Hyper-Aktionismus in Wildbad Kreuth

Ob PKW-Maut, Betreuungsgeld oder die Kampagne gegen Zuwanderung – vor ihrer Klausur in Wildbad Kreuth wirkten die Christsozialen wie ein ADHS-Schulkind, das seine Ritalinpillen vergessen hat, meint Michael Watzke.
Die Berggipfel rund um Wildbad Kreuth wirken derzeit besonders groß und mächtig. Das liegt am Föhn, einem typisch bayerischen Wetterphänomen. Der Föhn ist ein warmer Fallwind, der die Dinge größer erscheinen lässt, als sie wirklich sind.
So gesehen könnte man Horst Seehofer als personifizierte Föhnwolke bezeichnen. Dem CSU-Chef gelingt es Jahr für Jahr, seine Partei viel größer und mächtiger wirken zu lassen, als sie tatsächlich ist. Besonders im Januar, bei ihrer Klausurtagung, türmt sich die CSU zu einem Himalaya-Massiv auf, obwohl sie – ohne Föhn betrachtet – allenfalls ein regionales Mittelgebirge ist.
Im März droht der CSU eine Kaltfront
Wie erzeugt Horst Seehofer diesen aufmerksamkeits-steigernden Föhnwind, in dem sich die CSU so erfolgreich aufmandelt, wie man auf Bayrisch sagt? Ganz einfach durch heftige Eigenbewegung. Das verschärfte Wedeln mit immer neuen Anträgen, Forderungen und Attacken sowie die ununterbrochene Fremd- und Selbstbeschäftigung erwecken den Eindruck, die CSU sei in Berlin mindestens so groß und wichtig wie CDU und SPD zusammen. Ob PKW-Maut, Betreuungsgeld oder "Wer betrügt, der fliegt" – die Christsozialen wirken wie ein ADHS-Schulkind, das seine Ritalinpillen vergessen hat.
Der Föhnwind bläst in Bayern immer genau so lange, bis ihn eine Kaltfront zusammenbrechen lässt. Diese Kaltfront droht der CSU im März: Dann finden im Freistaat Kommunalwahlen statt. In den bayerischen Städten und Gemeinden stellt nämlich nicht die CSU die meisten Bürgermeister, sondern die Freien Wähler und Bürgergemeinschaften. Der Grund ist einfach: Bei den Kommunalwahlen spielen lokale und regionale Belange eine viel größere Rolle als Macht und Einfluss in Berlin oder Brüssel.
Arrogant, praxisfern und verfilzt?
Vor Ort, in Anzing oder Zwiesel, wird die CSU immer noch von vielen Wählern als arrogant, praxisfern und verfilzt angesehen. Viele Freie Wähler waren noch vor einigen Jahren CSU-ler. Sie sind im Herzen konservativ. Fleisch vom Fleische der CSU, so nennt es Peter Gauweiler. Bisher ist es der großen Staatspartei nicht gelungen, die Rathäuser und Amtsstuben des Freistaates großflächig zurück zu erobern.
In diesem Zusammenhang muss man auch die "Wer betrügt, der fliegt"-Kampagne sehen – als Kalkül. Viele Kommunen klagen, die Politik lasse sie mit der Problematik ungesteuerter Zuwanderung allein. Aber was die betroffenen Gemeinden brauchen, sind tragfähige Konzepte, keine Phrasen. Die Probleme löst man nicht, indem man Ressentiments schürt, sondern indem man Ämtern und Behörden die rechtlichen und finanziellen Instrumente gibt, damit sie mit Augenmaß und ohne Pauschalisierung handeln können.
Mit Föhnwind, also mit Hyper-Aktionismus wie gerade in Wildbad Kreuth, löst man keine Probleme, man bauscht sie nur auf. Das Problem am Föhn ist: Wenn er zu stark wird, kriegt man Kopfweh.