Der Cresta Run in St. Moritz fasziniert die Briten

Der Geist von der Insel

Ein Crestafahrer in St. Moritz
Viele Crestafahrer in St. Moritz kommen aus Großbritannien. © Imago / Ulmer
Von Susanne von Schenck |
Im Schweizer Skiort St. Moritz treffen sich jedes Jahr viele Bob- und Crestafahrer, darunter viele Briten. Sie kommen schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Viele Wintersportarten gehen auf sie zurück - wie auch das Bob- und Crestafahren.
Bäuchlings, Kopf voran und die Nase nur wenige Zentimeter über dem Eiskanal donnern sie hinunter von St. Moritz nach Celerina. Auf einem Skeleton, einem massiven Stahlgerippe mit zwei Kufen ohne Bremsen und Lenkung. Für den Antrieb sorgt die Schubkraft des Fahrers.
Der Startpunkt des Cresta Run liegt bei der Kirche von St. Moritz. Beim Klubhaus weiter unten ist die Junction, für Anfänger der Einstieg in die Bahn. Zum Klubhaus, aus dem die Sicht auf die Bahn besonders gut ist, haben nur Mitglieder des exklusiven britischen Tobogganing Clubs Zutritt. Er ist auch der Betreiber des Cresta Run.
Sekretär war bis vor Kurzem Gary Lowe, selbst passionierter Crestafahrer.

„Alle Anfänger fahren hier los. Wenn man gute Zeiten fährt und den Skeleton kontrollieren kann – das beurteilt der Sekretär - erst dann darf man oben starten. Das ist viel, viel schneller. Wenn man erst mal auf der Crestabahn in Fahrt gekommen ist, ist es sehr schwer, wieder zu verlangsamen. Also, um sicher runterzukommen, sollte man nicht schneller sein, als man kontrollieren kann.“

Erster Cresta Run im Winter 1884/85

Der Cresta Run wurde erstmals im Winter 1884/85 gebaut und war fortan, neben dem benachbarten Olympia Bobrun, die „zweitgrößte Eisskulptur der Welt“. Er heißt so, weil das Ziel in Cresta, einem Ortsteil von Celerina, liegt. 
Die spleenigen Briten, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts ins Engadin kommen, haben der Schweiz auch eine gigantische Wintersportindustrie beschert. Noch heute logieren viele von ihnen im Fünf-Sterne Hotel Kulm, dort, wo alles seinen Anfang nahm.
Blick auf das Hotel "Kulm" in St. Moritz in der Schweiz
Viele Briten übernachten im Hotel Kulm in St. Moritz.© dpa / picture alliance / Andreas Lander
Hoteldirektor Heinz Hunkeler erfreut das:
„Harry Hace Morgan, ein ganz bekannter Crestafahrer, der hat einen Pokal, den jeder jedes Jahr gewinnen möchte. Aber wenn er ihn gewinnt, möchte er ihn doch nicht gewonnen haben, denn er muss ihn mit Champagner füllen. Und dieser gute Pokal umfasst 29,5 Flaschen Champagner. Und für mich ist das fürs Hotel natürlich immer ein gutes Geschäft. Aber für den Gewinner dieses Rennens: Der muss dann etwas tiefer ins Portemonnaie schauen.“

Gefühl für Timining und Balance ist wichtig

Crestafahrer brauchen ein Gefühl für Timing und Balance und sollen das Eis am Körper fühlen. Wer seinen Skeleton nicht richtig steuert, landet – bestenfalls - in den Strohballen neben der Bahn.
Denn aus den offenen Kurven kann man leicht herausfliegen, erklärt Gary Lowe.

„Wir haben viele Beulen und Blutergüsse, gebrochene Finger und kleine Unfälle. Schwere Unfälle gibt es sehr wenige. In den letzten 140 Jahren, seit wir diesen Sport praktizieren, hatten wir bedauerlicherweise fünf Tote zu beklagen.“ 

Zusammentreffen in verschiedenen Klubs

Nicht nur den Sportsgeist halten die Briten in St. Moritz hoch, sondern auch das gesellschaftliche Zusammentreffen in den diversen Klubs.

Rolf Sachs, Sohn von Gunter Sachs, selbst begeisterter Bob- und Skeletonfahrer und auch Mitglied im britischen Tobbogganing Club, sagt:

Igendwie ist St. Moritz eine Klubhauptstadt. Es gibt so viele Klubs, und in jedem Klub gibt es noch mal Subklubs. Also irgendwo sind wir doch alle Vereinsmeier.

Rolf Sachs

Der erste Bobklub wurde vor 125 Jahren in der Sunny Bar gegründet. Sie gehört zum Kulm. Dort werden die Ergebnisse der Crestarennen verkündet. 

12.000 Saisonabfahrten

Bei der Siegerehrung geht es lässig und stilvoll gleichermaßen zu. Höhepunkt ist das sogenannte Feuerwerk. Alle erheben sich von ihren Sitzen, trampeln kurz und heftig mit den Füßen, heben die Arme hoch und lassen sie langsam sinken, während sie einen Zischlaut von sich geben.

Nach 12.000 Saisonabfahrten ist am ersten Märzwochenende Schluss mit den Crestafahrten. Die Sonne wird die Bahn zum Schmelzen bringen. Dann wird daraus wieder ein Wanderweg hinunter nach Celerina – bis zum nächsten Winter.
Mehr zum Thema