Daniel Barenboim dirigiert Edward Elgar

Große Besetzung für einen Traum

Daniel Barenboim mit einer ausladenden Geste vor dem Orchester, im Hinergrund ist Publikum zu sehen.
Das vertraute Bild: Daniel Barenboim, hier 2014 mit den Wiener Philharmonikern, dicht an dicht in der ausverkauften Berliner Philharmonie © imago images / Future Image
Moderation: Olaf Wilhelmer · 21.08.2020
Große Gedanken, große Musik, große Besetzungen: Viele bedeutende Werke der Musikgeschichte sind in dieser Zeit nicht aufführbar. Eine Erinnerung an das, was fehlt – heute: "The Dream of Gerontius" von Edward Elgar.
Der Tod ist eine der größten Fragen des Lebens und damit ein Hauptthema der Kunst – auch und gerade in der Musik. Erstaunlich selten sind allerdings musikalische Kunstwerke, die sich das Leben nach dem Tod, das Jenseits (oder wie auch immer man es nennen möchte) detailliert ausmalen.
Eine der spannendsten Annäherungen an diesen Gedankenkreis findet sich im Schaffen von Edward Elgar (1857-1934). In seinem Oratorium "The Dream of Gerontius", 1900 entstanden, stellt er Träume und Gebete eines sterbenden Menschen und seiner Mitmenschen dar und imaginiert die Reise einer Seele in die geistige Welt. Dieser wahrlich nicht einfache Stoff wurde zur Grundlage eines Werkes, das zumindest in der britischen Heimat des Komponisten einen legendären Ruf genießt.

Einsatz für einen Unterschätzten

Auf dem Kontinent sieht es mit der Begeisterung für dieses Werk und für diesen Komponisten allgemein etwas anders aus – hier bedarf es begeisterter und begeisternder Musiker, die sich dafür einsetzen. Seit Jahrzehnten ist das an erster Stelle Daniel Barenboim. Durch seinen Mentor, den Dirigenten Sir John Barbirolli, und durch seine erste Ehefrau, die Cellistin Jaqueline du Pré, ist Barenboim früh zu Elgar gekommen, für den er sich auch in Deutschland seit langer Zeit unermüdlich einsetzt.
Der Komponist mit Melone und Mantel vor einem Flugzeug ist von vier weiteren Personen umkreist und schauen zu, wie er eine Platte signiert.
Das letzte Foto vor Edward Elgars Tod 1934: Der Komponist (2. v. l.) signiert eine Schallplatte© imago / United Archives International
Im Januar 2012 führte Barenboim den "Gerontius" mit den Berliner Philharmonikern und dem Rundfunkchor Berlin auf. Das Konzert wurde eine spannende Reise zu den Grundfragen der menschlichen Existenz. Die Musik, die trotz der gewaltigen Chor- und Orchesterbesetzung stellenweise am Rand der Stille angesiedelt ist, wurde vom Publikum in der vollbesetzten Philharmonie mit schier atemloser Aufmerksamkeit angehört.

70 Jahre vor vollen Sälen

Solche Situationen kann man sich heute schlichtweg kaum noch vorstellen. Und nun hat Daniel Barenboim, der in diesen Tagen sein 70-jähriges Bühnenjubiläum feiert, seinen Unmut über widersprüchliche Maßnahmen gegen das Coronavirus geäußert, die für Musiker und Zuhörer gleichermaßen irritierend seien.
Auch wenn es dieser Tage nicht so aussieht, bleibt die Hoffnung, Konzerte wie das hier dokumentierte in absehbarer Zeit wieder live erleben zu können.
Aufzeichnung vom 12. Januar 2012 in der Berliner Philharmonie
Edward Elgar
"The Dream of Gerontius", Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 38
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