"Dann kann dieser Nachhilfeunterricht eingekauft werden"
Die Mannheimer Bildungsbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) sieht speziell die Kommunen in der Pflicht, bildungsschwache Kinder zu fördern. In ihrer Stadt gibt es deshalb ein Baukastensystem, mit dem Schulen nach Bedarf Bildungsangebote für ihre Schüler auswählen können.
Marcus Pindur: Das Bildungspaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien soll in dieser Woche am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Es war ja umstritten, wie man diese zusätzlichen Hilfen am besten organisiert, die Chipkarte, ein Gutscheinsystem, machen es die Kommunen, machen es die Jobcenter? Einiges ist da noch im Unklaren. Klar ist, dass Sozialministerin von der Leyen sich bereits auf ihre Kritiker zubewegt hat: Nachdem nämlich die Kommunen darauf gedrängt haben, soll der Nachhilfeunterricht möglichst durch die Schulen selbst organisiert werden. Wir sind jetzt verbunden mit Gabriele Warminski-Leitheußer, sie ist Bürgermeisterin für Bildung, Jugend, Sport und Gesundheit in Mannheim. Guten Morgen, Frau Warminski-Leitheußer!
Gabriele Warminski-Leitheußer: Guten Morgen!
Marcus Pindur: Sie gehen in Mannheim einen besonderen Weg: Sie geben nicht Leistungen an einzelne bedürftige Familien, Sie fördern die Bildungsinfrastruktur für ganze Problembezirke. Wie sieht dieses Mannheimer Modell im Einzelnen aus?
Warminski-Leitheußer: Also wir sind ausgegangen von der Überlegung, dass wir Schulen dabei unterstützen wollen, Kinder individuell zu fördern, und zwar so zu fördern, wie sie es benötigen, und dann haben wir uns gedacht: Menschenskinder, eigentlich brauchen die Schulen ja mehr Lehrerstunden. Jetzt können wir nicht mehr Lehrer einstellen, das kann ja nur das Land, also haben wir gesagt, dann greifen wir doch auf die Lehrer zurück, die wir haben vor Ort, das sind nämlich die Lehrer in unserer Volkshochschule. Und so haben wir praktisch einen Baukasten zusammengestellt aus den Angeboten unserer Volkshochschule, die sehr groß ist, und der Musikschule und der Stadtbibliothek. Und aus diesem Baukasten haben wir 10.000 Stunden eingekauft und haben mittlerweile elf Schulen, die aus diesen Stunden frei das buchen können, was sie benötigen für Ihre Kinder.
Marcus Pindur: Das sind Fächer wie Musikunterricht zum Beispiel. Was ist denn jetzt mit dem einzelnen Schüler, der, sagen wir mal, Schwierigkeiten in Englisch oder Mathe hat?
Warminski-Leitheußer: Ja, das ist eben genau Sache der Schule. Also die Schulen können jetzt, wenn sie sehen, ich habe einen Schüler, beispielsweise in der Klasse acht, in der Klasse neun, und der benötigt eine Unterstützung, dann kann dieser Nachhilfeunterricht eingekauft werden.
Marcus Pindur: Bildung ist ja eigentlich eine Domäne des Landes. Wo nimmt die Stadt denn die Mittel her, um das zu tun?
Warminski-Leitheußer: Wir geben jährlich 350.000 Euro aus auf freiwilliger Basis, um die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zwar einfach deshalb, weil wir sagen: Wir übernehmen als Kommune die Verantwortung dafür, dass jeder junge Mensch in Mannheim einen Schulabschluss bekommt, denn wenn wir das nicht tun, wird es niemand machen. Bund und Länder streiten sich ja im Wesentlichen über Zuständigkeiten, und wir als Kommune, wir sehen ja, was vor Ort passiert, wenn Kinder nicht ausreichend unterstützt werden.
Marcus Pindur: Ich höre da heraus, dass Sie sich von Land und auch von Bund bei der Bewältigung dieser Aufgabe ziemlich alleingelassen fühlen.
Warminski-Leitheußer: Ja, natürlich. Es ist einfach ein riesengroßes Problem, dass Bund und Land sich erstens immer wieder über Zuständigkeiten streiten, das gilt für den Kindergarten- und Krippenbereich ebenso für die Schulen, und wir sagen: Es gibt doch ausreichend Erkenntnisse darüber, wo man ansetzen muss, um Kinder zu fördern. Und lasst es uns doch endlich tun, und der entscheidende Ort, wo man ansetzen muss, das sind die Bildungsinstitutionen, die jeweils von dem Kind besucht werden, das ist die Krippe, der Kindergarten und die Schule.
