Erinnerung an den Mauerfall

Die Geschichte könnte auch andere Wege gehen

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Eine der Abbildungen an der East Side Gallery in Berlin zeigt einen hellblauen Trabi, der durch eine Wand stößt.
Der Mauerfall hat einige Autoren angeregt, über alternative Szenarien nachzudenken. © Bildagentur-online
Karlheinz Steinmüller im Gespräch mit Max Oppel  · 08.08.2019
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Zahlreiche Roman-Autoren haben sich mit der Frage beschäftigt, was geschehen wäre, wenn der Mauerfall ganz anders gelaufen wäre. Karlheinz Steinmüller interessieren diese Szenarien als Zukunftsforscher und Science-Fiction-Autor.
30 Jahre nach dem Mauerfall wird so viel wie lange nicht über die Geschichte der DDR und die Folgen der Wende gesprochen. Aber hätte die Geschichte damals nicht ganz anders laufen können? Was wäre, wenn es die DDR immer noch gäbe und der Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, weiter regiert hätte? Einige Romane entwerfen da mehr oder weniger realistische Szenarien. Auch für Zukunftsforscher ist das ein spannendes Feld, weil es den Blick weiten kann – gerade wenn die politische Debatte über Ost und West festgefahren scheint.

Wiedervereinigung ganz anders

Schon nach der Wende hätten Autoren damit begonnen, sich über andere Szenarien Gedanken zu machen, sagte der Futorolge und Science-Fiction-Autor Karlheinz Steinmüller im Deutschlandfunk Kultur. Zusammen mit seiner Frau Angela Steinmüller hat er sich mit alternativen Geschichten über die DDR beschäftigt. Schon 1994 habe der Schriftsteller Reinhold Andert das Buch "Rote Wende" veröffentlicht, in dem er die Verhältnisse umgedreht habe.
Das Buch beschreibt die Vereinigung der Bundesrepublik und der DDR 1990 zur "Demokratischen Republik Deutschland" und verschiebt die Mauer von der Elbe an den Rhein. Auch in dem Buch "Der Bauer steht am Rhein" von Christian von Ditfurth, einigten sich die Großmächte darauf, dass Westdeutschland dem Osten zugeschlagen werde.

Wir haben immer Alternativen

"Wir haben immer die Vorstellung, dass die Zeit so vor sich hin fließt und die Geschichte festgeschrieben ist", sagte Steinmüller. "Alternativlos, um dieses Schlagwort zu benutzen." Als Zukunftsforscher und Science-Fiction-Autor möge er Alternativlosigkeit überhaupt nicht. "Wir haben immer Alternativen, auch heute." Deshalb sei es gut, einen Blick in die Geschichte zu werfen, um zu entdecken, dass es bestimmte Entscheidungspunkte gebe. Er denke dabei an ein Buch von Harald Martenstein und Tom Peuckert: "Schwarzes Gold aus Warnemünde". Darin würden vor Warnemünde ungeheure Mengen Erdöl entdeckt und der SED-Funktionär Günter Schabowski trete darin vor die Presse und sage, dass die DDR ab sofort ein erdölreicher Staat sei.
Solche Überlegungen seien für ihn als Zukunftsforscher sehr interessant. Was wäre gewesen, wenn der Liedermacher Wolf Biermann nicht etwa ausgebürgert worden sei, sondern in der DDR geblieben? "Wäre da eine bessere DDR rausgekommen oder hätte es doch irgendwann wieder einen Rückschlag gegeben?"

Englischsprachige Tradition

Im englischsprachigen Raum gebe es seit 1930 viel mehr solcher alternativen Geschichtsromane, sagte Steinmüller. Selbst Winston Churchill habe da etwas geschrieben. In Deutschland gehe es dagegen "akademischer und gesitteter" zu. Außerdem werde immer noch stärker zwischen literarisch anspruchsvollen und Unterhaltungsromanen unterschieden. Diese Werke bewegten sich eher in der Mitte.
(gem)
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