"Da geht noch was"

Von Hans-Ulrich Pönack · 11.09.2013
Die drei Generationen der Familie Schuster entdecken, dass Veränderungen im Leben möglich sind, egal wie alt man ist. Regisseur Holger Haase hat "Da geht noch was" mit sehr präsenten Protagonisten inszeniert - allen voran Henry Hübchen als Vater Carl und Inbegriff eines Ekels.
"Da geht noch was" darf man durchaus wörtlich nehmen - da geht, manchmal, noch beziehungsweise doch was im deutschen Film - ganz ohne den "Hardcore-Sozialrealismus" der "Berliner Schule" ("KulturSPIEGEL" Nr.9/2013), ohne eindimensionale Figuren, die sich von der ersten Sekunde und dann immer "so" benehmen (dämlich, schlau, komisch). Sondern mit lebendigen Protagonisten, die sich gedanklich wie räumlich ständig bewegen. Und zu ändern verstehen. "Da geht noch was" handelt in allererster Linie von möglichen (Ver-)Änderungen. Zu jedweder Lebenszeit. Du kannst dich an jedem Tag wandeln. Dinge, Emotionen anders bewerten. Deine Ziele neu ausloten. Deinen Partnern, deinem Umfeld, neu begegnen. Verdammt noch mal, warum denn nicht? Zeigt, sagt, also behauptet diese kleine feine deutsche Filmüberraschung.

Am Beispiel der Familie Schuster. Vater Carl (Henry Hübchen), der ehemalige Gewerkschaftsboss, ist der Inbegriff eines Ekels. Immer schon und im Ruhestand noch mehr. Ehefrau Helene (Leslie Malton) hat endlich die Konsequenzen gezogen und ist abgehauen. Sohn Conrad (Florian David Fitz ) möchte eigentlich mit Ehefrau Tamara (Thekla Reuten) und Sohn Jonas im Urlaub an die Strände von Goa fliegen. Doch dann flippt der grantige Carl mal wieder dazwischen. Der inzwischen ziemlich verwahrloste und in Selbstmitleid trunkene Patriarch hat sich bei einem unfreiwilligen Sprung in den leeren Pool verletzt. Tamara fliegt erst mal alleine ab, während Conrad mit Jonas beim Alten Sanitätsdienste leisten, was der gern und gut auskostet. Drei "skeptische" Generationen unter einem Dach. Bis hierher durchaus nicht unbekannt.

Spannend, konsequent, menschlich
Doch dann nimmt der Titel Fahrt auf, nagt an den eingefahrenen Figuren, stellt sie in veränderte Positionen zweifelnd wie couragiert neu auf. Lässt den Innenblick auf viel zu umfangreich bemühte, verlorene wie verlogene Lebenszeit zu. Dabei wird aus dem Bad-Opa Carl keineswegs der neue, gute Titan. Ganz im Gegenteil. Rückschläge, als Tiefschläge gegenüber den Nächsten, sind bei ihm nie ganz auszuschließen. Und auch die anderen müssen einiges an "schwarzen Späßen" einstecken, bevor man sich in Richtung Verbund von uns verabschiedet. Ein kleiner menschen-spannender deutscher Film, der mehr konsequent als lieblich ist. Und deshalb reizt. Auch und vor allem, weil das Ensemble insgesamt pointiert gepolt ist. Allen voran der wunderbare "Kotzbrocken" Hübchen, der einmal mehr charmant-biestig unterstreicht, was für eine fantastische Ausstrahlung und welch tollen Präsenz-Charme er bei aller Rollen-Cholerik besitzt. Was für ein darstellerisches Juwel!

Die Tragikomödie "Da geht noch was" von Debütant Holger Haase, ein 75er-Jahrgang aus Hamm stammend, gibt sich unhektisch die Bauch- und Kopfkante. Vermag eine imposante Menge gut zu unterhalten (= 3 1/2 PÖNIs).

Deutschland 2013 - Regie: Holger Haase, Darsteller: Florian David Fitz, Henry Hübchen, Leslie Malton, Marius Haas, Thekla Reuten - 101 Minuten
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