Cutterin Molly Steensgaard

Die Dogma-Schneiderin

Die dänische Cutterin Molly Malene Steensgard auf der Berlinale 2007
Die dänische Cutterin Molly Malene Steensgard auf der Berlinale 2007 © dpa / picture alliance / Soeren Stache
Von Christian Berndt · 16.02.2016
Die Cutterin Molly Steensgaard arbeitet seit über 20 Jahren mit Lars von Trier zusammen. Die unkonventionellen Filmschnitte der Dogma-Bewegung sprachen sich bis nach Hollywood herum. Viel mehr als Kinofilme fordern Steensgaard heute Serien heraus.
"I'm a storyteller in general."
Molly Stensgaard bezeichnet sich als Erzählerin. Sie ist Editorin beim Film, wie man in der englischsprachigen Welt sagt. Hierzulande ist noch der Ausdruck Cutter gebräuchlich – was sich sprachlich auf den praktischen Vorgang des Schneidens beschränkt. Aber die Arbeit des Editors beinhaltet wesentlich mehr:
"Man ist Ko-Autor in vielerlei Hinsicht, was die Übertragung von geschriebener Sprache in Film betrifft zum Beispiel. Man ist der Autor zum Beispiel in den Momenten, in denen man entscheidet, dass eine Geste geschriebene Zeilen ersetzt. Wir nehmen eine Menge Dialog heraus. Wenn man etwa eine Geste auch ohne den Text lesen kann – und das Publikum ist sehr gut darin, diese Art von Signalen zu lesen - dann musst Du diese Passage herausschneiden."
Das bedeutet auch, Szenenfolgen, wie sie im Drehbuch stehen, umzustellen, wenn es so sinnvoller erscheint. Das gibt oft Streit mit den Drehbuchautoren, aber der Regisseur entscheidet, wie letztlich der Film aussieht. Denn das ist mit dem Dreh noch längst nicht entschieden:
"Beim Dreh wird kreuz und quer gefilmt, wir haben dann lauter einzelne Teile. Erst mit dem Editieren, wird aus dem geschriebenen Wort ein Film."
Der Editor prägt den Rhythmus und die Erzählstruktur des fertigen Films. Durch den Schnitt kann auch entscheidender Einfluss auf die Charakterzeichnung genommen werden:
"Die Charaktere werden in erster Linie vom Regisseur und den Schauspielern geschaffen. Meine Arbeit besteht eher darin, sie auszuformen."
Das bedeutet aber auch, dass Stensgaard genau wissen muss, wie sich der Regisseur den Film vorstellt:
(Musik: Richard Wagner "Tristan und Isolde")
Vor allem mit Regisseur Lars von Trier hat Stensgaard seit Beginn ihrer Karriere immer wieder zusammengearbeitet. Sie hat für ihn Meisterwerke wie "Melancholia" geschnitten.
(Film) "Ich möchte, dass wir zusammen sind, wenn es passiert. Vielleicht draußen auf der Terrasse. Hilf mir, Justine."
"Er kann die Essenz des Films immer sehr gut kommunizieren. Aber er sagt nie, wenn wir einzelne Szenen betrachten, ich will, dass Du das nimmst und dieses rausschneidest. Denn dann könnte er es selbst machen. Ein guter Regisseur weiß, dass er seine Leute arbeiten lassen muss, und darin ist von Trier ist sehr klug."

Mit Zelluloid das Schneiden gelernt

Außerdem lässt sich mit dem digitalen Material alles auch wieder ändern. Das war früher anders, Stensgaard hat auf der Filmhochschule in Dänemark noch Schneiden mit Zelluloid gelernt. Das hieß, man musste vorsichtig sein, denn hatte man erst mal geschnitten, war das Material weg. Aber nicht nur die Digitalisierung war eine Umstellung. Als Stensgaard in jungen Jahren für Lars von Trier zu arbeiten begann, geriet sie mitten in die Dogma-Filmbewegung hinein, die radikal mit allen Filmkonventionen brach.
(Film) "Ich finde, Stover darf sich das nächste Spiel aussuchen. – Ja genau. Weil er Geburtstag hat. - Rudelbumsen. – Ja, Rudelbumsen."
Stensgaard war beim zweiten großen Dogma-Film "Idioten" dabei. Gerade beim Schnitt brachen Regisseure wie Lars von Trier mit allen Regeln.
"Ich kam direkt von der Filmschule, wo ich einen traditionellen Ansatz gelernt hatte. Es war so, als würde man jemandem sagen, alles was Du gelernt hast, musst Du jetzt wieder wegwerfen. Es war sehr chaotisch und sehr lustig, Teil davon zu sein."
Aber so wie die Digitalisierung Standard wurde, haben sich auch die unkonventionellen Filmschnitte der Dogma-Bewegung bis nach Hollywood herumgesprochen und Eingang ins Mainstream-Kino gefunden. Und auch die Anerkennung des Editors als Filmkünstler ist mit den Aufgaben gewachsen. Die nächste Herausforderung für Molly Stensgaard werden nun Fernsehserien sein. Und damit verbunden ist wiederum eine völlig andere Erzählweise:
"Du hast plötzlich eine sehr lange Erzähllinie. Man hat 10 Stunden statt 2. Ich finde es sehr herausfordernd in einem guten Sinn. Der Level an künstlerischer Ambition für TV-Serien ist sehr gewachsen. Für mich ist es ein ganz neues Spiel, Charaktere über längeren Zeitraum zu entwickeln. Fernsehserien sind epischer, romanhafter, als der Film."
Aber auch davor hat Stensgaard keine Angst, denn das Ausprobieren und Experimentieren hat sie in der Zusammenarbeit mit Lars von Trier gelernt. Und Editoring nicht als Schnipselarbeit zu begreifen, sondern als eigenständige Erzählform, ist mittlerweile im Filmgeschäft eine anerkannte Tatsache.
"You don't have to fight so much, at least in Denmark. We don't have to fight, we just work."
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