Plastiktüten-Verbot

Ein Symbol der Wegwerfkultur verschwindet

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Blauweiße Tüte vonn Aldi
Die Plastiktüte von Aldi sei ein Kunstwerk geworden, "das die meiste Verbreitung und die höchste Auflage überhaupt bekommen hat", sagt Frank Lang. © imago / STPP
Frank Lang im Gespräch mit Britta Bürger · 29.12.2021
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Ab dem 1. Januar 2022 ist der Verkauf von Einweg-Plastiktüten verboten. Mit ihnen verschwinde ein Sinnbild deutscher Konsumgeschichte und ein interessantes Design-Objekt, sagt der Kulturwissenschaftler Frank Lang.
Jahrzehntelang war die Tragetasche aus Plastik sowohl omnipräsenter Alltagsgegenstand als auch Symbol für Konsumkultur und die Wegwerfmentalität einer ganzen Epoche. Noch 2019 waren in Deutschland 1,49 Milliarden leichter Plastiktüten im Umlauf.
Das soll sich ändern: Ab 2022 dürfen die Einwegtüten nicht mehr verkauft werden. Dickere, stabile Mehrwegtaschen aus Plastik und die kleinen sogenannten "Hemdchenbeutel" für offene Lebensmittel sind vom Verbot nicht betroffen.

Plastiktüten als Design-Objekte

Mit der Plastiktüte verschwindet auch ein Symbol des deutschen Alltags und der Konsumgeschichte – und ein interessantes Objekt für Grafikdesigner, wie der Kulturwissenschaftler Frank Lang unterstreicht, Kurator am Museum der Alltagskultur des Landesmuseums Württemberg und Co-Autor des Buches "Tüten aus Plastik. Eine deutsche Alltags- und Konsumgeschichte".
Einweg-Plastiktüte mit Werbung für AIWA-Casettenrecorder.
Zeigen, wo und was man eingekauft hat: Retro-Plastiktüte mit Werbung für AIWA-Kassettenrecorder.© Landesmuseum Württemberg / Hendrik Zwietasch
Eins der bekanntesten Plastiktütenmotive ist das blau-diagonal gestreifte Aldi-Nord-Design des Grafikers und Malers Günter Fruhtrunk.
"Das ist das Kunstwerk geworden, das die meiste Verbreitung und die höchste Auflage überhaupt bekommen hat. Fruhtrunk fühlte sich als akademischer Künstler nicht ganz wohl mit seinem Auftrag, aber letztlich ist das eine tolle Geschichte", sagt Lang.

Nicht immer war das Image schlecht

Die Erfolgsgeschichte der Plastiktüte begann in Supermärkten und Kaufhäusern: "Anfangs waren da die Gestaltungen relativ schlicht oder ganz formalistisch. Mit den Möglichkeiten der Druckindustrie hat sich das verändert, und die Tüte wurde zum wandelnden Plakat. Man hat damit gezeigt, wo man einkauft und letztlich Werbung gemacht, wenn man zum Beispiel mit einer Tüte einer edlen Boutique durch die Stadt läuft."
Eine Einweg-Plastiktüte mit Werbung für Rolo-Schokolade
Die Plastiktüte als wandelndes Werbeplakat - hier für Rolo-Schokolade.© Landesmuseum Württemberg / Hendrik Zwietasch
Ihr schlechtes Image von heute hatte die Plastiktüte also nicht immer. Und an ihr könne man ablesen, wie unsere Konsumgesellschaft in den letzten 50 Jahren funktioniert hat, sagt Lang:
"Wie wir eingekauft haben, wie wichtig der Konsum letztlich für die Freizeitgestaltung wurde und wie Werbung funktioniert. Da geht sie so weit, dass dem Träger der Plastiktüte eine Aussage unterstellt wird. Wenn man beispielsweise eine Tüte mit einem Spruch hat, dann ist das wie eine Sprechblase, die man spazieren trägt."

Frank Lang und Christina Thomson: Tüten aus Plastik. Eine deutsche Alltags- und Konsumgeschichte
Prestel Verlag 2021
216 Seiten, 29 Euro

(rja)
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