Dankesrede für den Büchner Preis

Eine Rede mit viel Wiedererkennungswert

Akademie-Präsident Heinrich Detering (links) zeichnet Rainald Goetz mit dem Büchnerpreis 2015 aus.
Akademie-Präsident Heinrich Detering (links) zeichnet Rainald Goetz mit dem Büchnerpreis 2015 aus. © dpa / picture alliance / Boris Roessler
Von Hans von Trotha · 02.11.2015
Die Büchner-Preis-Rede gilt als eine der bedeutendsten Literatur-Reden der Gegenwart. In diesem Jahr erhielt Rainald Goetz den begehrten Büchner-Preis - und er bedankte sich auf ganz und gar "Goetzsche" Weise.
Am Samstag hat Rainald Goetz in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis erhalten und sich naturgemäß dafür bedankt. Neben den Frankfurter Poetik-Vorlesungen gehört die Büchner-Preis-Rede zu den wichtigsten Dokumenten einer Literaturgeschichtsschreibung der Gegenwart - eine akute Quelle zur Lage der Nation im Spiegel ihrer Literatur.
Da spricht, scheint's, nicht nur eine Autorin oder ein Autor zu uns, da spricht die Literatur selbst. Mit angemessener Spannung sah man der Rede eines Autors entgegen, der selten redet und der vor gut dreißig Jahren den Auftritt auf der literarischen Bühne mit einem Schnitt in den eigenen Kopf unterstrich.
Ironie der verquasten Akademiepolitik
Es wirkt wie die Ironie einer verquasten Akademiepolitik, dass die von vielen insgeheim erhoffte Irritiation bei diesem Festakt nicht als großes Kino auf die Bühne gebracht, sondern sozusagen schon im Vorfilm abgefeiert wurde, indem der Akademiepräsident sich von einem der Laudatoren distanzierte. Das galt freilich nicht Hauptlaudator Jürgen Kaube, der Rainald Goetz, der von sich behauptet, nicht gelobt werden zu wollen, würdig lobte. Und der bedankte sich, durchaus würdig. Würdig, das heißt bei Rainald Goetz, dass die analytische Schärfe des Psychiaters im Blick auf die Gesellschaft sich gepaart mit der nachglühenden Urwut des reifen Punk im Bett eines von großer Wortmacht getriebenen, hoch-, bisweilen vielleicht auch ein wenig überreflektierten Sprachflusses wiederfindet.
Dank und Bloßstellung zugleich
Das ergibt dann Sätze wie: "Wie wollen wir leben? Böse real und realistisch kaputt." Die Akademie wird bedankt und zugleich bloßgestellt als Institution, die sich über Tote definiert, ja, der Ausgezeichnete erklärt den Auszeichnenden, ihre Institution "vitalisier(e) sich über den Tod". In der Tat, es ist sehr viel einfacher, Tote als literarische Klassiker anzuerkennen als Lebende - oder gar sich selbst.
Die Rolle eines Literaturklassikers der Gegenwart hat Rainald Goetz auf durch und durch Goetzsche Weise angenommen mit einer Rede, die viel Wiederkennungswert bot, was die dem Autor eigene Weltblickversprachlichung angeht, die aber auch einen verletzlichen Stolzen zeigte, der die Vereinnahmung durch die Gesellschaft, die die Annahme dieses Preises bedeutet, sehenden Auges und irgendwie auch demütig akzeptiert, wobei, so Goetz, sehr helfe, "dass der Büchner-Preis im Namen eines Außenseiters vergeben wird". Alles in allem: klassischer Dank.
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