wir versuchen, es den Trauernden so angenehm wie möglich zu schaffen, soweit das in dieser Situation möglich ist."
Drei Feierhallen in unterschiedlichen Größen gibt es im Hamburger Bestattungsforum Ohlsdorf. Direkt angeschlossen ist das Krematorium. Außerdem gibt es Abschiedsräume, in denen die Angehörigen Wache am offenen Sarg halten können, 24-Stunden-Zugang mit eigener Chipkarte, ein Café und Ausstellungsräume. Der Eingang ist hell und großzügig, ein Wasserspiel plätschert an der Treppe. Das Serviceteam wartet in dezentem Kostüm oder Anzug auf den Einsatz. Lutz Rehkopf, der Sprecher des Ohlsdorfer Friedhofes, führt durch das Forum, das seit genau einem Jahr in Betrieb ist:
"Dienstleistung besteht also nicht darin, mitzutrauern, sondern in die Rolle zu gehen eines Menschen, der vorsichtig und diskret unterstützt. Zur Gestaltung ist zu sagen, dass wir uns hier tatsächlich orientiert haben an Hotelgestaltung und Gastronomiegestaltung und dass diese Gestaltungselemente die Menschen auch abholen und nicht zu sehr konfrontieren mit dem, was ihnen dann bevorsteht, nämlich der Trauerfeierhalle oder der Trauerfeier."
In die Cordes-Halle, benannt nach dem ersten Direktor des Ohlsdorfer Friedhofes, fällt Licht durch die hohen, schmalen Fenster. Der Raum ist mit einer Multimedia-Anlage ausgestattet, mit Anschlüssen für MP3-Player, Smartphones, Tablets und Computer, erklärt Christiane Dentler:
"Als Diashow wird da mittlerweile auch das Leben des Verstorbenen abgebildet, während diese Trauerfeier abgehalten wird. Und das wird mittlerweile tatsächlich gut genutzt, und egal wer hier rein kommt, die meisten begrüßen es, dass die Räumlichkeiten nicht dieses Sakrale ausstrahlen. Denn viele wissen, was an dem Tag passiert, und die kommen dann nicht schon mit so einen beklemmenden Gefühl hier rein. Weil hier alles offen ist, helle Farben, das Bild, das harmonische Bild stimmt für viele."
Harmonie, Eleganz, Service - Tod und Trauer ohne Ecken und Kanten, ohne Stachel scheint das moderne Angebot zu versprechen. Mit dem Vorwurf der Trivialisierung sind die Betreiber des Bestattungsforums von Anfang an konfrontiert, sagt Lutz Rehkopf:
"Wir haben nicht nur die Pflicht, die Menschen zu konfrontieren mit einem Sterbefall oder mit Würde und Schwere zugleich, sondern wir haben auch die Pflicht, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Sie kommen aus der Stadt, sie sind Auto gefahren, sie sind mit der Bahn hierher gekommen, sie müssen also abgeholt werden aus ihrem Alltag. Dann sind sie mit etwas konfrontiert, dass nicht alltäglich ist, und hier gibt es das Zusammenspiel zwischen Konfrontation, also der möglichst starken und intensiven Begegnung mit dem Tod, mit dem Verstorbenen, mit sich selber auch. Und der Moderation, das heißt dem Zurücknehmen von Gefühlen, und dieses muss alles auf intelligente und diskrete Weise gesteuert werden."
Rund 21 Millionen Euro haben die Restaurierung der historischen Gebäude und der Aufbau des Forums gekostet. Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor der Hamburger Friedhöfe, sagt Sprecher Lutz Rehkopf. Angebot und Nachfrage - Bestattungen und Trauerfeiern sind ein Markt. Und die Kirchen sind dabei längst nicht mehr erster Ansprechpartner, betont der Theologe Thomas Klie von der Universität Rostock:
"Hier in Ostdeutschland ist das Bestattungsmonopol schon längst auf die Bestatter und die freien Anbieter übergegangen. Trotzdem, für mich finde ich das einen bedauerlichen Trend, und ich frage mich eigentlich, warum die Kirche da nicht auch in die Offensive gehen kann. Warum hat eine große Innenstadtgemeinde nicht ein eigenes Bestattungsunternehmen? Warum gibt sie dieses Terrain mehr oder weniger freiwillig an freie Unternehmer, die dann natürlich ihre eigene Dynamiken entfalten und ihre eigenen Deutungen einspielen?"
Die wichtigste Deutung, welche die christlichen Kirchen zu bieten hätten: Der Glaube an die Auferstehung und das Ewige Leben. Dass dieser nicht mehr mit dem Tod verbunden sein muss, zeigt sich ganz anschaulich auf dem Alten Friedhof in Schwerin. Thomas Klie führt über den neuen, aktuellen Teil des Friedhofes:
"Auf einem Kirchhof, einem alten Kirchhof, sind alle Gräber nach Osten, Richtung Auferstehung, aufgehende Sonne ausgerichtet. Hier ist es pragmatisch zugeordnet. Ein Weg zwischen beiden aneinander grenzenden Gräbern ist gewährleistet. Also hier ist diese Idee, dass Tod etwas mit Auferstehung zu tun haben könnte, allein durch die Raumplanung schon aufgegeben."
