Das Festival "Theaternatur" im Harz

Achterbahnfahrt durch politische Zeiten

05:02 Minuten
Ein Probenfoto der Aufführung "Die Legende vom Glück ohne Ende" in der Besetzung mit Konstantin Morfopoulos, Marlene-Sophie Haagen, Nils Malten und Carolin Wiedenbröker (hinten v.l.).
Die Aufführung „Die Legende vom Glück ohne Ende“ ist eine der beiden tragenden Eigenproduktionen beim THEATERNATUR 2019 - Festival der darstellenden Künste auf der Waldbühne in Benneckenstein. © Frank Drechsler
Von Wolfgang Schilling · 10.08.2019
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Im Harz hat sich in den vergangenen fünf Jahren ein Theaterfestival etabliert: das "Theaternatur". Unter der Leitung des Regisseurs Janek Liebetruth stehen in diesem Jahr das Jubiläum des Mauerfalls und andere politische Themen im Mittelpunkt.
Janek Liebetruth ist 39 Jahre alt, Regisseur und schon viel in der Theaterwelt herumgekommen: In Potsdam, Stuttgart und Weimar hat er inszeniert. Doch seit fünf Jahren zieht es ihn im Sommer immer wieder in die alte Heimat, den Harz. Dorthin, wo seine Karriere begann:
"Ich bin hier tatsächlich aufgewachsen. Hier in Benneckenstein, gar nicht soweit von dieser Waldbühne. Hab hier in meiner Kindheit und Jugend auf dieser Waldbühne auch selbst gestanden, in der hiesigen Folkloregruppe", sagt er. "Inzwischen ist zwar Berlin mein Zuhause, aber ich kehre immer einmal im Jahr im Sommer für ein paar Wochen hierher zurück. Das ist für mich auch immer ein ganz besonderes Gefühl."

Auch der Bürgermeister ist begeistert

Nicht um Urlaub geht es dabei, sondern um Arbeit. Janek Liebetruth hat hier zusammen mit vielen Mitstreitern - aus der alten Heimat und dem neuen beruflichen Netzwerk - das Festival Theaternatur begründet. Ein großes Glück, wie Ortsbürgermeister Kai Rogge meint:
"Zunächst mal verleiht das dieser altehrwürdigen Waldbühne, die schon seit Jahrzehnten existiert, neues Leben. Zum anderen macht das den Ort weit über die Grenzen hinaus bekannt. Wir liegen sowieso in der Nähe der Landesgrenzen zu Thüringen und Niedersachsen. Aber auch darüber hinaus, sodass wir Besucher aus Berlin und sogar dem Ruhrgebiet verzeichnen können."
Detailaufnahme aus der Aufführung „Die Legende vom Glück ohne Ende“, vor dem bunten Bühnenbild sind eine Reihe von geblühmten Gartenstühlen zu sehen.
Die Aufführung „Die Legende vom Glück ohne Ende“ ist eine der beiden tragenden Eigenproduktionen beim THEATERNATUR 2019 - Festival der darstellenden Künste auf der Waldbühne in Benneckenstein. © Frank Drechsler
Großstädte und Regionen, aus denen auch die Schauspieler kommen, die hier für zwei Wochen Leben auf die Waldbühne bringen. Jan Jaroszek aus Berlin ist zum ersten mal dabei und begeistert.
"Mich hat es umgehauen. Diese Bühne, dieses Halbrund, so wie ein Amphitheater mit dem Wald im Hintergrund. Dann bei den Proben, die verschiedenen Stimmungen. Die Nacht, die Sterne zu sehen, wenn man über Sterne spricht. Das ist verrückt und total beeindruckend, diesen Elementen ausgesetzt zu sein. Bei einem Durchlauf hat es mal wahnsinnig geregnet. Das hat eine ganz besondere Stimmung erzeugt. Das ist einfach ein tolles Gefühl."

Erinnerung an den Mauerfall

Auf den Regen kann man bei den jetzt folgenden Vorstellungen natürlich gern verzichten. Das Festival beginnt mit einer Uraufführung: "Die Legende von Sorge und Elend". Passend zum diesjährigen Motto des Festivals "Grenzen:Los" wird 30 Jahre nach dem Mauerfall eine dunkle Familiengeschichte erzählt.
"Ich bin die Mutter von zwei Kindern. Und ich habe eine Vergangenheit, die ich nicht so gerne besprochen wissen möchte", so Beate Fischer über ihre Rolle in diesem Stück. "Meine Kinder sind aber auch ein bisschen neugierig und wollen Dinge wissen, die dann irgendwann einfach mal ans Tageslicht kommen."
Es geht um Liebe, Verrat und den Tod an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Sören Hornung hat es geschrieben, basierend auf einer wahren Geschichte hier aus der Region. Zusammen mit Regisseur Janek Liebetruth dafür in Stasi-Akten und Protokollen der ehemaligen Grenztruppen recherchiert. Das verspricht Spannung, für das Publikum und den Autor:
"In meiner Vorstellung haben sich schon viele Szenarien abgespielt, wie das Publikum hier auf das Stück reagieren wird. Ich glaube daran, dass wir sehr sorgsam, sehr behutsam und liebevoll mit dem Material umgegangen sind. Es ist keine Verurteilung in die Vergangenheit hinein, sondern auch eine Fragestellung an das Jetzt. Wie wollen wir heute, im Jahr 2019, unser Leben gestalten. Deswegen glaube ich, dass wir die Geister, die wir hier rufen, dass das ein versöhnlicher Ruf ist. Hoffe ich jedenfalls."

Theater von Relevanz in der Provinz

Auf jeden Fall ruft das Festival Theaternatur noch bis zum 25. August seine Besucher auf die Waldbühne in Benneckenstein. Auf dem Programm steht dabei noch eine weitere Legende, die vom Glück ohne Ende von Ulrich Plenzdorf. Auch hier wird keine Paul-und-Paula-Verklärung versprochen, sondern eine atemberaubende Achterbahnfahrt durch politische Zeiten, die uns eingeschrieben sind und in Gefühlswelten von Menschen, die wir sein könnten.
Passend zum Motto "Grenzen:Los" gastiert auch noch das Theater Strahl aus Berlin mit seinem, kürzlich mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichneten Erfolgsstück "#BerlinBerlin" auf der Waldbühne in Benneckenstein. Einem sommerlichen Spielort für Theater von Relevanz in der Provinz.
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