Marcus Pindur: Können Sie sich denn vorstellen – Arbeitsministerin von der Leyen hat ja auch gesagt, dass nur die Kommunen das im Einzelfall entscheiden können, wie diese Leistung dann am Ende beim Kind ankommt –, können Sie sich vorstellen, dass es eine stärkere Verknüpfung zum Beispiel der Sozialleistungen dieser Sachleistungen des Bundes, mit dem Schulangebot andererseits stattfindet?
Warminski-Leitheußer: Ja, natürlich, das muss sogar passieren aus meiner Sicht, denn das eigentliche Problem, was ja deutlich geworden ist bei der ganzen Diskussion um das Bildungspaket, ist doch, dass Kindern, die erstens aus armen Familien, aus einkommensarmen Familien kommen, aber auch Kinder, die aus bildungsfernen Familien kommen, dass die einfach einen Fördernachteil haben, ein Förderdefizit haben, und das gilt es auszugleichen. Und das kann man nur in der Kommune organisieren, und ich würde also dieses Bildungspaket sofort in mein Mannheimer System einbauen.
Marcus Pindur: Also Sie halten den Weg von Bundesarbeitsministerin von der Leyen im Prinzip schon für richtig, den Kindern zusätzliche Sachleistungen zukommen zu lassen. Sie sagen aber, das muss vor Ort organisiert werden.
Warminski-Leitheußer: Ja, ganz genau. Also um es ganz deutlich zu sagen: Natürlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man sagt, wir möchten Mittel zur Verfügung stellen, auch als Bund, die direkt bei den Kindern ankommen. Das ist schon in Ordnung. Aber man muss es auch so organisieren, dass das Geld exakt dort ankommt, wo es hingehört, und das gehört in die Schule. Wir müssen Schule in die Lage versetzen, Kinder so zu fördern, dass Sportunterricht, dass Musikunterricht, dass Nachhilfeunterricht automatisch mit dazugehören, wenn es dementsprechenden Bedarf gibt.
Marcus Pindur: Letzte Frage mit der Bitte um kurze Antwort: Haben Sie da schon messbare Erfolge erzielt? Kann man schon sehen, dass die Förderung der Kinder im Einzelnen Früchte trägt?
Warminski-Leitheußer: Also wir sind jetzt drei Jahre dabei und wir lassen natürlich das System evaluieren. Was man aber sagen kann, ist, dass die Schulen ganz begeistert sind von der Möglichkeit, individuell genau das einzukaufen, was sie brauchen.
Marcus Pindur: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Warminski-Leitheußer: Bitte schön!
Marcus Pindur: Gabriele Warminski-Leitheußer, sie ist Bürgermeisterin für Bildung, Jugend, Sport und Gesundheit in Mannheim.
Gabriele Warminski-Leitheußer: Guten Morgen!
Marcus Pindur: Sie gehen in Mannheim einen besonderen Weg: Sie geben nicht Leistungen an einzelne bedürftige Familien, Sie fördern die Bildungsinfrastruktur für ganze Problembezirke. Wie sieht dieses Mannheimer Modell im Einzelnen aus?
Warminski-Leitheußer: Also wir sind ausgegangen von der Überlegung, dass wir Schulen dabei unterstützen wollen, Kinder individuell zu fördern, und zwar so zu fördern, wie sie es benötigen, und dann haben wir uns gedacht: Menschenskinder, eigentlich brauchen die Schulen ja mehr Lehrerstunden. Jetzt können wir nicht mehr Lehrer einstellen, das kann ja nur das Land, also haben wir gesagt, dann greifen wir doch auf die Lehrer zurück, die wir haben vor Ort, das sind nämlich die Lehrer in unserer Volkshochschule. Und so haben wir praktisch einen Baukasten zusammengestellt aus den Angeboten unserer Volkshochschule, die sehr groß ist, und der Musikschule und der Stadtbibliothek. Und aus diesem Baukasten haben wir 10.000 Stunden eingekauft und haben mittlerweile elf Schulen, die aus diesen Stunden frei das buchen können, was sie benötigen für Ihre Kinder.
Marcus Pindur: Das sind Fächer wie Musikunterricht zum Beispiel. Was ist denn jetzt mit dem einzelnen Schüler, der, sagen wir mal, Schwierigkeiten in Englisch oder Mathe hat?
