Darknet-Markt wird archiviert

Ein dunkles Netz für illegale Käufe

Ein Päckchen illegal produzierter und geschmuggelter Zigaretten der Marke Jin Ling
Ein Päckchen illegal produzierter und geschmuggelter Zigaretten der Marke Jin Ling © dpa / picture alliance / Stephanie Pilick
von Laf Überland · 14.08.2015
Ein Platz im Internet, an dem fast alles käuflich zu erwerben ist, was illegal ist: Zigaretten obskurer Herkunft, Kopien von Design-Klamotten oder Drogen. Vor zwei Jahren wurde dieses "dunkle Netz" vom FBI enttarnt, im Darknet Market Archive lebt es weiter.
Musik: Clock DVA – "The Hacker"
Es lag eigentlich auf der Hand, dass sich die Rebellen für Anonymität im Internet und die Rebellen für ein Recht auf Drogen eines Tages im Netz zusammenfinden würden. Und 2011 entwickelte ein Mann, der sich Dread Pirate Roberts nannte – wie der Held in William Goldings Fantasyroman „Die Brautprinzessin"– aus diesen Zutaten ein Geschäftskonzept.
Sein Portal benannte er nach dem Handelsweg, der im Mittelalter die Wohltaten des Ostens und die Wohltaten des Westens miteinander austauschte: Seidenstraße, Silk Road, und er startete es verschlüsselt und im dunklen Teil des Internets, den Google nicht durchsuchen kann.
Musik: Tom Petty – "Into The Great White Open"
Nun hat der unabhängige Sicherheitsberater mit dem Netzpseudonym „Gwern Branwen" im Internetarchiv archive.org sein gesammeltes Darknet-Marktplatz-Archiv veröffentlicht: Mindestens einmal die Woche und manchmal sogar täglich fertigte er Kopien der Webseiten an, von Datensätzen und Dokumenten. Und auch einige dazugehörige Foren hat er archiviert, in denen sich Käufer mit den Anbietern austauschen – und Kunden sich an den Verkäufer wenden, als seien sie im Edeka-Laden an der Ecke: „Bitte bitte bitte",schreibt einer der Anbieter, „hört auf mich zu fragen, ob ich Banküberweisungen akzeptiere, wo ich wohne oder ob wir uns treffen können. Ich werde nichts tun, das meine Anonymität gefährdet!"
Musik: Pacou – "Tresor.Cast"
Eine riesige Menge an Daten findet man jetzt bei archive.org unter Dark Net Market, verpackt in Ordnern und Subordnern, durch die man sich einzeln klicken muss. Und wer sich nun freut, wie in einem Polizeimuseum durch die Asservatenkammer einer möglicherweise verflossenen Ära spazieren zu können, der wird vor recht mühsame Aufgaben gestellt: Zuerst muss ich extra Firefox-Add-ons runterladen und dazu spezielle Editoren für Internet-Sprachen installieren.
Und dann ist das Amusement ungefähr so groß wie das, durch eBay-Angebotsseiten zu streifen – und ähnlich auch die Aufmachung: Fein säuberlich unterteilt nach klickbaren Gruppen (Cannabis, Ecstasy, Opioide, Stimulantien) finde ich kleine Bildchen von Gewürzhäufchen, die aussehen wie Zimt, aber irgendwas Verbotenes sind.
Ein paar Klicks weiter aber ist plötzlich Computerhardware fotografiert, dann hängt da eine Hose auf einem kleinen Foto, das ist eine Piratenkopie von Diesel-Jeans. Noch ein paar Klicks weiter stapeln sich steuerfreie Zigaretten aus Moldawien und Generalschlüssel, wie sie die Feuerwehr benutzt: Schier alles, was irgendwo verboten ist, scheint sich, zum einfachen Bestellen, auf diesem Schwarzmarkt im Internet zu finden! Sogar ein gefälschter ungarischer Pass wird angeboten für 25 USD - und auf dunklen Kanälen importiertes Feuerwerk.
Musik: Marlene Dietrich – "Black Market"
Natürlich gibt es durchaus im tiefen Web irgendwelche Webseiten für hochkriminelle Geschäfte, geklaute Paypal-Accounts und zerlegte Waffen. Und natürlich wird unter irgendwelchen verschlüsselten IP-Adressen auch über verbotene sexuelle Vorlieben verhandelt, über Gewalt. Aber die Administratoren der ersten halboffiziellen Dark Web Marktplätze hatten sich auf einen Verhaltenscodex geeinigt: keine Kinderpornos, keine geklauten Sachen, keine falschen Qualitätsangaben: "Behandle andere wie du behandelt werden willst und tue nichts, das andere verletzt oder bescheißt.Ja ja."
Die idyllische Periode des Darknet als Tummelplatz für Alternativ-Gaunerei und Anarchokriminaltität endete jedenfalls, als Silk Road 2013 vom FBI hochgenommen und abgeschaltet wurde. Bald zogen sich dann auch die erfolgreichen Nachahmer zurück – Black Market Reloaded, Sheep oder Atlantis – und es blieben kurzlebige Portale, die meist schnell wieder verschwanden. Entweder weil sie Angst vor Enttarnung hatten oder, wenn es Betrügerseiten waren, weil sie schnell mal eben ihren Schnitt gemacht hatten. Aber die goldene Zeit hat Gwern Branwen unter Dark Net Marketauf archive.orgdokumentiert.
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