Rehkopf: "Wir machen hinten die Tür auf und dahinter geht es dann zum Ofen, der natürlich dementsprechend ausgeleuchtet ist und ein bisschen mit Vorhang präpariert, weil wirklich sehr viele noch mal das erleben wollen, die sind dabei, wenn diese Ofentür sich öffnet und der Sarg dann eben reinfährt."
73 Prozent der Bestattungen auf dem Hamburger Friedhof sind Feuerbestattungen. Und auch im Osten Deutschlands ist der Abschied in der Urne der Normalfall. Wobei Thomas Klie einen deutlichen Trend zur anonymen Bestattung beobachtet:
"Ich habe neulich eine Anzeige gelesen: Feuer ohne Feier, 1380 Euro, Telefon, Kleinanzeige. Das ist, sage ich mal, bisher so eine Art Endpunkt in der - Bestattungskultur kann man nicht sagen - in der Entsorgungskultur am Ende des Lebens."
Als aktuelle Entwicklung sieht der evangelische Theologe die Tendenz zur Wahl von Nicht-Orten: Die Asche wird auf Streuwiesen, ähnlich wie bei der Seebestattung, verteilt, und ein konkreter Ort ist nicht mehr auszumachen.
Klie: "Wenn wir auf den Auferstehungsglauben zu sprechen kommen, könnte man ja fast auch zugespitzt sagen, das ist eine Art Deutung der Auferstehung als Recycling wieder in den Umlauf bringen, in den biologischen Umlauf bringen. Meine Vermutung ist, dass eine solche Form der Bestattung Langzeitwirkung für den Einzelnen, aber auch für eine Kultur hat. Denn je länger, je mehr wird diese Kulturform Friedhof nicht mehr benötigt."
Die Hamburger Friedhöfe begegnen der wandelnden Trauerkultur unter anderem mit dem Bestattungsforum Ohlsdorf - und das nicht nur aus rein wirtschaftlicher Perspektive, sagt Lutz Rehkopf:
"Es geht darum, Trauerfeiern wieder attraktiver zu machen, den Friedhof als solchen wieder attraktiver zu machen für die Menschen. Die Menschen wieder auf verschiedenen Wegen heranzuführen an Tod und Beisetzung, um dafür zu sorgen, dass sie einfach besser zurechtkommen mit Tod und Abschied."
Wo sind dabei die Experten fürs Sakrale? Die christlichen Kirchen sind auf dem Markt nicht mehr die attraktiven Ritenanbieter, die sie sein könnten, sagt der Professor für Praktische Theologie, Thomas Klie, weil sie nicht flexibel genug auf die individuellen Wünsche eingehen:
"Viele, die mit der Bestattung auch noch Sinn verbinden, wünschen sich ein individuelleres Eingehen. Dies umso mehr, weil die Kirchen ja auch vielfach, zumal auf den Dörfern, Träger der Friedhöfe sind, sie könnten also über die Friedhofsordnungen viel individueller, viel freier damit umgehen. Bestattung ist kein Sakrament, man könnte es frei gestalten, und die Bestattung war immer, auch kirchlich, immer ein Spiegel der Empfindungen."
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Dentler: "Wenn Sie jetzt hier das Familienzimmer dazugenommen haben, dann bieten wir Getränke dazu an, die wir dann reinbringen. Wir versuchen, es den Trauernden so angenehm wie möglich zu schaffen, soweit das in dieser Situation möglich ist."
Drei Feierhallen in unterschiedlichen Größen gibt es im Hamburger Bestattungsforum Ohlsdorf. Direkt angeschlossen ist das Krematorium. Außerdem gibt es Abschiedsräume, in denen die Angehörigen Wache am offenen Sarg halten können, 24-Stunden-Zugang mit eigener Chipkarte, ein Café und Ausstellungsräume. Der Eingang ist hell und großzügig, ein Wasserspiel plätschert an der Treppe. Das Serviceteam wartet in dezentem Kostüm oder Anzug auf den Einsatz. Lutz Rehkopf, der Sprecher des Ohlsdorfer Friedhofes, führt durch das Forum, das seit genau einem Jahr in Betrieb ist:
"Dienstleistung besteht also nicht darin, mitzutrauern, sondern in die Rolle zu gehen eines Menschen, der vorsichtig und diskret unterstützt. Zur Gestaltung ist zu sagen, dass wir uns hier tatsächlich orientiert haben an Hotelgestaltung und Gastronomiegestaltung und dass diese Gestaltungselemente die Menschen auch abholen und nicht zu sehr konfrontieren mit dem, was ihnen dann bevorsteht, nämlich der Trauerfeierhalle oder der Trauerfeier."