Warminski-Leitheußer: Ja, das ist eben genau Sache der Schule. Also die Schulen können jetzt, wenn sie sehen, ich habe einen Schüler, beispielsweise in der Klasse acht, in der Klasse neun, und der benötigt eine Unterstützung, dann kann dieser Nachhilfeunterricht eingekauft werden.
Marcus Pindur: Bildung ist ja eigentlich eine Domäne des Landes. Wo nimmt die Stadt denn die Mittel her, um das zu tun?
Warminski-Leitheußer: Wir geben jährlich 350.000 Euro aus auf freiwilliger Basis, um die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zwar einfach deshalb, weil wir sagen: Wir übernehmen als Kommune die Verantwortung dafür, dass jeder junge Mensch in Mannheim einen Schulabschluss bekommt, denn wenn wir das nicht tun, wird es niemand machen. Bund und Länder streiten sich ja im Wesentlichen über Zuständigkeiten, und wir als Kommune, wir sehen ja, was vor Ort passiert, wenn Kinder nicht ausreichend unterstützt werden.
Marcus Pindur: Ich höre da heraus, dass Sie sich von Land und auch von Bund bei der Bewältigung dieser Aufgabe ziemlich alleingelassen fühlen.
Warminski-Leitheußer: Ja, natürlich. Es ist einfach ein riesengroßes Problem, dass Bund und Land sich erstens immer wieder über Zuständigkeiten streiten, das gilt für den Kindergarten- und Krippenbereich ebenso für die Schulen, und wir sagen: Es gibt doch ausreichend Erkenntnisse darüber, wo man ansetzen muss, um Kinder zu fördern. Und lasst es uns doch endlich tun, und der entscheidende Ort, wo man ansetzen muss, das sind die Bildungsinstitutionen, die jeweils von dem Kind besucht werden, das ist die Krippe, der Kindergarten und die Schule.
Marcus Pindur: Können Sie sich denn vorstellen – Arbeitsministerin von der Leyen hat ja auch gesagt, dass nur die Kommunen das im Einzelfall entscheiden können, wie diese Leistung dann am Ende beim Kind ankommt –, können Sie sich vorstellen, dass es eine stärkere Verknüpfung zum Beispiel der Sozialleistungen dieser Sachleistungen des Bundes, mit dem Schulangebot andererseits stattfindet?
Warminski-Leitheußer: Ja, natürlich, das muss sogar passieren aus meiner Sicht, denn das eigentliche Problem, was ja deutlich geworden ist bei der ganzen Diskussion um das Bildungspaket, ist doch, dass Kindern, die erstens aus armen Familien, aus einkommensarmen Familien kommen, aber auch Kinder, die aus bildungsfernen Familien kommen, dass die einfach einen Fördernachteil haben, ein Förderdefizit haben, und das gilt es auszugleichen. Und das kann man nur in der Kommune organisieren, und ich würde also dieses Bildungspaket sofort in mein Mannheimer System einbauen.
Marcus Pindur: Also Sie halten den Weg von Bundesarbeitsministerin von der Leyen im Prinzip schon für richtig, den Kindern zusätzliche Sachleistungen zukommen zu lassen. Sie sagen aber, das muss vor Ort organisiert werden.
Warminski-Leitheußer: Ja, ganz genau. Also um es ganz deutlich zu sagen: Natürlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man sagt, wir möchten Mittel zur Verfügung stellen, auch als Bund, die direkt bei den Kindern ankommen. Das ist schon in Ordnung. Aber man muss es auch so organisieren, dass das Geld exakt dort ankommt, wo es hingehört, und das gehört in die Schule. Wir müssen Schule in die Lage versetzen, Kinder so zu fördern, dass Sportunterricht, dass Musikunterricht, dass Nachhilfeunterricht automatisch mit dazugehören, wenn es dementsprechenden Bedarf gibt.
Marcus Pindur: Letzte Frage mit der Bitte um kurze Antwort: Haben Sie da schon messbare Erfolge erzielt? Kann man schon sehen, dass die Förderung der Kinder im Einzelnen Früchte trägt?
Warminski-Leitheußer: Also wir sind jetzt drei Jahre dabei und wir lassen natürlich das System evaluieren. Was man aber sagen kann, ist, dass die Schulen ganz begeistert sind von der Möglichkeit, individuell genau das einzukaufen, was sie brauchen.
Marcus Pindur: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Warminski-Leitheußer: Bitte schön!
Marcus Pindur: Gabriele Warminski-Leitheußer, sie ist Bürgermeisterin für Bildung, Jugend, Sport und Gesundheit in Mannheim.