Das Buch meines Lebens

Lew Tolstoi: "Anna Karenina"

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Philosophin Svenja Flaßpöhler lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sind aufgeschlagene Buchseiten in der Nahaufnahme.
Svenja Flaßpöhler ist eine deutsche Philosophin und Buchautorin © imago/Horst Galuschka
Von Svenja Flaßpöhler · 20.03.2019
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Für Philosophin Svenja Flaßpöhler hat Lew Tolstoi in "Anna Karenina" ihr Leben erzählt. Der russische Schriftsteller hat es mit seinem Werk geschafft, die Sprachlosigkeit, die sich für Flaßpöhler in ihrer Vergangenheit auftat, in Worte zu fassen.
Das Buch meines Lebens ist absolut und ganz klar Lew Tolstois "Anna Karenina", der genau 100 Jahre vor meiner Geburt für mich ganz Wesentliches ins Wort gebracht hat.
Ich habe dieses Buch gelesen, da war ich Mitte 20 und war sehr mit mir beschäftigt und meiner Geschichte. Und die Geschichte handelt zentral von meiner Mutter, die unsere Familie verlassen hat, als ich 14 Jahre alt war und ich bin dann bei meinem Stiefvater groß geworden. Eine Geschichte, die ich auch erzähle in meinem Buch "Verzeihen: Vom Umgang mit Schuld".

Sprachloses findet Worte

Und als ich da so Mitte 20 war und sehr mit mir beschäftigt war, fiel mir dieses Buch in die Hände und plötzlich erkenne ich, dass da jemand in gewisser Weise meine Geschichte aufgeschrieben hat. Denn dieses Buch handelt von einer Frau, Anna Karenina, die ihren Mann und ihren Sohn verlässt, um das Glück zu finden.
Sie findet es nicht mit Wronski, es scheitert alles ganz kläglich. Am Ende des Romans nimmt sich Anna Karenina das Leben. Trotzdem war dieses Buch eine riesige Tröstung, weil ich gesehen habe, dass das, was bei uns damals so sprachlos geblieben ist, eine Sprache finden kann. Deshalb hat mich dieses Buch eigentlich immer begleitet und es ist das einzige, was ich drei Mal komplett durchgelesen habe.

Lew Tolstoi: "Anna Karenina"
dtv Verlagsgesellschaft, München 2011
1296 Seiten, 17,90 Euro

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