Daniela Krien: "Der Brand"

Diese Ehe steht in Flammen

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Buchcover: "Der Brand" von Daniela Krien
"Der Brand" von Daniela Krien © Deutschlandradio / Diogenes
Von Rainer Moritz · 29.07.2021
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In "Der Brand" erzählt Daniela Krien mit einem gnaden-, aber nie mitleidlosen Blick ein, was ein Eheleben aushalten muss. So liegt über den drei Urlaubswochen eines Paares, die sie in knappen, schlichten Sätzen schildert, eine bedrückende Spannung.
"Meine Helden sind keine Gewinner", hat Daniela Krien einmal gesagt. Dass sie es brillant versteht, ihre Figuren, "deren Schicksal ihre Kräfte übersteigt", zu vergegenwärtigen, ist eine Sache des Stils – und des Vermögens, ohne Umschweife Gedanken und Gefühle auf den Punkt zu bringen.
All das lässt sich in Kriens bislang drei vorliegenden Erzählbänden – darunter vor allem der Überraschungserfolg "Die Liebe im Ernstfall" – finden, und all das prägt auch ihren neuen Roman "Der Brand".
Rahel und Peter heißen dessen Protagonisten, ein in Dresden lebendes Paar, das auf bald 30 Ehejahre zurückblickt und, so scheint es, langsam auf einen unaufgeregten Lebensabend zusteuert. Sie ist Psychologin. Er lehrt als Germanistikprofessor, zunehmend unter den Zeitgeistdebatten leidend, die ihm sein universitäres Dasein vergällen.
Beide planen einen Urlaub in den Ammergauer Alpen, doch kurz vor Reiseeintritt erhalten sie die Nachricht, dass ihr Domizil niedergebrannt ist. Ein Ereignis, das auch die Ehe der beiden in Flammen zu setzen scheint.

Wenn das Begehren nachlässt

Ein Zufall bringt es mit sich, dass sich die Urlaubspläne umgehend ändern lassen. Eine Freundin, Ruth, ruft an und bittet Rahel und Peter darum, ihren leicht maroden Hof in der Uckermark zu hüten. Brandenburg statt Oberbayern – das ist die Alternative.
Drei Wochen verbringt man dort, drei Wochen, die den Roman strukturieren und alles, was diese Ehe an latenten Problemen aufweist, schrittweise ans Tageslicht bringen.
Rahel will sich nicht damit abfinden, dass sich Peters sexuelles Verlangen verflüchtigt. Sie leidet unter den Wechseljahren und unter der "launischen Diva", zu der ihr Körper für sie geworden ist: "Sein feiner Humor kippt nun öfter ins Zynische, und an die Stelle ihrer lebhaften Gespräche ist eine distinguierte Freundlichkeit getreten. Damit einhergehend – und das ist das Schlimmste – hat er aufgehört, mit ihr zu schlafen."
Daniela Krien ist eine Meisterin des Lapidaren. Was es in einem Ehe- und Familienleben an Verschwiegenem auszuhalten gilt, fängt sie mit einem gnaden-, aber nie mitleidlosen Blick ein.
Rahel graut vor einer Zukunft, in der sie nicht mehr begehrt wird. Gleichzeitig jedoch wirft sie die Flinte nicht ins Korn und will ihren Mann, der sich zu den Pferden und zu seinen Büchern flüchtet, nicht verloren geben.

Ungeschminkte Prosa

So liegt über dieser scheinbar so unspektakulären Prosa eine bedrückende Spannung. Die knappen (Ab-)Sätze reihen sich aneinander; nichts wird unnötig ausgewalzt. Die Sprache ist von bewusster Schlichtheit, fällt nur selten ins leicht Stereotype und macht mit jedem Wort spürbar, was in diesen mit sich und der Welt ringenden Figuren vor sich geht.
Kriens "Der Brand" gelingt das Kunststück, Existenzielles (darunter die Suche nach Rahels Vater) zu berühren, ohne das an irgendeiner Stelle zur Schau zu stellen. Wie sich die Wahrnehmung des Körpers und der Gefühle im Lauf der Jahre verändern, was es heißt, sich nicht damit abzufinden, "vollkommen entbehrlich zu sein": Das vermittelt diese ungeschminkte Prosa.
Und gleichzeitig gibt sich Daniela Krien nicht damit zufrieden, dem scheinbar Ausweglosen das letzte Wort zu lassen. Ihr Roman hat bei aller Härte am Ende Tröstliches. "Einmal werden sie alle bezwungen sein" – gemeint ist der Tod –, heißt es mal, doch bevor es so weit ist, lohnt es sich, zu kämpfen.

Daniela Krien: "Der Brand"
Roman. Diogenes, Zürich 2021
272 Seiten, 22 Euro

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