In die Cordes-Halle, benannt nach dem ersten Direktor des Ohlsdorfer Friedhofes, fällt Licht durch die hohen, schmalen Fenster. Der Raum ist mit einer Multimedia-Anlage ausgestattet, mit Anschlüssen für MP3-Player, Smartphones, Tablets und Computer, erklärt Christiane Dentler:
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Rund 21 Millionen Euro haben die Restaurierung der historischen Gebäude und der Aufbau des Forums gekostet. Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor der Hamburger Friedhöfe, sagt Sprecher Lutz Rehkopf. Angebot und Nachfrage - Bestattungen und Trauerfeiern sind ein Markt. Und die Kirchen sind dabei längst nicht mehr erster Ansprechpartner, betont der Theologe Thomas Klie von der Universität Rostock:
"Hier in Ostdeutschland ist das Bestattungsmonopol schon längst auf die Bestatter und die freien Anbieter übergegangen. Trotzdem, für mich finde ich das einen bedauerlichen Trend, und ich frage mich eigentlich, warum die Kirche da nicht auch in die Offensive gehen kann. Warum hat eine große Innenstadtgemeinde nicht ein eigenes Bestattungsunternehmen? Warum gibt sie dieses Terrain mehr oder weniger freiwillig an freie Unternehmer, die dann natürlich ihre eigene Dynamiken entfalten und ihre eigenen Deutungen einspielen?"
Die wichtigste Deutung, welche die christlichen Kirchen zu bieten hätten: Der Glaube an die Auferstehung und das Ewige Leben. Dass dieser nicht mehr mit dem Tod verbunden sein muss, zeigt sich ganz anschaulich auf dem Alten Friedhof in Schwerin. Thomas Klie führt über den neuen, aktuellen Teil des Friedhofes:
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Rehkopf: "Wir machen hinten die Tür auf und dahinter geht es dann zum Ofen, der natürlich dementsprechend ausgeleuchtet ist und ein bisschen mit Vorhang präpariert, weil wirklich sehr viele noch mal das erleben wollen, die sind dabei, wenn diese Ofentür sich öffnet und der Sarg dann eben reinfährt."
73 Prozent der Bestattungen auf dem Hamburger Friedhof sind Feuerbestattungen. Und auch im Osten Deutschlands ist der Abschied in der Urne der Normalfall. Wobei Thomas Klie einen deutlichen Trend zur anonymen Bestattung beobachtet:
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Als aktuelle Entwicklung sieht der evangelische Theologe die Tendenz zur Wahl von Nicht-Orten: Die Asche wird auf Streuwiesen, ähnlich wie bei der Seebestattung, verteilt, und ein konkreter Ort ist nicht mehr auszumachen.
Klie: "Wenn wir auf den Auferstehungsglauben zu sprechen kommen, könnte man ja fast auch zugespitzt sagen, das ist eine Art Deutung der Auferstehung als Recycling wieder in den Umlauf bringen, in den biologischen Umlauf bringen. Meine Vermutung ist, dass eine solche Form der Bestattung Langzeitwirkung für den Einzelnen, aber auch für eine Kultur hat. Denn je länger, je mehr wird diese Kulturform Friedhof nicht mehr benötigt."
Die Hamburger Friedhöfe begegnen der wandelnden Trauerkultur unter anderem mit dem Bestattungsforum Ohlsdorf - und das nicht nur aus rein wirtschaftlicher Perspektive, sagt Lutz Rehkopf:
"Es geht darum, Trauerfeiern wieder attraktiver zu machen, den Friedhof als solchen wieder attraktiver zu machen für die Menschen. Die Menschen wieder auf verschiedenen Wegen heranzuführen an Tod und Beisetzung, um dafür zu sorgen, dass sie einfach besser zurechtkommen mit Tod und Abschied."
Wo sind dabei die Experten fürs Sakrale? Die christlichen Kirchen sind auf dem Markt nicht mehr die attraktiven Ritenanbieter, die sie sein könnten, sagt der Professor für Praktische Theologie, Thomas Klie, weil sie nicht flexibel genug auf die individuellen Wünsche eingehen:
"Viele, die mit der Bestattung auch noch Sinn verbinden, wünschen sich ein individuelleres Eingehen. Dies umso mehr, weil die Kirchen ja auch vielfach, zumal auf den Dörfern, Träger der Friedhöfe sind, sie könnten also über die Friedhofsordnungen viel individueller, viel freier damit umgehen. Bestattung ist kein Sakrament, man könnte es frei gestalten, und die Bestattung war immer, auch kirchlich, immer ein Spiegel der Empfindungen."
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